Harte Verhandlungen, veganer Mozzarella und blumige Reden
Grüne und FDP haben Gespräche mit Union und SPD abgeschlossen – Wichtige Erkenntnisse aus den Sondierungsrunden
- Jetzt sind auch Grüne und Union durch. Die Sondierungsrunde für die neue Bundesregierung, sie ist geschafft. Es ging um Fragen wie Klima, Steuern, Schulden und den Mindestlohn. Offen ist weiter, ob Grüne und FDP nun konkreter mit der SPD über eine Ampelbündnis sprechen wollen oder mit der Union über eine Jamaika-Koaltion. Eine Momentaufnahme der Verhandlungen.
Der aktuelle Stand:
Es habe auch viel Trennendes gegeben, sagte Robert Habeck (Grüne). Gegensätze, die Armin Laschet (CDU) wiederum für überwindbar hält. Und Markus Söder (CSU) erinnerte an „spannende“Gespräche mit der FDP. Das Gespräch mit den Grünen fand er nun fast „noch spannender“, weil es allen viel „Denksport“abverlange, wie man die Zukunft weiterentwickeln könnte. Mit ernster Miene standen die Parteichefs von Grünen, CDU und CSU am Dienstag vor den Kameras und verkündeten mit sehr großen Worten sehr wenig. Die Union ist gewillt, über Jamaika zu sprechen, die Grünen tendieren nach wie vor zur Ampel mit SPD und Liberalen . Was nun wird, klären die Parteigremien.
Die Durchstecher: „Vertraulichkeit“war das zuletzt wohl am häufigsten beschworene Wort. Aber wie es so ist mit guten Vorsätzen: Nicht alle erfüllen sie. Nachdem „Bild“aus den gelbschwarzen Gesprächen und über die dort angeblich geäußerte JamaikaBegeisterung der FDP berichtet hatte, fiel der Verdacht zunächst auf CDU und CSU. „Das fällt auf, liebe Union“, schrieb FDP-Parteivize Johannes Vogel auf Twitter, „und es nervt!“Der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber ergänzte: „Das war schon in meiner Zeit als GS so und jeder wusste, wer es ist.“Damals galten einige Christsoziale und Christdemokraten als „übliche Verdächtige“. Aber: Erwiesen ist nichts. Fragt man danach, wer profitiert, sieht die Sache auf den ersten Blick wie eine Jamaika-Unterstützung und damit wie eine Stärkung von CDUChef Laschet aus. Auf den zweiten Blick erweist sie sich als das genaue Gegenteil: Die FDP rückt öffentlich ab von der Union – und selbst die größten Jamaika-Fans werden das nachvollziehen können.
Das Selfie:
Vier Politiker fotografieren sich, und das Internet explodiert. Tausendfach wurde das Bild, mit dem Annalena Baerbock, Robert Habeck (Grüne), Christian Lindner und Volker Wissing (FDP) den Beginn ihrer „Vorsondierungen“dokumentiert haben, in den sozialen Netzwerken geteilt und parodiert. Das Medium Instagram wurde dabei bewusst gewählt.
Offenbar wurde die Vertraulichkeit der Gespräche gebrochen, die der Union theoretisch die Macht sichern könnten. Was ist aus den bürgerlichen Tugenden der Union geworden?
In keiner Schulklasse würde ein
Der aktuelle Ärger hat auch mit der Kommunikation direkt nach der Wahl zu tun: Hätte man nicht die Niederlage eingestehen, der Ampel den Vortritt lassen und sich für Jamaika nur aus staatspolitischer Verantwortung bereithalten sollen?
Sicherlich hat Armin Laschet nicht alles richtig gemacht, ich habe von ihm aber auch keine Siegerpose gesehen, sondern ihn sehr demütig Anders als auf Twitter, wo politischer Streit gerne mit Spott und Häme ausgetragen wird, ist Instagram vor allem als Plattform für schöne, unverfängliche Bilder bekannt. Das Medium bestimmte in diesem Fall die Botschaft: Seht her, bei uns herrscht Harmonie und keiner sticht durch.
Die Tagungsorte:
Früher kamen die Sondierer in Landesvertretungen mit Säulen, Steinboden und Halleffekt zusammen. Heute treffen sie sich im „Helix Hub“und im „Euref Campus“, also in Start-up-Büros, die auf digitale Zukunft machen, oder auf einem Gelände, wo Energie lokal aus Windkraft erzeugt wird und autonome Busse herumfahren: Weg mit dem preußischen Prachtbau, hin zum Neuen, Frischen, Hippen. Auf dem Weg in die limettig-zitronige Zukunft.
Der größte Fehler:
Das dürfte rückblickend betrachtet wohl der Machtanspruch von Armin Laschet am Wahltag gewesen sein. Was gegen 19 Uhr am Sonntag – auch angesichts der zu der Zeit noch etwas unklaren Hochrechnungen – als legitime Flucht nach vorn gedacht war, erscheint im Nachhinein als geradezu bizarr. Und ausgerechnet die bürgerliche Union musste sich vorwerfen lassen, durch ihre Nicht-Gratulation an den Wahlsieger jeden bürgerlichen Anstand vermissen zu lassen. Laschet und Union stecken in der Defensive – und bislang haben sie sich aus dieser Position nicht befreien können.
Das lustigste Zitat:
Grünen-Chef Robert Habeck ist für seine philosophischen Gedanken und seine nachdenklichen Selfies mit kleinen Pferden bekannt. Durch die Sondierungen hat er sich aber auch als kenntnisreicher Handwerker präsentiert. „Wenn man eine Schraube schräg einsetzt, dann wird sie nie wieder gerade“, verglich er die Gespräche zwischen FDP und Grünen mit dem Werkeln an der Schraubbank. „Und diese Schraube ist jedenfalls in den ersten Tagen sehr gerade eingesetzt worden“, führte er aus. Auf die Frage, welche Mutter denn zur Schraube passe – die SPD oder die Union – witzelte Habeck: Er habe da an eine SpaxSchraube gedacht. Die brauche gar keine Mutter.
Das Essen:
Frikadelle oder vegane Wurst? Käsebrot oder Leberwurstersatztoast? Für gute Entscheidungen braucht es satte Politiker. Die „Bild“berichtet, was in den Verhandlungen auf den Tisch kam. So kredenzte die SPD der FDP und den Grünen Quiches mit Ziegenkäse, Baguettes mit Tomate. Veganen Mozzarella gab es auch, und bei den Suppen konnten die Sondierer zwischen Kürbis und Omas Linseneintopf wählen.