Wirkungsloses Impfen und falsche Zertifikate
Arzt aus dem Landkreis Donau-Ries soll in mehreren Hundert Fällen betrogen haben
- „Die Praxis ist aus gesundheitlichen Gründen geschlossen", steht auf einem Schild an einem Haus im bayerisch-schwäbischen Wemding. Das stimmt nicht – die Arztpraxis in der Bahnhofstraße wurde von der Stadt Knall auf Fall dichtgemacht. Wegen eines „erheblichen Gefährdungspotentials“, wie es Stefan Rößle (CSU), Landrat des Kreises Donau-Ries, in einer schnell einberufenen Pressekonferenz sagt. Und bis auf Weiteres. Dass die Praxis jemals wieder öffnen wird, scheint nach jetzigem Kenntnisstand ziemlich unwahrscheinlich.
Ein ungeheuerlicher Verdacht steht im Raum in dem Städtchen mit knapp 6000 Einwohnern, etwas über 60 Kilometer nördlich von Augsburg gelegen: Der Arzt soll in mehreren Hundert Fällen zum einen Menschen die Bescheinigung für die CoronaImpfung ausgestellt haben, ohne dass er sie geimpft hat. Und er soll zum anderen impfwilligen Leuten „guten Glaubens“, wie sie der Landrat bezeichnet, eine wohl wirkungslose Substanz statt des Schutzes gespritzt haben. „Ein Fall, der uns alle erschüttert und extrem herausfordert“, so Rößle. In manchen Berichten ist sogar von bis zu 2000 Betroffenen die Rede.
Nachdem Polizei und Staatsanwaltschaft konkrete Hinweise auf den Mann mit den vorgetäuschten Corona-Impfungen erhalten haben, ging es Ende vergangener Woche sehr schnell: Es gab Durchsuchungen der Praxis und des Privatwohnsitzes, offenbar wurden die Ermittler fündig. Am Freitagnachmittag, wo in Behörden doch eher schon die Jalousien heruntergelassen sind, warnte das Landratsamt per Mitteilung die Bevölkerung: In der Praxis sei es zu „Unregelmäßigkeiten im Rahmen von Impfung gegen das Covid-19-Virus“gekommen. Wer vermeintlich geimpft wurde, benötige einen Antikörper-Test, um Klarheit zu erhalten. Und der bisherige Nachweis durch den betroffenen Arzt gelte nicht. Wer ihn dennoch etwa im Zuge der 3GRegelungen verwende, dem drohten „strafrechtliche Konsequenzen“.
Zudem ging die Behörde einen äußerst ungewöhnlichen Schritt: Sie nannte den Namen des Arztes, Dr. Gerhard Holst. Die Gefahr, dass Ungeimpfte sich als geimpft wähnen, sei dabei als höher einzustufen gewesen, meint der Landrat, als der Persönlichkeitsschutz des Arztes. Man wollte, man musste die Menschen offenkundig informieren. Michael Lechner, Leiter der Kriminalpolizei Dillingen, erklärt das Auffliegen des Mediziners so: Betroffene, die sich hatten impfen lassen, seien misstrauisch geworden. Sie machten einen Antikörpertest mit dem Ergebnis, dass sie mit großer Sicherheit keine Corona-Schutzimpfung erhalten hatten.
Wer ist dieser Mann in dieser unheimlich anmutenden Geschichte, was sind seine Motive? Und gibt es organisierte Verbindungen und Machenschaften von Impfgegnern und Ärzten, die auf deren Seite stehen? Fragen, die momentan nicht beantwortet werden oder nicht beantwortet werden können. „Dazu gibt es derzeit keine Angaben“, lautet der am häufigsten verwendete Satz von Andreas Dobler auf der Pressekonferenz. Er ist in Augsburg Staatsanwalt. Auch sei man noch nicht so weit, dass man das Internet nach Chats durchforsten konnte, ob Holst dort als eine Art Tipp gehandelt wurde, bei dem es den Stempel in den Impfpass ohne Impfung gebe. Offen taucht Gerhard Holst in Wemding hingegen als Kunstliebhaber auf, der mit seiner Frau ein „KunstMuseum“betreibt.
Der Bayerische Rundfunk (BR) berichtet von den Aussagen Wemdinger Bürger, dass die langen Schlangen vor der Praxis und die vielen Autos mit Kennzeichen aus Bayern und ganz Deutschland schon sehr ungewöhnlich gewesen seien. Und dass der Arzt Patienten während des Spritzens gesagt habe, dass sie durch die Impfung sterben könnten. Die Landesärztekammer wird von Medien mit der Aussage zitiert, Holst sei als „Corona-Leugner“bekannt. Allerdings gehöre er „nicht zur Speerspitze der Bewegung“.
Die meisten Fragen sind noch offen. Staatsanwalt Dobler sieht eine ganze Reihe von Delikten, die dem Arzt vorgehalten werden könnten: Urkundenfälschung, vielleicht auch „etwas im Bereich der Körperverletzung“. Keine Angaben gibt es zur Frage, inwieweit und wie viel der Arzt bei den Krankenkassen für nicht durchgeführte oder falsche Impfungen abkassiert hat. Dann könnte Betrug hinzukommen. Die Ermittler haben noch viel Recherchearbeit vor sich. Auch geht es um die berufliche Perspektive des Arztes. Wird er in einem Gerichtsverfahren wegen einer Straftat verurteilt, dann kann das Gericht auch ein Berufsverbot verhängen.
In Wemding geht es nun um jene Bürger, die sich bei dem Mediziner gegen Corona impfen lassen wollten – und bei denen der Verdacht besteht, dass sei weiterhin ungeschützt sind. Sie werden von den Behörden aufgefordert, Antikörpertests zu machen. Eigens dafür hat das Rote Kreuz ein schon geschlossenes Impfzentrum wieder aktiviert.