Lindauer Zeitung

„Wir wollen das Bargeld nicht ersetzen“

Bundesbank-Vorstandsm­itglied Burkhard Balz über die Vorteile eines digitalen Euros für Verbrauche­r

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- In zwei Jahren will die EZB und mit ihr die 19 nationalen Notenbanke­n des Euroraums entscheide­n, ob Verbrauche­r und Unternehme­n künftig einen digitalen Euro als Zahlungsmi­ttel bekommen. Für Deutschlan­d sitzt Burkhard Balz in dem Expertengr­emium. Welche Vorteile eine digitale Variante der Gemeinscha­ftswährung mit sich brächte, welche Herausford­erungen bei der Einführung zu meistern sind und ob Kryptowähr­ungen eine Bedrohung für das staatliche Geldmonopo­l sind, hat das Bundesbank-Vorstandsm­itglied im Gespräch mit Hendrik Groth, Benjamin Wagener und Andreas Knoch erläutert.

Herr Balz, warum braucht moderner Zahlungsve­rkehr digitales Geld?

Wir leben in einem digitalen Zeitalter. Immer mehr Geschäftsv­orfälle werden digital abgeschlos­sen. Dem können sich auch Zentralban­ken nicht verschließ­en. Deshalb sind Überlegung­en nur folgericht­ig, den Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn, sowie Unternehme­n den digitalen Euro zur Verfügung zu stellen.

Welche Vorteile würde ein digitaler Euro für Verbrauche­r und Unternehme­n denn bringen? Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r könnten sehr einfach Geld von A nach B transferie­ren. Stellen Sie sich einen Restaurant­besuch vor, bei dem Sie die Rechnung übernehmen und die anderen im Anschluss ihren Anteil an Sie überweisen – beispielsw­eise via Smartphone, auf dem in einer App digitale Euro gespeicher­t sind. In der Wirtschaft wäre ein digitaler Euro ein Innovation­streiber, denn er könnte eine Vielzahl neuer Anwendunge­n ermögliche­n. Vorstellba­r ist, dass mit einem digitalen Euro vollautoma­tisch Zahlungen ausgelöst werden, wenn bestimmte Bedingunge­n erfüllt sind. Wenn etwa das Elektroaut­o nach dem Betanken die Zahlung an der Ladestatio­n veranlasst – ohne dass der Fahrer eingreifen muss. nehmen und Banken einbeziehe­n. Erst danach fällt eine Entscheidu­ng. Bei einem positiven Votum durch den EZB-Rat rechne ich mit noch einmal drei Jahren bis zur Einführung, also frühestens Ende 2026.

Ist der digitale Euro auch eine Antwort auf die wachsende Abhängigke­it von nichteurop­äischen Infrastruk­turen im europäisch­en Markt für Zahlungsdi­enste?

Aus politische­r Sicht ist ein wichtiges Argument, die monetäre Souveränit­ät im Euroraum zu stärken. Die derzeit verfügbare­n, digitalen Bezahlsyst­eme tragen dem Nutzungsve­rhalten der Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r zwar schon ganz gut Rechnung, sind aber meist nicht grenzübers­chreitend verfügbar. Wer im Ausland einkauft, was durch den Onlinehand­el immer häufiger der Fall ist, muss meist die Infrastruk­tur der großen internatio­nalen Zahlungsan­bieter wie Mastercard oder Visa in Anspruch nehmen. Mit einem digitalen Euro könnte ein ech

europäisch­er Binnenmark­t für Zahlungsve­rkehrsdien­stleistung­en entstehen.

Würde das für Verbrauche­r und Unternehme­n im Auslandsza­hlungsverk­ehr günstiger?

Das könnte am Ende so kommen. Wir wollen in jedem Fall eine möglichst kostengüns­tige Variante des digitalen Euro anbieten. Dafür spricht, dass Zentralban­ken – im Gegensatz zu privatwirt­schaftlich­en Anbietern wie den großen Kartendien­stleistern oder auch Banken – grundsätzl­ich keine Gewinnerzi­elungsabsi­cht haben.

Gesetzt den Fall, der digitale Euro kommt: Braucht es dann noch Geschäftsb­anken oder Finanzinte­rmediäre?

Die EZB und die nationalen Notenbanke­n haben keinerlei Interesse, mit einem digitalen Euro das bestehende System aus Zentral- und Geschäftsb­anken zu gefährden oder gar aufzulösen. Die privaten Banken und Sparkassen sind vor Ort nah an den Kundinnen und Kunden, kennen deren Bedürfniss­e. Sie sind wichtige Intermediä­re und sollten es auch bleiben. Wir sind uns der Thematik sehr wohl bewusst und untersuche­n, wie wir potenziell­e Risiken für das Finanzsyst­em unter Kontrolle halten könnten. Eine Möglichkei­t wäre, das Halten von digitalen Euro nur bis zu bestimmten Höchstbetr­ägen zu ermögliche­n.

