Lindauer Zeitung

Radio Müller sendet auf Hochfreque­nz

Der einst aussortier­te Weltmeiste­r hofft auf starke Vorstellun­gen im Nationaldr­ess

- Von Marco Mader und Oliver Mucha

(SID) - Plötzlich herrschte bei „Radio“Thomas Müller Funkstille. „Ich habe schon einen trockenen Mund“, sagte der gewohnt redselige Bayern-Profi gegen Ende seines halbstündi­gen Soloprogra­mms in Hamburg und lachte. Müller, scherzte Antonio Rüdiger, „hat zu viel gequatscht“. Doch genau diese Art macht ihn auch mit 32 Jahren noch so wertvoll beim Neustart in der DFB-Auswahl unter Hansi Flick.

„Ich traue mich sehr viel, andere anzusprech­en, und scheue mich nicht, das in gewisser Frequenz zu tun“, sagte Müller über seine neue alte Rolle. Wenn er als „Spielertra­iner“auf dem Platz Kommandos gebe, wolle er „nicht belehrend“sein, sondern „sachdienli­che Informatio­nen“rüberbring­en. Und das erwartet er auch von seinen Kollegen. „Da müssen sie mich nicht mit Vor- und Nachnamen ansprechen oder per Sie, da kann es auch mal ruppiger zugehen.“

Mit dieser Offenheit und seiner Fähigkeit, andere zu coachen, hat Müller der deutschen Nationalma­nnschaft in stolzen 106 Länderspie­len viel gegeben. „Thomas ist für mich ein Phänomen“, sagte Bundestrai­ner Flick über den Weltmeiste­r von 2014, Müller bringe einem Team „so unendlich viel“. Für Flick steht fest: „So jemanden wie ihn wird es nie wieder geben.“

Deshalb hat er Müller auf der Zehnerposi­tion als Herzstück seiner Offensive auserkoren. Weil sein einstiger Münchner Lieblingss­chüler bei der Flick-Premiere im September kurzfristi­g ausfiel, wird er diese Rolle am Freitag in der WM-Qualifikat­ion gegen Rumänien (20.45 Uhr/RTL) erstmals unter dem neuen Chef übernehmen. Müller weiß, dass das nicht selbstvers­tändlich ist: Auf seiner Position, sagte er, habe Flick „exzellente Alternativ­en“.

Die hatte auch schon Joachim Löw, weshalb er ihn im März 2019 aussortier­te. Bei seiner Rückkehr zur EM spielte Müller eine eher unglücklic­he Rolle, sein Fehlschuss aus aussichtsr­eicher Position im Achtelfina­le gegen England (0:2) beschäftig­te ihn lange. Jetzt sieht er sich als „Teil dieser schwungvol­len Bewegung“und des „kleinen positiven Aufschwung­s“unter Flick.

Der Bundestrai­ner suchte gleich bei der Ankunft am Montagaben­d das Gespräch mit seinem verlängert­en Arm, bei der ersten Einheit am Dienstag diskutiert­e er mit ihm die Inhalte. Müller funkte danach wie gewohnt auf Hochfreque­nz. Er erklärte Leon Goretzka eine Übung, rief David Raum bei einer vergebenen Chance zu: „Den muss man killen!“Und als ihm am Ende selbst ein Schuss missriet, seufzte er: „Der war auch nix.“

Bei der anschließe­nden Medienrund­e wich er auch unangenehm­en Themen nicht aus. Zum Vorwurf der mangelnden Fannähe hielt er einen klugen, minutenlan­gen Vortrag. Angesichts der Corona-Lage, sagte Müller, „weiß ich selbst nicht genau, wie ich mich verhalten soll“. Bis die Pandemie wirklich besiegt sei, müsse die Nationalel­f ihren Anhang eben auf dem Platz begeistern, meinte er, „das ist unser Hauptjob“.

Die ersten Ansätze unter Flick sieht er sehr positiv. Der neue Boss gehe die Sache „mit sehr viel Leidenscha­ft und Sachversta­nd“an. Außerdem „haben wir eine super Truppe, die genau das verkörpert, was wir sein wollen“.

Wie lange Müller noch dazugehört? Die WM 2022 in Katar habe er fest im Blick, betonte er, seine Ansprüche müsse man aber „natürlich mit Leben füllen“. Das tut Müller – auf und neben dem Platz.

Antonio Rüdiger fühlt sich durch das Interesse des Rekordmeis­ters Bayern München geschmeich­elt. „Es ehrt einen und zeigt, dass man in den letzten Monaten und Jahren viel richtig gemacht hat. Aber ich lasse mich davon nicht ablenken“, sagte der Innenverte­idiger des FC Chelsea. Rüdigers Vertrag beim Champions-League-Sieger läuft im Sommer aus, er könnte die Londoner ablösefrei verlassen. „Das ist Zukunftsmu­sik. Wo ich bin, fühle ich mich wohl. Ich habe Verpflicht­ungen gegenüber meinem Club“, so Rüdiger. (SID)

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FOTO: RUDEL/IMAGO IMAGES Thomas Müller (re.) ist im DFB-Team wieder omnipräsen­t und Wortführer weit über den Platz hinaus.

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