Alles im Fluss auf dem Tauber-Altmühl-Radweg
350 Kilometer lang vorbei an zauberhaften Städten, Burgen, Kirchen, Seen und wilden Felsen
(dpa) - 350 Kilometer vom Main zur Donau und kaum Steigungen. Doch die 350 Kilometer des Tauber-Altmühl-Radwegs sind keine Kleinigkeit. Die Strecke verläuft zum Glück fast nur über Asphalt – und ist voller Sehenswürdigkeiten. Durch Wein- und Bierland geht es, ins Zauberstädtchen Rothenburg ob der Tauber, zu Burgen, Kirchen, Seen, wilden Felsen und freundlichen Menschen. Ein Reisetagebuch in sieben Etappen.
Etappe 1 Wertheim-Distelhausen (33 Kilometer): Bunte Häuschen reihen sich in Wertheim an der Altmühl auf, in der nördlichsten Stadt Baden-Württembergs. Hoch über den Schleifen des Mains thront die Burg Wertheim. In der Altstadt kommt ein Automat für Fahrradschläuche zu früh – denn noch steht der Tacho auf null.
Der Radweg führt dann hinaus in die Natur, vorbei an seichten Höhen, Wiesen und Obstbäumen. Ein Bachlauf gluckst, Harzperlen glitzern an Bäumen. Jenseits der Tauberbrücke lockt der frei zugängliche Garten des Klosters Bronnbach mit einigen Picknicktischen. Das Dorf Impfingen ist in Corona-Zeiten ein grotesker Namenszufall.
In Distelhausen wirkt der Schornstein der Brauerei wie ein Fingerzeig. Braumeister Robert Schlagbauer ist „mit Bier aufgewachsen“, wie er sagt. Der Techniker hat sichtlich Spaß am Produkt und ist stolz darauf, dass in seinem Labor eigene Hefen gezüchtet werden. Denen sind Starkbiere zu verdanken, von denen eines sensationell nach Banane schmeckt. „Es ist aber keine Banane drin“, versichert Schlagbauer bei der Kostprobe.
Etappe 2 Distelhausen-Rothenburg (68 Kilometer): Morgenstille im Tal. In Lauda steht nicht Bier auf dem Programm, sondern Wein. Es geht zu Winzer Karlheinz Sack. Hier, im Anbaugebiet Baden, öffnen sich neue kulinarische Horizonte: mit dem weißen Souvignier gris und dem Tauberschwarz, einem hellen, fruchtigen Roten mit Aromen von Kirsche und Schwarzer Johannisbeere. Schmuckstück des Weinguts Johann August Sack ist das Holzkunstwerk „Weinbau um Lauda“von Heinz A. Theobald: ein kapitaler Fassboden, geschnitzt aus SpessartEiche. Es zeigt historische Szenen der Lese mit Weidenkörben, Ochsengespann und Männern in Strumpfkappen. Daheim in der Werkstatt arbeitet Karlheinz Sack mit Rockmusik. Da bekomme er den „richtigen Rhythmus“. Wenn er „tief rein muss mit dem Schnitzmesser“, steigert er sich zu Hard Rock und Metal.
Den Sound entlang der weiteren Radstrecke machen Kuckucksrufe, das Plätschern der Tauber und das Rascheln des Windes in den Bäumen. Auf einem Plakat steht: „Unser Dorf ist keine Autobahn“. Das passt gut zum entschleunigten Rhythmus dieser Reise.
In Bad Mergentheim zieht der Marktplatz die Blicke auf sich. Wahrzeichen von Weikersheim ist das einstige Grafenschloss. Im dortigen Rittersaal tummeln sich Tiere aus bemaltem Gips. Der Barockgarten begeistert mit seiner Blumenpracht. In Creglingen lohnt ein Abstecher zur Herrgottskirche. Dort hat der Bildhauer Tilman Riemenschneider (1460-1531) ein Meisterwerk hinterlassen: den knapp zehn Meter hohen Marienaltar, geschnitzt aus Föhrenund Lindenholz.
Die kurzen, giftigen Anstiege bis Rothenburg ob der Tauber lassen EBiker kalt. Wer aber ordentlich strampeln muss, wird versöhnt. Das berühmte Städtchen ist ein Gedicht, das nicht vieler Worte bedarf: Fachwerkhäuser, Wehrmauern, Türme, kopfsteingepflasterte Gassen. Noch stürmen keine Touristen aus dem Ausland die Souvenirshops.
