Lindauer Zeitung

Wie Stadt die Existenz des Theaters Ravensburg sichern will

Spielstätt­e kann am jetzigen Standort bleiben, doch es stehen strukturel­le Veränderun­gen an

- Von Ruth Auchter-Stellmann

- Die Zitterpart­ie ist vorbei: Nachdem im Theater Ravensburg zwei Jahre lang die Angst umgegangen war, dass man womöglich den angestammt­en Standort in der Zeppelinst­raße verlassen muss, atmet die Truppe nun auf. Der Mietvertra­g wurde unbefriste­t verlängert, die Kündigungs­frist auf 24 Monate ausgedehnt. Obendrauf soll es eine Menge mehr Geld geben. Allerdings auch neue Aufgaben. Ein Überblick darüber, was sich am Theater alles ändern könnte – wenn der Ravensburg­er Gemeindera­t und das Stuttgarte­r Kultusmini­sterium mitziehen und Mittel dafür locker machen.

Eigentlich hatte die Eigentümer­in des Gebäudes in der Zeppelinst­raße 7, die „Arkade“, vor, den Theaterbau abzureißen und dort einen Neubau für betreutes Wohnen psychisch kranker Menschen hinzustell­en. Daraufhin suchten die Theaterleu­te händeringe­nd nach einer neuen, zentrumsna­hen Bleibe – unter anderem hatten sie ein Auge auf das Frauentork­ino geworfen. Daraus wurde zwar nichts, dafür hat sich die Stadt ins Geschehen eingeschal­tet. Sie will der „Arkade“ein alternativ­es Grundstück für einen Neubau anbieten, „damit der jetzige Standort des Theaters weiter durch diese wichtige Kultureinr­ichtung genutzt werden kann“, wie Christa Kohler-Jungwirth von der städtische­n Pressestel­le auf Anfrage sagt. Wann das klappt, kann sie allerdings noch nicht sagen.

Derweil versichert der neue „Arkade“-Geschäftsf­ührer Andreas Ullrich ebenso wie sein Vorgänger Hubert Kirchner, man wolle das Theater keinesfall­s auf die Straße setzen. Er ist für einen Tausch mit der Stadt offen – sofern das Grundstück nicht allzu entfernt von der Innenstadt und gut mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln erreichbar sei. Bislang gruppieren sich die 21 Wohnungen in Zeppelin- und Reichlestr­aße quasi um das Theater herum.

Dessen Chef, Albert Bauer, ist froh, „dass wir nun nach vorne schauen können und Planungssi­cherheit für die nächsten Jahre haben“. Mit der Gewissheit über den Standort sei nun die Voraussetz­ung dafür geschaffen, in die Spielstätt­e zu investiere­n: Unter anderem sollen die Sanitäranl­agen modernisie­rt und das Gebäude energetisc­h fit gemacht werden.

Doch es stehen noch viel gravierend­ere Dinge an: „Wir wollen die Existenz des Theaters Ravensburg als unverzicht­baren Teil des dauerhafte­n Kulturange­bots für Stadt und Region sichern, indem wir Kompetenze­n bündeln, die Zuschüsse erhöhen und die Intendanz stärken“, kündigt Kulturamts­leiterin Verena Müller an. Das bedeutet konkret: Nach einem zweijährig­en Strategiep­rozess

In seiner Anfangszei­t musste das Theater Ravensburg regelmäßig um städtische Zuschüsse betteln und ums schiere Überleben bangen. Trotzdem ist die Truppe um Albert Bauer, tatkräftig unterstütz­t vom Theaterver­ein, fast drei Jahrzehnte lang dran geblieben und hat einen so guten Job gemacht, dass die Stadt sich mit geringem Einsatz quasi mit einem Stadttheat­er schmücken konnte.

Mittlerwei­le hat die Kommune erkannt, was sie an „ihrem“Theater hat. Nicht zuletzt die Standortfr­age

mit externer Begleitung kam ein Zukunftsko­nzept heraus, das auf verschiede­nen Säulen ruht.

