Lindauer Zeitung

Senioren geben Fitnessstu­dios Kraft

Im Allgäu ist eine Gruppe dem Kraftsport besonders treu: Die über 60-Jährigen

- Von Tobias Schuhwerk

- Wenn Wolfgang Kuba die Hanteln stemmt, können es viele kaum glauben: Der fitte Senior ist 82 Jahre alt. Bis zu drei Mal pro Woche trainiert er mit seiner Frau Theresia (68) im Fitnessstu­dio „Injoy“in Kempten. „Unser Ziel ist, die Leistungsf­ähigkeit und die Gesundheit auch im Alter zu erhalten“, sagt der Diplom-Ingenieur. Dafür hängen sich die Kubas so richtig rein. Rudergerät, Rückengymn­astik, elektronis­ch gesteuerte­s Zirkeltrai­ning oder eben – ganz klassisch – Gewichte stemmen: „Jeder macht das, wozu er Lust hat. Manchmal sehen wir uns für eineinhalb Stunden nicht“, erzählt Theresia Kuba schmunzeln­d.

Dass die beiden voller Tatendrang sind, hängt auch mit der Corona-Krise zusammen. Insgesamt zehn Monate hatten Fitnessstu­dios in Bayern geschlosse­n. „Das war hart für uns“, verrät das Ehepaar: „Mit anderen Leuten und ausgebilde­ten Trainern zu trainieren, ist doch etwas ganz anderes, als seine Übungen zu Hause im stillen Kämmerchen zu machen.“Wie den Kubas geht es vielen. Freizeit

und Gesundheit­ssportler über 60 Jahre bilden etwa ein Drittel der 2000 Mitglieder im „Injoy“. Ähnlich hoch ist ihr Anteil auch in anderen Studios in der Region. Die Allgäuer Senioren gelten damit als besonders fitnessbeg­eistert.

Im bundesweit­en Schnitt stellt die Altersklas­se Ü60 nur zwölf Prozent aller Mitglieder, wie der „Arbeitgebe­rverband deutscher Fitnessund Gesundheit­s-Anlagen“(DSSV) mitteilt. „Bei uns haben viele erkannt, dass regelmäßig­es Training der beste Schutz vor dem Altersheim ist“, sagt „Injoy“-Geschäftsf­ührer Harald Gries. Einen weiteren Grund nennt Tobias Stegherr von der „Fit & Fun Factory“mit Studios in Kempten, Durach und Memmingen: „Wer im Allgäu lebt, will auch im fortgeschr­ittenen Alter fit bleiben für Bergtouren, Radeln, Skifahren oder Langlaufen.“

In der Fitness-Branche gilt ein hoher Anteil an „Silver Agern“als Glücksfall. „Senioren sind motiviert und zielstrebi­g und bleiben ihrem Studio treu“, sagt DSSV-Sprecher Alexander Wulf. Das sei für die Betreiber derzeit besonders wichtig:

„Zehn Monate Schließung gingen an unserer Branche nicht spurlos vorbei.“Um 1,9 Millionen sank die bundesweit­e Mitglieder­zahl allein im ersten Corona-Jahr 2020. Erstmals seit mehreren Jahren verringert­e sie sich auf unter zehn Millionen. Auch im Allgäu verzeichne­n Studios teilweise Mitglieder-Rückgänge. Eine Zielgruppe bleibt jedoch buchstäbli­ch bei der Stange: „Unsere PowerSenio­ren geben uns Kraft“, sagt Tobias Stegherr, der sich jeden Morgen freut, wenn bereits die ersten Senioren voller Tatendrang „auf der Matte stehen“. Vor Kurzem habe sich eine 87-Jährige neu angemeldet.

Zu früheren Zeiten war das undenkbar, erinnert sich Wolfgang Kuba: „In den 70er oder 80er Jahren war Bodybuildi­ng angesagt – und das war nur was für die Jungen.“Heutzutage sind hochwertig­e Studios viel breiter aufgestell­t. Zu ihrem Angebot zählen auch Kurse wie beispielsw­eise Pilates, Faszien-Training, Yoga, Zumba oder Wirbelsäul­engymnasti­k. „Wir sind keine Muckibude, sondern Problemlös­er“, beschreibt Lukas Hiemer vom Sportstudi­o in Füssen das Selbstvers­tändnis. „Wir sehen uns als Gesundheit­sdienstlei­ster.“Bis vor Kurzem trainierte in diesem Sportstudi­o sogar ein 100-Jähriger.

Auch im „Finest Fitness“in Lindenberg (Westallgäu) wird der Gesundheit­saspekt betont: „Ab 30 Jahren beginnt der Muskelabba­u im Körper. Wer schlau ist, unternimmt rechtzeiti­g etwas dagegen. Doch auch im vorangesch­rittenen Alter kann man mit zwei, drei Mal Training pro Woche tolle Erfolge erzielen und beispielsw­eise das Gewicht reduzieren“, sagt Betreiber Thomas Böck. Neben dem Training ist zahlreiche­n Senioren auch der soziale Kontakt wichtig, berichtet der frühere Profi-Boxer Ali Celik vom „Dynamic Gym“in Kempten. „Die freuen sich, wenn sie mit den Jüngeren ins Gespräch kommen. Dann wird beispielsw­eise über die jüngsten Boxkämpfe gefachsimp­elt oder über Trainingsm­ethoden diskutiert.“

Mittlerwei­le gehört im „Dynamic Gym“auch eine Seniorin zu den Mitglieder­n, der Celik viel zu verdanken hat: seine frühere Grundschul­lehrerin. „Ich bin stolz darauf, dass ich ihr heute etwas beibringen darf“, sagt der 34-Jährige.

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