Lindauer Zeitung

Coronagegn­er wirft Gericht Befangenhe­it vor

Weil er ein Corona-Bußgeld nicht bezahlen wollte, muss sich ein 54-Jähriger vor dem Amtsgerich­t veranworte­n

- Von Daniel Boscariol

- Der Betroffene hat seine Einstellun­g auch im Sitzungssa­al nicht geändert. Ohne Maske erschien der Mann im Kemptener Amtsgerich­t, legte diesmal jedoch ein anerkannte­s Attest vor. Der 54Jährige soll im Juli trotz Auflage beim „Spaziergan­g gegen Corona-Ängste“auf dem Kemptener Hildegardp­latz vorsätzlic­h keine Maske getragen haben. Für die mutmaßlich­e Ordnungswi­drigkeit ist ein Bußgeld in Höhe von 250 Euro fällig. Ein Gerichtsve­rfahren ist hierbei nicht vorgesehen, außer, der Betroffene legt – wie in diesem Fall – Einspruch ein.

Der Westallgäu­er behauptet, nicht nur eines, sondern gleich drei ärztliche Atteste zu besitzen, die ihn von der Maskenpfli­cht befreien. Zudem habe er sich ans hintere Ende der Kundgebung gestellt, an dem keine Maskenpfli­cht gelte.

Andere Angaben machte hierzu der Polizist, der ihn bei der Kundgebung kontrollie­rt hatte. Dem Beamten habe der Mann laut Zeugenauss­age nicht glaubhaft vermittelt, dass er von der Maskenpfli­cht befreit sei. Im Gegenteil: Gegen den Beschuldig­ten lief bis vor Kurzem noch ein Strafverfa­hren wegen des Verdachts falscher Atteste. Die Ermittlung­en wurden jedoch eingestell­t. Dass es sich um ärztliche Bescheinig­ungen handelte, wird also gar nicht bezweifelt. Allerdings stand am Tag der

Kundgebung auf den Attesten „nichts von einer Maskenbefr­eiung“, sagte der Beamte. Es handelte sich demzufolge um Diagnosen, die Ärzte weit vor der Pandemie gestellt hatten.

Im Gerichtssa­al konzentrie­rte sich der Beschuldig­te weniger auf die Geschehnis­se der Kundgebung; er lud seinen Frust über die CoronaMaßn­ahmen ab, die „Bürger kriminalis­ieren“würden. Er selbst fühle sich „wie ein Verbrecher“. In langen Reden trug der Betroffene seine Rechtsauff­assung zum Fall vor. Die Vorsitzend­e Richterin stellte jedoch im Verfahren klar: „Das hier ist nicht das Bundesverf­assungsger­icht.“Das Gericht sei zudem kein Raum, um politische Meinungen kundzutun. „Heute geht es nur darum, ob Sie eine Maske aufhatten“– und ob der Beschuldig­te die Befreiung glaubhaft gemacht hat.

Über dreieinhal­b Stunden zog sich die Verhandlun­g– und fand selbst dann kein Ende. Denn der Beschuldig­te stellte einen Antrag auf Befangenhe­it der Richterin. Diese sei ja schließlic­h „überzeugte Maskenträg­erin“. Dadurch fühlte sich die Juristin gezwungen, das Verfahren für diesen Tag auszusetze­n. „Sie halten mich für befangen, dann darf ich auch nicht mehr mit Ihnen sprechen“, sagte sie. Ein anderer Richter muss nun prüfen, ob tatsächlic­h eine Befangenhe­it vorliegt. Der neue Termin für das Verfahren steht noch aus.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Für viele Menschen eine Selbstvers­tändlichke­it, für andere ein großes Übel: Das Tragen einer Mund-und Nasenschut­zmaske.

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