„Autofahren ist zu billig“
Wissenschaftler Martin Fellendorf erklärt, wie der Verkehrssektor umgestaltet werden müsste, um umweltfreundlicher zu sein
- Beim weltgrößten Verkehrskongress ITS in Hamburg dreht sich noch bis Freitag alles um die Zukunft der Mobilität. Über 10 000 Experten aus über 100 Ländern kommen hier zusammen. Einer davon ist der Verkehrswissenschaftler Martin Fellendorf. Der Professor der Technischen Universität Graz erklärt im Gespräch mit Dorothee Torebko, wie die Digitalisierung beim Klimaschutz helfen kann und ob Pakete bald mit Drohnen geliefert werden.
Herr Fellendorf, der Verkehr ist einer der größten Klimasünder überhaupt. Wie kann die Digitalisierung helfen, CO2 im Verkehr einzusparen?
Ganz wichtig ist die stärkere Nutzung des öffentlichen Verkehrs. Bisher war dieser gegenüber dem Individualverkehr im Nachteil. So fällt die Orientierung beispielsweise in einer fremden Stadt meist schwerer. Durch die Digitalisierung ändert sich das. Mithilfe von SmartphoneApps kann dieser Systemnachteil aufgehoben werden. Außerdem wird Ridepooling und Carsharing immer populärer. Die junge Generation ist mit dem Smartphone aufgewachsen und greift daher immer öfter auf diese Mobilitätsmöglichkeiten zurück.
Wie wichtig ist intelligente Verkehrslenkung für den Klimaschutz?
Lichtsignalsteuerung ist im städtischen Verkehr derzeit das wichtigste Verkehrsmanagementsystem. Dadurch lassen sich zehn Prozent Energie einsparen. Was jedoch am meisten bringen würde, ist die Einführung von Straßennutzungsgebühren und vordefinierten Routen, die befolgt werden müssen. Politisch ist das jedoch äußerst schwer durchsetzbar. Möglicherweise könnte sich die neue Regierung des Themas annehmen.
Was würde das denn bringen?
In Singapur gibt es auf den innerstädtischen Hauptverkehrsrouten Straßennutzungsgebühren bereits. Dort müssen Autofahrer abhängig von der Uhrzeit und der Auslastung auf der Route Gebühren zahlen. Bei höherer Nachfrage erhöht sich der Preis. Die Abrechnung läuft über eine Smart Card oder die Kennzeichenerfassung wie in London. Die Einführung von Gebühren hat den Effekt, dass Autofahren teurer wird und sich eine Lenkungswirkung entfaltet.
Martin Fellendorf (Foto: Helmut Lunghammer) ist Leiter des Instituts für Straßenund Verkehrswesen an der Technischen Universität Graz. Dort beschäftigt er sich mit Mobilitätsverhalten und -formen oder auch mit der Datenanalyse neuer Technologien (GPS, Mobilfunkdaten). (sz)
Doch dann können sich einige Menschen, die beispielsweise auf dem Land wohnen, das Pendeln mit dem Auto nicht mehr leisten … Das stimmt. Doch Autofahren ist derzeit zu billig. Es muss teurer werden.
Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs muss nach Einschätzung einer Regierungskommission in den kommenden Jahren deutlich an Fahrt gewinnen. „Trotz erheblicher technischer Fortschritte konnte der Verkehrssektor in den letzten Jahren die CO2-Emissionen nicht reduzieren“, heißt es im Abschlussbericht der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität, der am Mittwoch in Hamburg vorgelegt wurde. „Die Notwendigkeit zum Handeln ist dringender denn je, denn das Verkehrsaufkommen In Österreich machen wir gerade den Vorstoß einer ökosozialen Steuer. Das eingenommene Geld wird an diejenigen, die wenig verdienen, zurückgegeben. Es stellt sich aber auch die Frage, ob überhaupt so
wächst insbesondere im Güterverkehr bei gleichzeitiger Verschärfung der Klimaschutzziele weiter.“Nach Einschätzung des Gremiums müssen bis 2030 „bis zu 14 Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland unterwegs sein, um einen ausreichenden Beitrag zur Umsetzung der im Juni 2021 erneut verschärften Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu liefern“. Als bisheriger Planungshorizont für die Autobranche habe ein Bestand von sieben bis zehn Millionen E-Pkw 2030 gegolten. (dpa) viel gefahren werden muss. Wer sich ein Häuschen im Grünen kauft, dort günstig baut und wohnt, der wird sich auch Mobilität leisten können.
Können autonome Autos zum Klimaschutz beitragen?
Ja. Wenn die Assistenzsysteme das Fahren auf Schnellstraßen gleichmäßiger machen können, kann der Energieverbrauch reduziert werden. So können in etwa zehn Prozent Energie eingespart werden. Allein mit intelligenter Verkehrssteuerung, autonomen Fahren und einem verbesserten öffentlichen Verkehr erreicht man die Klimaschutzziele nicht. Man muss das Autofahren auch unattraktiver machen, also zum Beispiel das Parken teurer machen, Parkplätze reduzieren oder Gebühren einführen.
Die VW-Tochter Moia will bereits 2025 im Ride-Pooling mit autonomen Autos unterwegs sein. Halten Sie das für realistisch?
Dass das autonome Fahren auf allen Straßen unter allen Bedingungen bis 2025 klappt, halte ich für unrealistisch. Realistisch ist es für einzelne Streckenzüge. Heutzutage muss man die Strecke noch sehr genau aufnehmen. Das klappt noch nicht automatisiert. Das für ganz Hamburg zu machen, wird bis 2025 nicht gelingen.
Wann kommt denn das autonome Auto flächendeckend auf deutsche Straßen?
Ich denke, das wird noch zehn bis 15 Jahre dauern. Denn die Technik muss noch lernen, mit Witterungsbedingungen wie Nebel oder Starkregen oder dem unvorhersehbaren Verhalten von Fußgängern und Radfahrern zurechtzukommen. Auf der Autobahn, wo man sehr geregelte Situationen hat, wird das autonome Fahren deutlich früher kommen.
Auch Schwerlastdrohnen könnten Lieferverkehre reduzieren und CO2 einsparen. Bekommen wir unsere Pakete bald damit geliefert? Ich kann mir Drohnen als Lieferanten in der Innenstadt noch nicht flächendeckend vorstellen. Denn die Drohnen haben ein großes Problem – und das ist der Lärm. Sie sind relativ laut und alle aerodynamischen Versuche, die Propeller leiser zu machen, waren noch nicht erfolgreich genug. Solange das Problem nicht gelöst wird, sehe ich Drohnen deshalb noch nicht unsere Pakete liefern.