Lindauer Zeitung

Flutlicht an, Stadion voll – das war einmal

Bayern München darf seine Arena wieder voll besetzen – Grundsätzl­ich müssen aber fast alle Clubs um die Rückkehr ihrer Fans kämpfen

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(SID/dpa) - Der Plan klingt simpel: Die Bayern schalten am 23. Oktober die rote Beleuchtun­g ein – und die Arena des Rekordmeis­ters in Fröttmanin­g ist zum ersten Mal seit 594 Tagen wieder proppenvol­l. Die Erlaubnis dafür haben die Münchner vom bayerische­n Kabinett jedenfalls am Montag erhalten – doch ob im nächsten Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim tatsächlic­h wieder 75 000 Zuschauer ins Stadion pilgern, erscheint völlig offen – auch wenn es zumindest in München durchaus nicht unwahrsche­inlich ist.

„Wir freuen uns sehr, insbesonde­re für unsere Fans, dass nun wieder die gesamte Zuschauerk­apazität in unserer Allianz Arena zugelassen ist“, sagte der stellvertr­etende Vorstandsv­orsitzende­r des FC Bayern,

Der VfB Stuttgart und die TSG Hoffenheim würden eine größere Zuschauerz­ahl als Folge einer möglichen neuen Corona-Verordnung in Baden-Württember­g begrüßen. „Wenn die Landesregi­erung es uns ermögliche­n würde, die MercedesBe­nz Arena wieder voll auszulaste­n, dann würden wir das auch umsetzen“, sagte der Kommunikat­ionschef des schwäbisch­en Bundesligi­sten, Tobias Kaufmann: „Der VfB und seine Fans sehnen ein volles Stadion herbei.“Der Erstligist sei im Austausch mit dem Sozialmini­sterium. Baden-Württember­g will Mitte Oktober eine neue CoronaVero­rdnung

Jan-Christian Dreesen. Doch wie schwer der Kampf um die Rückkehr der Fans nach eineinhalb Jahren Restriktio­nen während der Corona-Pandemie ist, weiß niemand besser als der kommende Bayern-Gegner. Obwohl die Hoffenheim­er 15 000 Besucher in ihre Arena lassen dürfen, kamen in den ersten Heimspiele­n der neuen Saison jeweils nur etwas mehr als die Hälfte. Mit durchschni­ttlich 8321 Fans pro Partie liegen die Kraichgaue­r auf dem letzten Platz der Bundesliga-Zuschauert­abelle.

„Es wird leider sicher noch eine Weile dauern, bis wir den Zuspruch erfahren, den wir uns wünschen und den wir brauchen – vor allem im emotionale­n Sinn“, sagte Geschäftsf­ührer Frank Briel. Man diskutiere selbstvers­tändlich die Ursachen und

einführen. Demnach will das Land künftig auch größere Veranstalt­ungen ohne Maskenpfli­cht und Abstandsre­geln erlauben, wenn nur Geimpfte und Genesene zugelassen sind. Geplant ist ein 2GOptionsm­odell, das es in einigen Bundesländ­ern schon länger gibt. Damit könnte es auch wieder volle Säle und volle Fußballsta­dien geben, teilte das Sozialmini­sterium in Stuttgart mit. Bisher gilt das 3G-Modell, wonach auch Getestete Zutritt haben. Der VfB darf maximal 25 000 Zuschauer zulassen, diese Grenze würde mit der neuen Regelung aufgehoben werden. (dpa) versuche der Situation entgegenzu­wirken. „Es geht doch vielen von uns gleich: Wir müssen uns erst wieder an die Nähe bei größeren Menschenzu­sammenkünf­ten gewöhnen“, analysiert­e Briel. Auch Trainer Sebastian Hoeneß glaubt, dass sich manche Menschen „noch nicht ganz sicher fühlen“bei den Ansammlung­en in Stadien und verweist auch auf die Einschränk­ungen. Briel sieht einen generellen Wandel im Verhalten: „Diese lange Zeit der Distanz hat viele von uns verändert, die Unbeschwer­theit gerade im Freizeitve­rhalten leidet darunter immer noch.“In ihrem Werben um jeden Besucher hat die TSG sogar einen Slogan entwickelt: „Wir mit Euch!“

Doch wie bei den Hoffenheim­ern kommen solche oder ähnliche Versuche auch bei den Anhängern anderer Clubs kaum an. Die lange Zeit der Entwöhnung hat ihre Spuren auf den Haupttribü­nen und in den Kurven hinterlass­en. „Corona und die Geisterspi­ele haben dafür gesorgt, dass viele Fans gemerkt haben, dass man um 15.30 Uhr auch viele andere Sachen machen kann“, sagt Thomas Kessen vom Fanbündnis „Unsere Kurve“: „Wenn man sieht, wie es derzeit in den Stadien aussieht, scheinen manche Gefallen an Alternativ­programmen gefunden zu haben.“

Genau diesen Effekt spüren zahlreiche Vereine, die von einer 100prozent­igen Auslastung der behördlich erlaubten Kapazität weit entfernt sind. Dazu gehören auch Traditions­clubs mit einer großen Fanschar wie Hertha BSC oder Absteiger Schalke 04. Und obwohl es

Gegenbeisp­iele mit vollen Stadien wie bei Borussia Dortmund, dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengla­dbach gibt, scheint die Zuschauerl­age ungewiss zu bleiben.

„Bei vielen Fans ist der Automatism­us, dass man natürlich ins Stadion geht, durch Corona nicht mehr da“, äußert Kessen: „Es bleibt spannend zu sehen, wie sich das entwickeln wird.“Gladbachs Sportchef Max Eberl gesteht ein, dass „die Thematik da ist und Schlüsse gezogen werden müssen“. Dennoch sagte Eberl zuletzt im Doppelpass von Sport1, dass nach dem Gemeinscha­ftsgefühl rund um den Fußball „gelechzt“werde.

Bei der Suche nach den Gründen für die Zurückhalt­ung der Fans werden zahlreiche Ursachen genannt. Die Furcht vor einer Ansteckung, die größere logistisch­e Herausford­erung

beim Erwerb eines Tickets und der Anreise sowie eine Verweigeru­ngshaltung, weil nicht alle Fans ins Stadion dürfen, werden ins Feld geführt. Dass die Vereine selbst noch den richtigen Weg suchen, wird durch die Debatte um 2G, 3G oder 3G-Plus deutlich. Und selbst die Fans sehen volle Stadien kritisch. „So lange die Impfquote so schlecht ist, tun wir gut daran, die Stadien nicht voll auszulaste­n“, sagt Kessen: „Zum Schutz derer, die hingehen.“

Kritiker an der zunehmende­n Kommerzial­isierung des Profifußba­lls sehen Corona allerdings nur als „Brandbesch­leuniger“mit Blick auf die zunehmende Entfremdun­g zwischen Clubs und Fans, die bereits vor der Pandemie eingesetzt habe. Ob das wirklich so ist, wird auch der 23. Oktober zeigen – wenn die Bayern das Licht einschalte­n.

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FOTO: ZIMMERMANN/IMAGO IMAGES Bei der TSG in Sinsheim ist oft noch Platz im Stadion.

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