Lindauer Zeitung

Hamilton und Vettel glücklos im Reifenpoke­r

Bottas gewinnt den Formel-1-Grand-Prix in Istanbul – Verstappen wieder WM-Führender

- Von Martin Moravec und Thomas Wolfer

(dpa) - Sauer stapfte Lewis Hamilton nach dem Verlust der WM-Führung durch die Boxengasse von Istanbul, Max Verstappen machte nach seiner Rückkehr an die Formel-1-Spitze sogar Scherze. Im Regen der Türkei verdrängte der Red-BullPilot als Zweiter hinter Gewinner Valtteri Bottas den siebenmali­gen Weltmeiste­r wieder von ganz oben.

Nach einer Strafverse­tzung rettete sich Hamilton von Rang elf noch auf Platz fünf. Im am Ende packenden Reifenpoke­r beschwerte er sich aber über den vom Mercedes-Kommandost­and angekündig­ten Zeitpunkt des Boxenstopp­s. „Im Nachhinein hätten wir draußen bleiben sollen oder früher reinkommen sollen“, meinte Hamilton, der vor seinem späten Reifenwech­sel auf Rang drei lag. „Letzten Endes ist es sehr frustriere­nd.“Mercedes-Teamchef Toto Wolff sprach von „Schadensbe­grenzung“bei seinem Topstar.

In der WM-Wertung liegt der Brite nach seiner holprigen Aufholjagd nun sechs Zähler hinter Verstappen, der vor zwei Wochen in Russland furios von Rang 20 auf zwei gerast war. „Wir sind glücklich mit dem zweiten Platz. Unter diesen Bedingunge­n ist es einfach, Fehler zu machen“, sagte Verstappen, dessen Teamkolleg­e Sergio Perez am Sonntag Dritter wurde. Auf die Frage, was für ihn im Grand Prix am Schwersten gewesen sei, scherzte er: „Wach zu bleiben.“

Vor Zehntausen­den Fans verzockte sich Sebastian Vettel im Aston Martin beim Boxenstopp mit Trockenrei­fen. Er blieb als 18. zum vierten Mal nacheinand­er ohne Zähler. „Tut mir leid für die Ansage. Ich dachte, es würde sich lohnen, das Risiko einzugehen“, räumte Vettel zerknirsch­t ein.

Nach dem besten Qualifikat­ionsergebn­is seiner Karriere warf Mick Schumacher im unterlegen­en Haas eine frühe Kollision mit Alpine-Routinier Fernando Alonso zurück, der später seinen Fehler einräumte. Überrundet schleppte sich Schumacher als 19. über die Ziellinie. „Wir konnten nicht viel machen“, sagte er. Dennoch könne er „sehr viel Positives“aus dem Wochenende mitnehmen.

Nebel und Nieselrege­n rund um den Intercity Istanbul Park hatten die Fahrer zu Intermedia­te-Reifen gezwungen. „Ich muss, ich will das Rennen irgendwie gewinnen“, verkündete Hamilton, der nach einem Motorentau­sch

statt von Rang eins nur von Platz elf starten durfte.

Erster Profiteur war sein Mercedes-Teamkolleg­e Bottas, der das Feld in die 170 Meter bis zur ersten Bremszone führte. Direkt dahinter lauerte Verstappen, der allerdings schon das ganze Wochenende die heikle Balance seines Red Bull bemängelt hatte.

An Bottas kam der Niederländ­er nicht vorbei, Hamilton machte ebenfalls zunächst kaum Boden gut. Schumacher war nach Startplatz 14 „sehr, sehr glücklich“gewesen. Der 22-Jährige kam auch erst mal gut weg. Eine

Berührung mit Alonso, der nach einem Dreher auf den Asphalt zurückkehr­te, warf ihn aber ans Ende des Feldes zurück. Die Rennkommis­sare brummten dem zweimalige­n Weltmeiste­r aus Spanien für diese Aktion eine Fünf-Sekunden-Strafe auf.

Vettel hing nach einer weiteren enttäusche­nden Qualifikat­ion auf Position zehn fest. Hamilton arbeitete sich weiter nach vorne. Erst an Yuki Tsunoda und Lance Stroll vorbei, dann an Lando Norris und Pierre Gasly. Die Intermedia­tes verloren immer mehr an Profil, das richtige Timing für Reifenwech­sel beschäftig­te die Kommandost­ände.

Bottas bestimmte vorne das Tempo mit sicherem Vorsprung auf Verstappen. Hamilton kämpfte spektakulä­r Rad an Rad gegen Perez im zweiten Red Bull, hing aber erst einmal fest.

Verstappen kam in der 37. Runde als erster Pilot aus der Spitzengru­ppe an die Box, fiel aber nur auf Platz drei zurück. Bottas erhielt einen Umlauf später frische Intermedia­tes. Vettel versuchte es indes mit den MediumReif­en, musste das Experiment aber rasch beenden und die Gummis wieder wechseln. „Es funktionie­rt nicht“, räumte der viermalige Weltmeiste­r enttäuscht ein.

Hamilton ging ebenfalls ins Risiko: Der siebenmali­ge Champion zögerte seinen Boxenstopp grimmig so lange heraus wie nur möglich. Ein Jahr nach seinem vorzeitige­n Titelgewin­n in der Türkei, als er in einem Regenchaos von Position sechs noch ganz nach vorne gefahren war, wollte er zumindest den Sprung auf das Podest erzwingen.

Die Mercedes-Strategen wollten ihren Star längst in die Garage lotsen – Hamilton blieb aber draußen. Erst in Runde 51 war es dann so weit, der erste Reifensatz war längst abgefahren. Hamiltons Dienstwage­n erhielt nun frische Gummis. Bei der Rückkehr auf die Strecke verlor er zwei Plätze und wurde so letztlich Fünfter.

 ?? FOTO: MARK SUTTON/IMAGO IMAGES ?? Diesmal galt der Jubel der Mercedes-Crew nicht Weltmeiste­r Lewis Hamilton, sondern der Zweitkraft des Teams, Valtteri Bottas.
FOTO: MARK SUTTON/IMAGO IMAGES Diesmal galt der Jubel der Mercedes-Crew nicht Weltmeiste­r Lewis Hamilton, sondern der Zweitkraft des Teams, Valtteri Bottas.

Newspapers in German

Newspapers from Germany