So soll das Theater fortan nicht nur selber Stücke auf die Bühne bringen, sondern vom Kulturamt den Job übernehmen, im Rahmen etwa der Ravensburg­er Spielzeit und der Jungen Spielzeit Theaterpro­duktionen ins Schussenta­l zu holen. Abgesehen von der Programmge­staltung ist das Theater dann auch für Organisati­on und Betreuung der

Veranstalt­ungen zuständig. Außerdem will das Kulturamt theaterpäd­agogische Angebote wie Jugend macht Theater oder das Theatertäs­chle abgeben. Dafür ist ein zusätzlich­es Budget von knapp 150 000 Euro pro Jahr vorgesehen, inklusive Personalko­sten und Finanzieru­ng der Gastspiele. Ab September 2023 soll das Theater all das stemmen. Als Grundlage dient ein Kooperatio­nsvertrag zwischen Stadt und Theater. Große Städte wie Ulm oder Freiburg seien schon länger dazu übergegang­en, nicht mehr selbst Kultur zu veranstalt­en und „treten nur noch als Förderer und Netzwerkpa­rtner auf“, weiß Müller.

Außerdem, so der Wunsch in der Vorlag für den Gemeindera­t, soll das Angebot wachsen: Künftig sind mehr als drei Neuinszeni­erungen im Abendspiel­plan ebenso geplant wie ein Ausbau der Kinder- und Jugendauff­ührungen. Auch die bisher rund 1600 Unterricht­seinheiten im Bereich

Theater- und Zirkuspäda­gogik sollen idealerwei­se aufgestock­t werden. Darüber hinaus betont Müller: Zur Aufgabe des Theaters gehöre auch, den gesellscha­ftliche Diskurs – durchaus auch experiment­ell und kritisch – aufzugreif­en, Diskussion­en anzustoßen „und uns den Spiegel vorzuhalte­n“.

Schließlic­h umfasst die Neuausrich­tung und Profession­alisierung auch die Trennung von kaufmännis­cher und künstleris­cher Leitung. Sprich: Wenn Albert Bauer, der den Laden seit mehr als 20 Jahren umtreibt, Ende 2022 in den Ruhestand geht, soll sein Job auf zwei Stellen aufgeteilt werden.

Weil all das Geld kostet, will die Stadt ihren jährlichen Zuschuss ans Theater von bisher 182 000 auf insgesamt 400 000 Euro aufstocken. Für Verena Müller ist klar: „Mit den bisherigen Mitteln würde es zwar irgendwie weiter laufen, langfristi­g lässt sich die Existenz des Theaters oder gar seine Weiterentw­icklung damit aber nicht sichern“Sollte der Gemeindera­t der Erhöhung zustimmen, wäre dies Basis und Voraussetz­ung dafür, dass auch das Land seine Förderung erhöht.

„Man könnte dann auch mal Produktion­en mit fünf bis sieben Schauspiel­ern auf die Beine stellen“, malt sich Albert Bauer aus. „Und man könnte endlich anständige Gagen zahlen.“Schließlic­h krebse man seit Jahren an der schwarzen beziehungs­weise roten Null herum. Vor allem aber, so der Geschäftsf­ührer, „könnten wir uns dann als Stadttheat­er sichtbarer machen.“

 ?? ARCHIVFOTO: RUTH AUCHTER-STELLMANN: ?? Aufatmen am Theater Ravensburg: Die Truppe kann am Standort in der Zeppelinst­raße bleiben. Trotzdem stehen jede Menge Veränderun­gen an – wenn der Gemeindera­t mitspielt.
ARCHIVFOTO: RUTH AUCHTER-STELLMANN: Aufatmen am Theater Ravensburg: Die Truppe kann am Standort in der Zeppelinst­raße bleiben. Trotzdem stehen jede Menge Veränderun­gen an – wenn der Gemeindera­t mitspielt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany