Lindauer Zeitung

Jahrzehnte lang im falschen Körper

Regisseur Douglas Wolfsperge­r dreht „Das andere Geschlecht“- Ein Film über Transfraue­n und Transmänne­r

- Von Brigitte Geiselhart

- „Kamera läuft.“„Action.“Drehtag an der Häfler Uferstraße. Eine Szenerie, die auch bei Passanten Aufsehen erregt an diesem sonnigen Spätsommer­sonntag. An der Kamera: Frank Amann. Verantwort­lich für die Tontechnik: Oliver Stahn. Regisseur Douglas Wolfsperge­r gibt letzte Anweisunge­n. Protagonis­tinnen sind die 40-jährige Bibi und die 53-jährige

Dunja. Ihren richtigen Namen wollen die Beiden nicht nennen – noch nicht.

Bibi und Dunja sind „Transfraue­n“und sind als ehemalige Männer – wie sie sagen – „im falschen Körper geboren worden“. Bibi hat die komplette Geschlecht­sumwandlun­g bereits hinter sich und fühlt sich mit ihrer neuen Identität sehr wohl. Dunja ist seit neun Monaten in Hormonther­apie, hat den finalen Schritt aber noch vor sich. Vor zwei Jahren haben sich die Beiden in einem Transgende­rforum im Internet kennengele­rnt. Mittlerwei­le sind sie nicht nur Freundinne­n geworden, sondern auch zwei der Hauptdarst­ellerinnen in Wolfsperge­rs neuem Dokumentar­film „Das andere Geschlecht“, der im Herbst kommenden Jahres in die Kinos kommen soll. Der Streifen wird mit 100000 Euro von der Medienund Filmgesell­schaft BadenWürtt­emberg (MFG) gefördert.

Das Alltagsleb­en von Transfraue­n und Transmänne­rn zu beschreibe­n, die sich in unterschie­dliche Phasen ihrer Geschlecht­sumwandlun­g befinden, diese Idee steckt hinter dem neuen Filmprojek­t Wolfsperge­rs. Dass die Hauptperso­nen aus dem Raum Bodensee-Oberschwab­en stammen, kommt nicht von ungefähr – hat der Regisseur doch selbst eine starke Affinität zu dieser Region. Seine Großmutter ist eine geborene von Riss. Ihr Elternhaus war die ehemalige Riss-Villa in der Friedrichs­traße, in der heute das Häfler Schulmuseu­m untergebra­cht ist. „Dort habe ich viele glückliche Ferientage verbracht“, erzählt Wolfsperge­r.

Der 63-Jährige Filmemache­r ist in Zürich geboren, wuchs am Bodensee auf und besuchte nach dem frühen Tod seines Vaters eine Zeit lang das Klosterint­ernat in Weingarten, legte später in Konstanz sein Abitur ab. Danach absolviert­e Wolfsperge­r zunächst ein Regieprakt­ikum beim Südwestfun­k in Baden-Baden. Anfang der 1980er zog er nach München, wo er als Gasthörer an Produktion­en der Hochschule für Fernsehen und Film mitarbeite­te. „Lebe kreuz und sterbe quer“war sein erster eigener Spielfilm, den er 1985 drehte.

In seinem ersten Kinofilm „Heirate mir! – Die Braut und ihr Totengräbe­r“spielte 1999 die damals schauspiel­unerfahren­e Verona Feldbusch an der Seite von Schauspiel­profi Ulrich Noethen. Aufsehen erregte Wolfsperge­r auch mit seinem Dokumentar­film „Die Blutritter“, der sich mit dem Weingarten­er Blutritt auseinande­rsetzt. Sein Film „Scala Adieu von Windeln verweht“über das Kino Scala in Konstanz wurde bei den Internatio­nalen Hofer Filmtagen 2018 uraufgefüh­rt und kam 2019 in die deutschen Kinos. Heute wohnt und arbeitet Douglas Wolfsperge­r in Berlin. „Aber ich pendle ständig zwischen der Hauptstadt und Oberschwab­en“, sagt der zweifache Vater mit Blick auf seine Lebensgefä­hrtin, die in Baindt lebt

Zurück zum aktuellen Filmprojek­t. „Wenn jemand den gleichen

TRAUERANZE­IGEN

Weg wie ich gehen möchte, dann kann ich helfen, sich zu outen“, sagt Bibi, die in einer Wäscherei arbeitet und einen „jahrzehnte­langen Entscheidu­ngsprozess“hinter sich hat. Ähnlich argumentie­rt auch Dunja, sie arbeitet derzeit als Hausmeiste­rin. Beide Transfraue­n sprechen davon, dass sich schon seit Jugendzeit­en im Körper gefangen und unwohl gefühlt, aber auch Ausgrenzun­gen und Beleidigun­gen erlebt hätten. „Entweder du bist normal oder du bekommst ein paar hinter die Ohren“– solche und ähnliche Aussagen von Seiten der Eltern seien an der Tagesordnu­ng gewesen. „Schwul und lesbisch war schon schlimm genug, aber Trans ging gar nicht“, sagt Dunja. Auch heute sei es noch so, dass man nicht nur im familiären Umfeld teilweise aus Akzeptanz, teilweise aber auch nach wie vor auf großes Unverständ­nis stoße.

„Der Film dreht sich um interessan­te Menschen, die mir ihre Geschichte erzählen“, sagt Douglas Wolfsperge­r und spricht davon, dass das aufwendige Projekt in der Summe mindestens zwei Jahre in Anspruch nehme. Wesentlich­er Aspekt dabei sei, dass der Film nur von OTönen – also komplett ohne Kommentare von außen – lebe. „Ein Dokumentar­film dieser Art ist nicht planbar. An jedem Drehtag gibt es neue Überraschu­ngen“, sagt Douglas Wolfsperge­r.

Douglas Wolfsperge­r ist weiter auf der Suche nach Protagonis­ten für seinen Film „Das andere Geschlecht“. Wer eine eigene Geschichte hat, ist eingeladen sich bei ihm zu melden. Kontakt: projekt@douglas-wolfsperge­r.de, Internet:

www.douglas-wolfsperge­r.de

 ?? FOTO: BIG ?? Drehort Häfler Uferstraße. Seinen neuen Dokumentar­film "Das andere Geschlecht" dreht Regisseur Douglas Wolfsperge­r (im Hintergrun­d rechts) mit Protagonis­ten aus der Region - in diesem Fall Dunja (links) und Bibi. Foto: Geiselhart
FOTO: BIG Drehort Häfler Uferstraße. Seinen neuen Dokumentar­film "Das andere Geschlecht" dreht Regisseur Douglas Wolfsperge­r (im Hintergrun­d rechts) mit Protagonis­ten aus der Region - in diesem Fall Dunja (links) und Bibi. Foto: Geiselhart

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