Bodensee-Wasserwerk nimmt Klimawandel in den Blick
Von 2022 an soll Strom für die Wasserverarbeitung aus rein erneuerbaren Energien kommen
- Vier Millionen Menschen bekommen ihr Trinkwasser täglich von der Bodensee-Wasserversorgung. Das Wasserwerk, das in Sipplingen steht, ist das größte in ganz Deutschland. Und so ist es nicht verwunderlich, dass bei jährlich mehr als 130 Millionen Kubikmeter Wasser, die von den Pumpen im Seepumpwerk in das Werk auf den Sipplinger Berg befördert werden, ein hoher Stromverbrauch entsteht. Insbesondere mit Blick auf den Klimawandel will das Team vor Ort diesen CO2-Abdruck verkleinern. Helfen sollen dabei erneuerbare Energien.
„Wir haben deshalb in diesem Jahr eine neue Photovoltaikanlage installiert“, sagt Christoph Drusenbaum, Energiemanager der Wasserversorgung und weist in Richtung des Daches der Wasserwerk-Filteranlage. Auf etwa 9000 Quadratmetern wird die Anlage hier künftig Solarstrom für das Werk produzieren. Doch so groß die Anlage auch ist: „Wir bräuchten eigentlich noch 100 weitere Anlagen, um unseren gesamten Energieverbrauch zu decken. Diese eine neue deckt leider nicht mal ein Prozent des elektronischen Verbrauchs“, erläutert Drusenbaum.
Dennoch hat sich das Unternehmen vorgenommen, seinen Stromverbrauch ab 2022 zu 100 Prozent zu dekarbonisieren, was so viel bedeutet wie die Abkehr vom Kohlenstoff hin zu erneuerbaren Energien. „Am Ende wollen wir 70 Megawatt an Eigenanlagen beisteuern und die restlichen Strommengen, die nicht selbst erzeugt werden können, aus Direktstromverträgen mit anderen Erneuerbare-Energien-Anlagen beziehen“, berichtet der Energiemanager. Entsprechende Verträge seien bereits für das kommende Jahr abgeschlossen worden.
„Hier auf dem Sipplinger Berg ist zudem eine weitere, fast doppelt so große Photovoltaikanlage wie die auf dem Filteranlagen-Dach geplant“, schildert Drusenbaum und deutet auf einer Karte, die das Wasserwerk von oben zeigt, auf einen großen, grünen Bereich. „Diese freien Rasenflächen hier bieten sich dafür sehr gut an. Voraussichtlich wird die zweite Anlage im Herbst 2022 fertig sein“, sagt er dazu.
Der Grund, warum sich das Team der Bodensee-Wasserversorgung solche Gedanken um den Klimawandel macht, ist nicht nur der allgemeinen Tatsache geschuldet, dass das Thema „Klimaneutralität“immer aktueller wird. „Wir spüren hier bereits selbst Auswirkungen der Klimakrise“, meint Drusenbaum. Dies betreffe vor allem die verfügbaren Wassermengen. „Viele unserer Mitglieder – also die Gemeinden – haben immer wieder mit Pegelproblemen zu kämpfen. Die meisten Gemeinden beziehen einen Teil des Wassers aus eigenen Anlagen sowie den anderen Teil von uns. Immer öfter kommt es vor, dass den Gemeinden das eigene Wasser ausgeht und wir in der Folge viel höhere Wasserabgaben an diese haben als bisher“, so der Experte.
Als Beispiel nennt er das Jahr 2018 mit seinem Hitzesommer: Anstelle der durchschnittlichen 360 000 Kubikmeter
Wasser pro Tag seien teils bis zu 560 000 Kubikmeter täglich abgegeben worden.
Hinzu komme ein Qualitätsproblem des Wassers, das aus den Orten direkt kommt: „Viele Gemeinden haben eine hohe Nitratbelastung im Wasser, die durch Düngemittel entsteht“, erklärt Drusenbaum. Sowohl das Quantitäts- als auch das Qualitätsproblem gibt es am Bodensee nicht so schnell. Teresa Brehme, Sprecherin der Bodensee-Wasserversorgung, erläutert, was vor Ort dennoch Sorgen bereitet. „Die Quagga-Muschel breitet sich immer stärker im See aus und kann auch bis in 60 Metern Tiefe vorkommen, wo sie dann unsere Anlagen behaftet. Deshalb haben wir das Projekt ,Zukunftsquelle’ ins Leben gerufen. Eine wichtige Maßnahme dabei ist der Bau neuer Entnahmeanlagen und -leitungen am Bodensee“, sagt sie.
Hier soll das Wasser künftig in drei Werken mit voneinander unabhängigen Entnahmeleitungen gewonnen werden. Im Jahr 2024 soll Baubeginn sein. Teil der „Zukunftsquelle“wird zudem eine Ultrafiltrationstechnik werden, die unerwünschte Stoffe wie Gletscherschliff oder Mikroorganismen sicher entfernt und somit auch die Larven der Quagga-Muschel aus den nachfolgenden technischen Anlagen und Aufbereitungsstufen fernhält, fügt sie an.
Doch nun hat die Wasserversorgung mit ihrer neuen Photovoltaikanlage erst einmal den ersten großen Schritt in Richtung erneuerbare Energien für Stromgewinnung getan. Mit dem Ergebnis ist auch Bene Müller, Vorstand der Solarcomplex AG, die die Anlage gebaut hat, sichtlich zufrieden. „Mit einem jährlichen Energieertrag von 1400 Megawattstunden ist diese Photovoltaikanlage sehr groß und wäre normalerweise eher die Größenordnung einer Freilandanlage. Deshalb war die technische Umsetzung auf dem Dach durchaus eine Herausforderung.“Das Projekt, das eine knappe Million gekostet hat, sei auf jeden Fall sehr spannend gewesen, meint er.
„Die Installation dauerte nur wenige Wochen“, berichtet der Solar-Experte. Oft seien es eher die Genehmigungen für den Bau an sich, die den Fortschritt verzögerten. „Auf Genehmigungen mussten wir hier zum Glück nicht warten, weil die Anlage ja auf einem Dach installiert ist und daher nicht genehmigungspflichtig war“, entwarnt Energiemanager Christoph Drusenbaum.
Bodensee-Wasserversorgung:
Gründung am 25. Oktober 1954
183 Mitgliedsgemeinden und -verbände
Versorgung von etwa 320 Städten und Gemeinden mit rund vier Millionen Einwohnern im Versorgungsgebiet
Entnahmerecht für 670 000 Kubikmeter Rohwasser pro Tag (Quelle: www.bodensee-wasserversorgung.de)
Der Weg des Wassers durch das Sipplinger Wasserwerk ist auch online in einem Video zu sehen unter www.schwaebische.de/ trinkwasserklimaneutral