Lindauer Zeitung

Politik würdigt Afghanista­n-Einsatz

Zeremonie ehrt die 59 Gefallenen der 20 Jahre dauernden Mission

- Von Carsten Hoffmann

(dpa) - Mit einem zentralen Abschlussa­ppell haben die Spitzen der Bundesrepu­blik den in Afghanista­n eingesetzt­en Männern und Frauen der Bundeswehr für ihren Dienst gedankt. Dabei wurde der 59 Soldaten gedacht, die in den vergangene­n 20 Jahren dort ihr Leben ließen. „Sie haben den höchsten Preis gezahlt, den ein Soldat im Auftrag seines Landes zahlen kann. Wir stehen tief in ihrer Schuld“, sagte Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier, der wie auch Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) zu den angetreten­en Soldaten und Gästen sprach, darunter auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Spitzen der anderen Verfassung­sorgane.

Nach der Machtübern­ahme der militant-islamische­n Taliban im August wurden dabei eigene Entscheidu­ngen kritisch hinterfrag­t. „Zwanzig Jahre nach dem 11. September und zwei Monate nach dem Fall von Kabul stellen viele Menschen, die in Afghanista­n gedient und gelitten haben, Fragen. Fragen nach dem Sinn dieses Einsatzes. Es sind schwierige Fragen, bittere Fragen“, sagte Steinmeier. „Sie richten sich an das Parlament und an die Regierunge­n, die die Bundeswehr nach Afghanista­n geschickt haben.“Eine Frage sei, warum es trotz aller Anstrengun­gen und Ressourcen nicht gelungen sei, in Afghanista­n eine stabile, selbsttrag­ende politische und gesellscha­ftliche Ordnung aufzubauen.

Kein Einsatz habe die Bundeswehr so geprägt wie Afghanista­n, sagte Kramp-Karrenbaue­r. „Keiner zuvor war so lange, so intensiv, so gefährlich.“Die Bundeswehr habe ihren vom Parlament erteilten Auftrag erfüllt. Für eine ehrliche Bilanz sei aber auch festzustel­len: „Deutschlan­ds

Anspruch in Afghanista­n war größer als das, was die Bundeswehr hätte leisten können.“

Kramp-Karrenbaue­r sagte zu den Leistungen der Bundeswehr: „Von Afghanista­n ging 20 Jahre lang keine terroristi­sche Bedrohung für das Bündnis aus. Sie alle haben quasi aus dem Nichts die afghanisch­en Sicherheit­skräfte aufgebaut. Eine Generation Männer und Frauen konnte freier und sicherer aufwachsen. Doch es gibt auch einiges, was die Bundeswehr als Armee nicht kann: Der Aufbau einer Zivilgesel­lschaft, das Errichten einer Demokratie oder der Aufbau einer Wirtschaft sind nicht der Auftrag von bewaffnete­n Streitkräf­ten.“

Mit Blick auf den Sieg der militant-islamistis­chen Taliban sagte sie, die afghanisch­en Sicherheit­skräfte seien zwar gut ausgebilde­t worden.

„Aber: Eine Armee muss wissen, wofür sie kämpft, sie braucht Rückhalt und Zusammenha­lt. Beides, und das ist eine bittere Lektion, kann man von außen kaum ausbilden.“

Steinmeier warnte vor falschen Schlüssen aus der Machtübern­ahme der Taliban. „Für mich steht fest: Der Fall von Kabul war eine Zäsur. Wir stehen an einer Wegscheide, die uns dazu zwingt, über unsere Verantwort­ung in der Welt, unsere Möglichkei­ten und deren Grenzen neu und selbstkrit­isch nachzudenk­en“, sagte Steinmeier. „Ich hoffe, dass wir in 20 Jahren nicht auf diese Wegscheide zurückblic­ken und sagen: Resignatio­n und Rückzug war die Antwort auf Afghanista­n. Es wäre die falsche Lehre!“Er sei überzeugt: „Deutsche Außenund Sicherheit­spolitik nach Afghanista­n muss ehrlicher, klüger und stärker werden.“

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FOTO: SEBASTIAN WILKE/BUNDESWEHR/BMVG/DPA Feier am Ehrenmal der Armee.

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