Wie Stadt die Existenz des Theaters Ravensburg sichern will
Spielstätte kann am jetzigen Standort bleiben, doch es stehen strukturelle Veränderungen an
- Die Zitterpartie ist vorbei: Nachdem im Theater Ravensburg zwei Jahre lang die Angst umgegangen war, dass man womöglich den angestammten Standort in der Zeppelinstraße verlassen muss, atmet die Truppe nun auf. Der Mietvertrag wurde unbefristet verlängert, die Kündigungsfrist auf 24 Monate ausgedehnt. Obendrauf soll es eine Menge mehr Geld geben. Allerdings auch neue Aufgaben. Ein Überblick darüber, was sich am Theater alles ändern könnte – wenn der Ravensburger Gemeinderat und das Stuttgarter Kultusministerium mitziehen und Mittel dafür locker machen.
Eigentlich hatte die Eigentümerin des Gebäudes in der Zeppelinstraße 7, die „Arkade“, vor, den Theaterbau abzureißen und dort einen Neubau für betreutes Wohnen psychisch kranker Menschen hinzustellen. Daraufhin suchten die Theaterleute händeringend nach einer neuen, zentrumsnahen Bleibe – unter anderem hatten sie ein Auge auf das Frauentorkino geworfen. Daraus wurde zwar nichts, dafür hat sich die Stadt ins Geschehen eingeschaltet. Sie will der „Arkade“ein alternatives Grundstück für einen Neubau anbieten, „damit der jetzige Standort des Theaters weiter durch diese wichtige Kultureinrichtung genutzt werden kann“, wie Christa Kohler-Jungwirth von der städtischen Pressestelle auf Anfrage sagt. Wann das klappt, kann sie allerdings noch nicht sagen.
Derweil versichert der neue „Arkade“-Geschäftsführer Andreas Ullrich ebenso wie sein Vorgänger Hubert Kirchner, man wolle das Theater keinesfalls auf die Straße setzen. Er ist für einen Tausch mit der Stadt offen – sofern das Grundstück nicht allzu entfernt von der Innenstadt und gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sei. Bislang gruppieren sich die 21 Wohnungen in Zeppelin- und Reichlestraße quasi um das Theater herum.
Dessen Chef, Albert Bauer, ist froh, „dass wir nun nach vorne schauen können und Planungssicherheit für die nächsten Jahre haben“. Mit der Gewissheit über den Standort sei nun die Voraussetzung dafür geschaffen, in die Spielstätte zu investieren: Unter anderem sollen die Sanitäranlagen modernisiert und das Gebäude energetisch fit gemacht werden.
Doch es stehen noch viel gravierendere Dinge an: „Wir wollen die Existenz des Theaters Ravensburg als unverzichtbaren Teil des dauerhaften Kulturangebots für Stadt und Region sichern, indem wir Kompetenzen bündeln, die Zuschüsse erhöhen und die Intendanz stärken“, kündigt Kulturamtsleiterin Verena Müller an. Das bedeutet konkret: Nach einem zweijährigen Strategieprozess
In seiner Anfangszeit musste das Theater Ravensburg regelmäßig um städtische Zuschüsse betteln und ums schiere Überleben bangen. Trotzdem ist die Truppe um Albert Bauer, tatkräftig unterstützt vom Theaterverein, fast drei Jahrzehnte lang dran geblieben und hat einen so guten Job gemacht, dass die Stadt sich mit geringem Einsatz quasi mit einem Stadttheater schmücken konnte.
Mittlerweile hat die Kommune erkannt, was sie an „ihrem“Theater hat. Nicht zuletzt die Standortfrage
mit externer Begleitung kam ein Zukunftskonzept heraus, das auf verschiedenen Säulen ruht.
So soll das Theater fortan nicht nur selber Stücke auf die Bühne bringen, sondern vom Kulturamt den Job übernehmen, im Rahmen etwa der Ravensburger Spielzeit und der Jungen Spielzeit Theaterproduktionen ins Schussental zu holen. Abgesehen von der Programmgestaltung ist das Theater dann auch für Organisation und Betreuung der
Veranstaltungen zuständig. Außerdem will das Kulturamt theaterpädagogische Angebote wie Jugend macht Theater oder das Theatertäschle abgeben. Dafür ist ein zusätzliches Budget von knapp 150 000 Euro pro Jahr vorgesehen, inklusive Personalkosten und Finanzierung der Gastspiele. Ab September 2023 soll das Theater all das stemmen. Als Grundlage dient ein Kooperationsvertrag zwischen Stadt und Theater. Große Städte wie Ulm oder Freiburg seien schon länger dazu übergegangen, nicht mehr selbst Kultur zu veranstalten und „treten nur noch als Förderer und Netzwerkpartner auf“, weiß Müller.
Außerdem, so der Wunsch in der Vorlag für den Gemeinderat, soll das Angebot wachsen: Künftig sind mehr als drei Neuinszenierungen im Abendspielplan ebenso geplant wie ein Ausbau der Kinder- und Jugendaufführungen. Auch die bisher rund 1600 Unterrichtseinheiten im Bereich
Theater- und Zirkuspädagogik sollen idealerweise aufgestockt werden. Darüber hinaus betont Müller: Zur Aufgabe des Theaters gehöre auch, den gesellschaftliche Diskurs – durchaus auch experimentell und kritisch – aufzugreifen, Diskussionen anzustoßen „und uns den Spiegel vorzuhalten“.
Schließlich umfasst die Neuausrichtung und Professionalisierung auch die Trennung von kaufmännischer und künstlerischer Leitung. Sprich: Wenn Albert Bauer, der den Laden seit mehr als 20 Jahren umtreibt, Ende 2022 in den Ruhestand geht, soll sein Job auf zwei Stellen aufgeteilt werden.
Weil all das Geld kostet, will die Stadt ihren jährlichen Zuschuss ans Theater von bisher 182 000 auf insgesamt 400 000 Euro aufstocken. Für Verena Müller ist klar: „Mit den bisherigen Mitteln würde es zwar irgendwie weiter laufen, langfristig lässt sich die Existenz des Theaters oder gar seine Weiterentwicklung damit aber nicht sichern“Sollte der Gemeinderat der Erhöhung zustimmen, wäre dies Basis und Voraussetzung dafür, dass auch das Land seine Förderung erhöht.
„Man könnte dann auch mal Produktionen mit fünf bis sieben Schauspielern auf die Beine stellen“, malt sich Albert Bauer aus. „Und man könnte endlich anständige Gagen zahlen.“Schließlich krebse man seit Jahren an der schwarzen beziehungsweise roten Null herum. Vor allem aber, so der Geschäftsführer, „könnten wir uns dann als Stadttheater sichtbarer machen.“