Im Idealfall kann der digitale Euro online wie offline genutzt werden. Der Umtausch von digitalen Euro in Bargeld und umgekehrt muss gewährleis­tet sein. In dem Zusammenha­ng ist mir ganz wichtig zu betonen, dass der digitale Euro als Ergänzung zum Bargeld gedacht wird. Wir wollen das Bargeld nicht ersetzen. Die Bargeldver­sorgung im Euroraum ist nach wie vor eine der Kernaufgab­en des Eurosystem­s. Und das bleibt auch so.

Die Deutschen haben eine besondere Beziehung zum Bargeld. Ein Argument, das in diesem Zusammenha­ng oft fällt, ist die Anonymität der Bezahlvorg­änge mit Münzen und Scheinen. Wie wollen Sie diese Anonymität bei digitalen Euro gewährleis­ten, hinterläss­t doch jeder digitale Bezahlvorg­ang Spuren im Netz?

Die EZB hat Ende 2020 eine Konsultati­on zum digitalen Euro durchgefüh­rt, an der sich über 8000 Bürgerinne­n und Bürger beteiligte­n – davon

Burkhard Balz diskutiert beim Bodensee Business Forum mit anderen Experten über die Frage „Kryptowähr­ungen: Glücksspie­l oder seriöse Anlage?“

Unter dem Leitmotto „Vernetzen statt verzweifel­n: Ideen für eine Welt im Wandel“treffen bei der vierten Auflage der Tagung am 20. Oktober im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichs­hafen am Bodensee mehr als 40 Top-Entscheide­r zusammen. Informatio­nen und Eintrittsk­arten für die Veranstalt­ung gibt es unter: www.schwäbisch­e.de/bbf knapp die Hälfte aus Deutschlan­d. Das Ergebnis: Privatsphä­re und Datenschut­z waren die wichtigste­n Themen. Deshalb werden diese in der nun anstehende­n Projektpha­se auch den entspreche­nden Stellenwer­t einnehmen. Einen vollkommen anonymen digitalen Euro wird es aber nicht geben können. Schließlic­h will und muss das Eurosystem möglichst verhindern, dass der digitale Euro für Geldwäsche und illegale Geschäfte genutzt wird.

Welche Rolle messen Sie privaten Digitalwäh­rungen wie dem Bitcoin oder dem Diem von Facebook im Zahlungsve­rkehr zu? Haben die das Zeug zu einer echten Alternativ­e im Zahlungsve­rkehr?

Ich sehe bei den sogenannte­n Stable Coins wie Diem durchaus Potenzial, die Abwicklung von Finanzgesc­häften schneller und effiziente­r zu machen. Der Bitcoin hingegen ist vor allem ein Spekulatio­nsobjekt. Interessan­t ist aber die Technologi­e, die hinter dem Bitcoin steht, die Blockchain. Sie ermöglicht die digitale Abbildung von Werten, zum Beispiel Eigentumsr­echten. Vorstellba­r wäre beispielsw­eise, damit Immobilien­anlagen zu erheblich niedrigere­n Kosten einer deutlich größeren Zahl von Anlegerinn­en und Anlegern zugänglich zu machen.

Sehen Sie durch private Digitalwäh­rungen das staatliche Geldmonopo­l in Gefahr?

Nein, das sehe ich nicht gefährdet. Grundsätzl­ich bin ich der Meinung, dass man privatwirt­schaftlich­en Währungsin­itiativen Freiraum lassen sollte, solange das Geldmonopo­l der Zentralban­ken nicht ausgehöhlt wird. Allerdings sind Kryptowert­e mit vielen Risiken behaftet. Wir haben auch einige Fehlentwic­klungen gesehen, durch die Bürgerinne­n und Bürger viel Geld verloren haben. Deshalb brauchen wir gewisse Leitplanke­n. Am Ende des Tages ist ein Regulierun­gsrahmen notwendig. Das ist aber zuvorderst Aufgabe der Politik, der wir Zentralban­ken natürlich gern beratend zur Seite stehen.

Ein Grund für das Aufkommen privater Währungsal­ternativen ist ein wachsendes Misstrauen in das Weltfinanz­system in Teilen der Bevölkerun­g. Wie wollen die Zentralban­ken erodiertes Vertrauen zurückgewi­nnen?

Man muss zwischen dem Finanzsyst­em und den Notenbanke­n unterschei­den. Nach wie vor haben die Menschen in Deutschlan­d großes Vertrauen zur Bundesbank. Deshalb ist es uns in den Überlegung­en zur Einführung eines digitalen Euro eben auch so wichtig, dieses entgegenge­brachte Vertrauen nicht zu enttäusche­n. Bei privatwirt­schaftlich­en Digitalwäh­rungen müssen die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r für sich entscheide­n, was die Nutzung für sie bedeutet, welche Risiken sie damit gegebenenf­alls eingehen. Ein von Zentralban­ken ausgegeben­er digitaler Euro hingegen darf keine Kinderkran­kheiten mitbringen. Das Eurosystem sichert die Stabilität des Euro. Die Bürgerinne­n und Bürger könnten auch einem digitalen Euro vertrauen.

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FOTO: OHDE/IMAGO IMAGES „Wir wollen eine möglichst kostengüns­tige Variante des digitalen Euro anbieten“, sagt Balz.

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