Aufbruchstimmung in der Wohlfühloase
„Kommunikation, Wertschätzung, Loyalität“– Flick will Nationalmannschaft umkrempeln
(SID) - Hansi Flick erwartete seine Stars in einem Ambiente aus Backstein und Stahl. Umgeben vom rustikalen Industriecharme des Vier-Sterne-Designhotels Gastwerk in Hamburg-Bahrenfeld will der Bundestrainer eine neue Wohlfühlatmosphäre in der Nationalmannschaft schaffen. Für die geknickten BayernProfis hatte er sich beim Empfang am Montag ein paar tröstende Worte zurechtgelegt, alle zusammen schwor er auf die nächsten Aufgaben in der WM-Qualifikation ein. Sein Schlüssel: Vertrauen.
„Es ist wie überall im Leben, zum Beispiel auch in der Familie: Kommunikation, Wertschätzung und Loyalität sind wichtig. Man muss miteinander reden“, sagte Flick vor seinem zweiten Lehrgang als neuer Chef. Die von DFB-Direktor Oliver Bierhoff ausgerufene „Aufbruchstimmung“, die bei seiner Premiere im September zu spüren war, soll die deutsche Auswahl auch diesmal beflügeln. Flick forderte von ihr ein „All-in für Deutschland“– immer das Ziel „Rückkehr an die Weltspitze“bei der WM 2022 in Katar vor Augen.
Der Bundestrainer, der schon am späten Sonntagabend aus München angereist war, verspürt riesige Lust auf die große Aufgabe. „Ich darf mit den besten Spielern Deutschlands zusammenarbeiten, das ist für mich etwas ganz Besonderes, eine große Ehre. Das macht mir sehr große Freude“, sagte er. Diesen Spaß soll seine Mannschaft in den Duellen mit Rumänien am Freitag im Volkspark und mit DFB-Schreck Nordmazedonien drei Tage darauf in Skopje leben – und die Fans weiter für Flicks Mission einnehmen.
„Unser Ziel ist es, dass sich alle wieder mit der Nationalmannschaft identifizieren“, sagte der Bundestrainer, „das geht nicht nur über den sportlichen Erfolg, sondern auch über die richtige Mentalität, die Intensität, das Engagement, die Gier.“
Mit zwei weiteren Siegen könnte man das WM-Ticket vorzeitig lösen. Doch Flick denkt weiter, an eine erfolgreiche Wüsten-WM. Katar sei keineswegs nur ein „Zwischenziel“auf dem Weg zur Heim-EM 2024, betonte er, schon in rund 14 Monaten möchte er erste Früchte ernten. Dafür will Flick alte Denkmuster aufbrechen und den gesamten deutschen Fußball mit ins Boot holen. „Mir wird hier noch zu oft aufeinander gedeutet“, sagte er im „kicker“über das Verhältnis Verband/Vereine, ihm schwebt „ein noch besseres Zusammenspiel“vor.
Sogar der geschlagene BayernTorwart Manuel Neuer kam bei
Kevin Trapp vorbei und gratulierte seinem DFB-Kollegen zur Weltklasseleistung. Ein Lippenleser hätte vielleicht enthüllt, was Bundestrainer Hansi Flick auf der Tribüne zu seinem Assistenten Danny Röhl sagte. Beide dürften auch über
Trapp gestaunt haben. „Ich muss niemandem etwas beweisen. Ich weiß, was ich imstande bin zu leisten“, sagte der 31-Jährige. Der Matchwinner beim Frankfurter Liga-2:1 bei Tabellenführer FC Bayern wollte aber nicht von Genugtuung sprechen. Schon gar nicht gegenüber dem Bundestrainer. Eigentlich wollte Flick beim Abstecher seinen großen Bayern-Block noch einmal in Länderspielform sehen. Doch diese zeigte dann
Und so hielt er seit den drei September-Siegen Kontakt – auch als „Groundhopper“bei zahlreichen Spielen vor Ort. Vor der Nominierung ausgerechnet einer, den er für die WM-Qualifikationsspiele gegen Rumänien und Nordmazedonien gar nicht eingeladen hat: Trapp brachte die Bayern-Angreifer mit seinen Paraden schier zur Verzweiflung. „Ich glaube nicht, dass er deswegen noch anruft und sagt, jetzt darfst du doch kommen“, bemerkte Trapp süß-sauer in Richtung Flick. Er verbarg nicht seine Enttäuschung darüber, dass er im Aufgebot fehlt, während der beim FC Arsenal zum Reservisten zurückgestufte Bernd Leno (29) als dritter Keeper neben Kapitän Manuel Neuer (35) und Rückkehrer Marc-André ter Stegen (29) dabei sein darf. „Wir haben gesprochen“, berichtete Trapp. „Klar bin ich enttäuscht. Aber jeder weiß auch, dass ich weiter versuche, meine Leistung zu bringen.“(dpa)
seines 23er-Kaders suchte er das Gespräch, erklärte etwa Mats Hummels oder Ridle Baku sowie deren Trainern und Sportchefs, warum er auf sie verzichten werde. „Ausgemustert“, betonte er auch mit Blick auf Mario Götze, Julian Draxler oder Julian Brandt, „ist niemand.“
„Immer wieder“besprach sich Flick auch mit seinem Vorgänger Joachim Löw. Die Fans, die den Neustart begeistert mittragen, hielt er per virtuellem „Kabinengespräch“bei Laune. Für Samstag ist eine weitere Fragerunde eigens für den Anhang geplant.
Das Wichtigste sei ihm, „authentisch“zu sein, sagte Flick: „Ich mache als Bundestrainer nichts, was ich zu Hause in meiner Familie anders machen würde.“Bierhoff sieht diese kommunikative Art als Erfolgsfaktor. „Hansi macht das top in der Ansprache. Er gibt eine klare Linie vor. Er nimmt jeden mit, gibt den Spielern Zuversicht und Halt.“In der Mannschaft kommt das sehr gut an. „Man merkt, dass alle Bock haben, diesen Weg zu gehen“, sagte Bierhoff. Jetzt, in Hamburg, „müssen wir da weiter ansetzen“. Hansi Flick ist bereit.