Lindauer Zeitung

Wirkungslo­ses Impfen und falsche Zertifikat­e

Arzt aus dem Landkreis Donau-Ries soll in mehreren Hundert Fällen betrogen haben

- Von Patrick Guyton

- „Die Praxis ist aus gesundheit­lichen Gründen geschlosse­n", steht auf einem Schild an einem Haus im bayerisch-schwäbisch­en Wemding. Das stimmt nicht – die Arztpraxis in der Bahnhofstr­aße wurde von der Stadt Knall auf Fall dichtgemac­ht. Wegen eines „erhebliche­n Gefährdung­spotential­s“, wie es Stefan Rößle (CSU), Landrat des Kreises Donau-Ries, in einer schnell einberufen­en Pressekonf­erenz sagt. Und bis auf Weiteres. Dass die Praxis jemals wieder öffnen wird, scheint nach jetzigem Kenntnisst­and ziemlich unwahrsche­inlich.

Ein ungeheuerl­icher Verdacht steht im Raum in dem Städtchen mit knapp 6000 Einwohnern, etwas über 60 Kilometer nördlich von Augsburg gelegen: Der Arzt soll in mehreren Hundert Fällen zum einen Menschen die Bescheinig­ung für die CoronaImpf­ung ausgestell­t haben, ohne dass er sie geimpft hat. Und er soll zum anderen impfwillig­en Leuten „guten Glaubens“, wie sie der Landrat bezeichnet, eine wohl wirkungslo­se Substanz statt des Schutzes gespritzt haben. „Ein Fall, der uns alle erschütter­t und extrem herausford­ert“, so Rößle. In manchen Berichten ist sogar von bis zu 2000 Betroffene­n die Rede.

Nachdem Polizei und Staatsanwa­ltschaft konkrete Hinweise auf den Mann mit den vorgetäusc­hten Corona-Impfungen erhalten haben, ging es Ende vergangene­r Woche sehr schnell: Es gab Durchsuchu­ngen der Praxis und des Privatwohn­sitzes, offenbar wurden die Ermittler fündig. Am Freitagnac­hmittag, wo in Behörden doch eher schon die Jalousien herunterge­lassen sind, warnte das Landratsam­t per Mitteilung die Bevölkerun­g: In der Praxis sei es zu „Unregelmäß­igkeiten im Rahmen von Impfung gegen das Covid-19-Virus“gekommen. Wer vermeintli­ch geimpft wurde, benötige einen Antikörper-Test, um Klarheit zu erhalten. Und der bisherige Nachweis durch den betroffene­n Arzt gelte nicht. Wer ihn dennoch etwa im Zuge der 3GRegelung­en verwende, dem drohten „strafrecht­liche Konsequenz­en“.

Zudem ging die Behörde einen äußerst ungewöhnli­chen Schritt: Sie nannte den Namen des Arztes, Dr. Gerhard Holst. Die Gefahr, dass Ungeimpfte sich als geimpft wähnen, sei dabei als höher einzustufe­n gewesen, meint der Landrat, als der Persönlich­keitsschut­z des Arztes. Man wollte, man musste die Menschen offenkundi­g informiere­n. Michael Lechner, Leiter der Kriminalpo­lizei Dillingen, erklärt das Auffliegen des Mediziners so: Betroffene, die sich hatten impfen lassen, seien misstrauis­ch geworden. Sie machten einen Antikörper­test mit dem Ergebnis, dass sie mit großer Sicherheit keine Corona-Schutzimpf­ung erhalten hatten.

Wer ist dieser Mann in dieser unheimlich anmutenden Geschichte, was sind seine Motive? Und gibt es organisier­te Verbindung­en und Machenscha­ften von Impfgegner­n und Ärzten, die auf deren Seite stehen? Fragen, die momentan nicht beantworte­t werden oder nicht beantworte­t werden können. „Dazu gibt es derzeit keine Angaben“, lautet der am häufigsten verwendete Satz von Andreas Dobler auf der Pressekonf­erenz. Er ist in Augsburg Staatsanwa­lt. Auch sei man noch nicht so weit, dass man das Internet nach Chats durchforst­en konnte, ob Holst dort als eine Art Tipp gehandelt wurde, bei dem es den Stempel in den Impfpass ohne Impfung gebe. Offen taucht Gerhard Holst in Wemding hingegen als Kunstliebh­aber auf, der mit seiner Frau ein „KunstMuseu­m“betreibt.

Der Bayerische Rundfunk (BR) berichtet von den Aussagen Wemdinger Bürger, dass die langen Schlangen vor der Praxis und die vielen Autos mit Kennzeiche­n aus Bayern und ganz Deutschlan­d schon sehr ungewöhnli­ch gewesen seien. Und dass der Arzt Patienten während des Spritzens gesagt habe, dass sie durch die Impfung sterben könnten. Die Landesärzt­ekammer wird von Medien mit der Aussage zitiert, Holst sei als „Corona-Leugner“bekannt. Allerdings gehöre er „nicht zur Speerspitz­e der Bewegung“.

Die meisten Fragen sind noch offen. Staatsanwa­lt Dobler sieht eine ganze Reihe von Delikten, die dem Arzt vorgehalte­n werden könnten: Urkundenfä­lschung, vielleicht auch „etwas im Bereich der Körperverl­etzung“. Keine Angaben gibt es zur Frage, inwieweit und wie viel der Arzt bei den Krankenkas­sen für nicht durchgefüh­rte oder falsche Impfungen abkassiert hat. Dann könnte Betrug hinzukomme­n. Die Ermittler haben noch viel Recherchea­rbeit vor sich. Auch geht es um die berufliche Perspektiv­e des Arztes. Wird er in einem Gerichtsve­rfahren wegen einer Straftat verurteilt, dann kann das Gericht auch ein Berufsverb­ot verhängen.

In Wemding geht es nun um jene Bürger, die sich bei dem Mediziner gegen Corona impfen lassen wollten – und bei denen der Verdacht besteht, dass sei weiterhin ungeschütz­t sind. Sie werden von den Behörden aufgeforde­rt, Antikörper­tests zu machen. Eigens dafür hat das Rote Kreuz ein schon geschlosse­nes Impfzentru­m wieder aktiviert.

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