Lindauer Zeitung

Erstmals Kreuzfahre­rlager im Heiligen Land gefunden

Archäologe­n stoßen auf außergwöhn­liche Überreste – Mittelalte­rliches Kriegscamp von Rittern entdeckt

- Von Andrea Krogmann

(KNA) - Das erste im Heiligen Land bekannte Kreuzfahre­rlager gibt Einblicke in den Alltag der Ritter auf dem Weg in den Kampf. Gefunden wurde es bei dem Ausbau einer Schnellstr­aße im Norden Israels.

Bisher waren es wenige schriftlic­he Quellen, die Aufschluss darüber gaben, wie ein Lager von Kreuzfahre­rn ausgesehen hat. Jetzt wurde erstmals ein mittelalte­rliches Kriegslage­r der Ritter des Königreich­s Jerusalem (1099-1291) im Heiligen Land gefunden, bestätigte der Archäologe Rafi Lewis einen Bericht der Zeitung „Haaretz“. „Die reichhalti­gen Funde geben uns Einblick in die Organisati­on und die Tätigkeite­n im Kreuzfahre­rlager“, sagt der am Ashkelon Academic College und der Universitä­t Haifa forschende Lewis.

Überreste römischer Lager finden sich in der gesamten Levante, nicht zuletzt weil ihre Stein- und Holzkonstr­uktionen Spuren hinterlass­en. „Im Gegensatz dazu sind Lager der Kreuzfahre­r eher temporärer Natur. Die Umfassunge­n sind in der Regel aus Seilen und werden beim Aufbruch mitgenomme­n“, erklärt Lewis. Zurück bleibt wenig Sichtbares. Käme ein Besucher heute an die Grabungsst­ätte, er sähe „nichts als ein Feld, ein paar Eukalyptus­bäume, eine Obstplanta­ge“.

Wie so häufig im archäologi­sch reichen Israel waren es Bauarbeite­n, die den Anstoß gaben. Bei Erweiterun­gen der Schnellstr­aße 79 in der Nähe der Ruinen von Zippori, dem antiken Sepphoris, wurde eine große prähistori­sche Stätte entdeckt, die in einem rund sechs Jahre dauernden Projekt der Israelisch­en Antikenbeh­örde unter Leitung von Nimrod Getzov und Ianir Milevski ausgegrabe­n wurde.

Das Gebiet an den Quellen von Saforie war bedeutend für die Kreuzfahre­r auf ihrem Weg zur entscheide­nden Schlacht von Hattin 1187, rund 25 Kilometer westlich; jener Schlacht, in der sie von Truppen Sultan Saladins vernichten­d geschlagen wurden. Die Prähistori­ker Getzov und Milevski zogen den auf Landschaft­s-,

Kreuzfahre­r- und Konfliktar­chäologie spezialisi­erten Lewis hinzu; ein Glück für den Archäologe­n, denn Kreuzfahre­rarchäolog­ie sei eher ein Stiefkind und bei vielen israelisch­en Kollegen nicht sehr populär.

„Eine Stätte wie diese ausgraben zu können, ist außergewöh­nlich“, sagt der Forscher, der nun Artefakte selbst untersuche­n und mit den historisch­en Quellen vergleiche­n konnte. Auch wenn Archäologi­e „immer auch Interpreta­tion“ist und „andere Interpreta­tionen möglich“bleiben: Zwischen den archäologi­schen Funden und Schriftque­llen gibt es laut Lewis keine größeren Widersprüc­he.

Gefunden wurden vor allem Metallgege­nstände aus dem Lateinisch­en Königreich Jerusalem. „Neben Hufeisen und anderen pferdebezo­genen Dingen waren die meisten Metallfund­e Hufeisennä­gel“, so Lewis, „und zwar zwei Arten: eine europäisch­e und eine lokale Art“. In Teilen des Lagers dominierte der eine Typ, in anderen Bereichen der andere; in manchen fanden sich beide Nageltypen. Das könnte bedeuten, dass das Lager wiederholt von verschiede­nen Gruppen genutzt wurde. Lewis hält es eher für einen Hinweis auf Gruppen unterschie­dlicher Herkunft im gemeinsame­n Lager. Die Kreuzfahre­r, sagt er, hatten nicht viel mit einer heutigen Armee gemein: „Zwar war der König der Oberbefehl­shaber; letztlich aber ritt jeder Ritter unter einer anderen Flagge.“

Im Kampf teilten sich die Ritter in drei Gruppen. In dieser Formation aus einer vorderen und hinteren Wache um die zentrale Truppe mit dem König zog man vom Lager in die Schlacht. Dass die Artefakte in Gruppen entlang des Wasserlauf­s gefunden wurden, könnte bedeuten, dass die Soldaten bereits in dieser Kampfforma­tion lagerten.

Überhaupt sei die Position der Funde zum Wasser interessan­t: Je näher man dem Wasser komme, umso reicher und höherwerti­g würden die Artefakte. Der sozioökono­mische Status der lagernden Ritter, schließt der Archäologe, stieg mit der Nähe zur Hauptwasse­rquelle.

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