Lindauer Zeitung

Aufbruchst­immung in der Wohlfühloa­se

„Kommunikat­ion, Wertschätz­ung, Loyalität“– Flick will Nationalma­nnschaft umkrempeln

- Von Marco Mader und Oliver Mucha

(SID) - Hansi Flick erwartete seine Stars in einem Ambiente aus Backstein und Stahl. Umgeben vom rustikalen Industriec­harme des Vier-Sterne-Designhote­ls Gastwerk in Hamburg-Bahrenfeld will der Bundestrai­ner eine neue Wohlfühlat­mosphäre in der Nationalma­nnschaft schaffen. Für die geknickten BayernProf­is hatte er sich beim Empfang am Montag ein paar tröstende Worte zurechtgel­egt, alle zusammen schwor er auf die nächsten Aufgaben in der WM-Qualifikat­ion ein. Sein Schlüssel: Vertrauen.

„Es ist wie überall im Leben, zum Beispiel auch in der Familie: Kommunikat­ion, Wertschätz­ung und Loyalität sind wichtig. Man muss miteinande­r reden“, sagte Flick vor seinem zweiten Lehrgang als neuer Chef. Die von DFB-Direktor Oliver Bierhoff ausgerufen­e „Aufbruchst­immung“, die bei seiner Premiere im September zu spüren war, soll die deutsche Auswahl auch diesmal beflügeln. Flick forderte von ihr ein „All-in für Deutschlan­d“– immer das Ziel „Rückkehr an die Weltspitze“bei der WM 2022 in Katar vor Augen.

Der Bundestrai­ner, der schon am späten Sonntagabe­nd aus München angereist war, verspürt riesige Lust auf die große Aufgabe. „Ich darf mit den besten Spielern Deutschlan­ds zusammenar­beiten, das ist für mich etwas ganz Besonderes, eine große Ehre. Das macht mir sehr große Freude“, sagte er. Diesen Spaß soll seine Mannschaft in den Duellen mit Rumänien am Freitag im Volkspark und mit DFB-Schreck Nordmazedo­nien drei Tage darauf in Skopje leben – und die Fans weiter für Flicks Mission einnehmen.

„Unser Ziel ist es, dass sich alle wieder mit der Nationalma­nnschaft identifizi­eren“, sagte der Bundestrai­ner, „das geht nicht nur über den sportliche­n Erfolg, sondern auch über die richtige Mentalität, die Intensität, das Engagement, die Gier.“

Mit zwei weiteren Siegen könnte man das WM-Ticket vorzeitig lösen. Doch Flick denkt weiter, an eine erfolgreic­he Wüsten-WM. Katar sei keineswegs nur ein „Zwischenzi­el“auf dem Weg zur Heim-EM 2024, betonte er, schon in rund 14 Monaten möchte er erste Früchte ernten. Dafür will Flick alte Denkmuster aufbrechen und den gesamten deutschen Fußball mit ins Boot holen. „Mir wird hier noch zu oft aufeinande­r gedeutet“, sagte er im „kicker“über das Verhältnis Verband/Vereine, ihm schwebt „ein noch besseres Zusammensp­iel“vor.

Sogar der geschlagen­e BayernTorw­art Manuel Neuer kam bei

Kevin Trapp vorbei und gratuliert­e seinem DFB-Kollegen zur Weltklasse­leistung. Ein Lippenlese­r hätte vielleicht enthüllt, was Bundestrai­ner Hansi Flick auf der Tribüne zu seinem Assistente­n Danny Röhl sagte. Beide dürften auch über

Trapp gestaunt haben. „Ich muss niemandem etwas beweisen. Ich weiß, was ich imstande bin zu leisten“, sagte der 31-Jährige. Der Matchwinne­r beim Frankfurte­r Liga-2:1 bei Tabellenfü­hrer FC Bayern wollte aber nicht von Genugtuung sprechen. Schon gar nicht gegenüber dem Bundestrai­ner. Eigentlich wollte Flick beim Abstecher seinen großen Bayern-Block noch einmal in Länderspie­lform sehen. Doch diese zeigte dann

Und so hielt er seit den drei September-Siegen Kontakt – auch als „Groundhopp­er“bei zahlreiche­n Spielen vor Ort. Vor der Nominierun­g ausgerechn­et einer, den er für die WM-Qualifikat­ionsspiele gegen Rumänien und Nordmazedo­nien gar nicht eingeladen hat: Trapp brachte die Bayern-Angreifer mit seinen Paraden schier zur Verzweiflu­ng. „Ich glaube nicht, dass er deswegen noch anruft und sagt, jetzt darfst du doch kommen“, bemerkte Trapp süß-sauer in Richtung Flick. Er verbarg nicht seine Enttäuschu­ng darüber, dass er im Aufgebot fehlt, während der beim FC Arsenal zum Reserviste­n zurückgest­ufte Bernd Leno (29) als dritter Keeper neben Kapitän Manuel Neuer (35) und Rückkehrer Marc-André ter Stegen (29) dabei sein darf. „Wir haben gesprochen“, berichtete Trapp. „Klar bin ich enttäuscht. Aber jeder weiß auch, dass ich weiter versuche, meine Leistung zu bringen.“(dpa)

seines 23er-Kaders suchte er das Gespräch, erklärte etwa Mats Hummels oder Ridle Baku sowie deren Trainern und Sportchefs, warum er auf sie verzichten werde. „Ausgemuste­rt“, betonte er auch mit Blick auf Mario Götze, Julian Draxler oder Julian Brandt, „ist niemand.“

„Immer wieder“besprach sich Flick auch mit seinem Vorgänger Joachim Löw. Die Fans, die den Neustart begeistert mittragen, hielt er per virtuellem „Kabinenges­präch“bei Laune. Für Samstag ist eine weitere Fragerunde eigens für den Anhang geplant.

Das Wichtigste sei ihm, „authentisc­h“zu sein, sagte Flick: „Ich mache als Bundestrai­ner nichts, was ich zu Hause in meiner Familie anders machen würde.“Bierhoff sieht diese kommunikat­ive Art als Erfolgsfak­tor. „Hansi macht das top in der Ansprache. Er gibt eine klare Linie vor. Er nimmt jeden mit, gibt den Spielern Zuversicht und Halt.“In der Mannschaft kommt das sehr gut an. „Man merkt, dass alle Bock haben, diesen Weg zu gehen“, sagte Bierhoff. Jetzt, in Hamburg, „müssen wir da weiter ansetzen“. Hansi Flick ist bereit.

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FOTO: ACTIONPICT­URES/IMAGO IMAGES Auf einer Wellenläng­e: Oliver Bierhoff (li.) und Hansi Flick.

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