Etappe 3 Rothenburg-Herrieden (54 Kilometer): Hinter Rothenburg wird es unromantisch: weg vom Taubertal, hin zur Altmühl, parallel zur Stadtausfahrt unter der Autobahn hindurch, steil hinauf nach Wachsenberg und durch austauschbare Dörfer. Umso überraschender ist in Windelsbach der Werkstattbetrieb von Martin Kost. Der 54-Jährige ist Kammmacher, wie schon sein Großvater. Kost fertigt Holzkämme. „In Handarbeit mit maschineller Unterstützung“, wie er sagt. In einem Kamm stecken bis zu 20 Arbeitsschritte,
beginnend mit dem Aufschnitt der Holzblöcke. Das Anspruchsvollste sei das Schleifen der Zähne eines Kamms. Martin Kost selbst benutzt keinen, die Haarpracht ist gewichen. Corona und Billigkonkurrenz aus Drogeriemarktketten sieht er nicht als Bedrohung: „Die Menschen wollen individuell hergestellte Artikel, dazu etwas Wertiges aus dem eigenen Land“, sagt er.
Der Hornauer Weiher gilt offiziell als Quellgebiet der Altmühl. Eine Enttäuschung: Der Radweg führt oft nicht direkt am Fluss entlang, sondern über Felder und durch Wälder. Colmberg empfängt schließlich mit Badeweiher und Burgblick, Herrieden mit einem Weißstorch. Seit Jahrhunderten nisten die Tiere in der bayerischen Stadt.
Etappe 4 Herrieden-Treuchtlingen (57 Kilometer): Es läuft, alles ist im Fluss. Dorf folgt auf Dorf. Ornbau kündigt sich als „Tor zum Fränkischen Seenland“an. Bald ist die Brücke zur Vogelinsel im Altmühlsee erreicht, wo man das Rad parkt und zu Fuß auf den Lehrpfad ausschwärmt. Gewimmel am Himmel und in den Niederungen. Surfer, Segler, Stehpaddler. Kormorane und Graureiher.
Weiter geht es, der See verschwindet. Schilf begrenzt die Altmühl. Der Fluss kommt nah und zieht sich zurück. Ein erdiger Weg verläuft kilometerlang parallel zur Bahntrasse. In Treuchtlingen tauchen eine Tankstelle und ein Discounter auf: profane Zivilisation.
Etappe 5 Treuchtlingen-Eichstätt (43 Kilometer): Der Radweg hält sich herrlich nah am Fluss. Die Altmühl ist Lebensraum von Enten und Blässhühnern, der Luftkurort Pappenheim tatsächlich von Pappenheimern. Kurios dahinter: die Weidenkirche, ein Freiluftkonstrukt aus Rankgerüsten. In Sicht geraten die Formationen der Zwölf-ApostelFelsen auf der anderen Seite des Tals.
Ein unbefestigter Weg führt nun in den Wald. In Dollstein thront eine kitschgoldene Maria auf einer Säule. Der Burgsteinfelsen, der viele Kletterer anlockt, war einst Teil eines subtropischen Meeres. Ein Motocrosser bricht auf dem Radweg mit dem Gesetz und der Stille.
Eichstätt ist Universitätsstadt und eine Hochburg des Katholizismus. Die heilige Walburga liegt hier begraben, der Barockstil feiert ein Fest auf den Plätzen und in der Schutzengelkirche.
Etappe 6 Eichstätt-Beilngries (45 Kilometer): Manfred Bauer kennt alles, was im Tal wächst, zum Beispiel Weißdorn, Scharbockskraut, Buschwindröschen und Orchideen. Der 50-Jährige ist einer von vier Rangern im Naturpark Altmühltal. Der Fluss begleitet ihn, solange er denken kann. In Inching lernte er darin schwimmen. Einmal brachte er eine Ringelnatter nach Hause. „Da war die Mutter nicht begeistert“, erinnert sich Bauer. Was macht seinen Heimatfluss so besonders? „Es ist einer der am langsamsten fließenden Flüsse in Bayern, vielleicht sogar der langsamste. Dadurch strahlt er für mich eine unglaubliche Ruhe aus.“Typisch sind die Wacholderheiden über dem Tal.
Bei Kinding stört der sirrende Lärm einer Autobahn. Der doppelte Spitzturm der Kirche weist den Weg hinein nach Beilngries.
Etappe 7 Beilngries-Kelheim (46 Kilometer): Auf dem letzten Abschnitt geht es mal wunderbar am Wasser entlang, mal allzu nah an der Straße. Das Bett der Altmühl wird vom Main-Donau-Kanal genutzt, geblieben sind Altflussarme als Biotope und Anglerreviere. Ein Frachter schiebt sich voran.
Kurz vor Kelheim liegen eine Schleuse und der Abzweig zur Tropfsteinhöhle Schulerloch, die man nur zu Fuß durch den Wald erreicht. Wer empfänglich ist, soll drinnen zwei Kraftpunkte spüren. Etwas wehmütig steigt man an der Donau vom Rad. Die Reise ist zu Ende, für den Moment. Irgendwann warten neue Ufer.
Auf der Website www.tauberaltmuehl-radweg.de lässt sich ein digitaler Tourbegleiter wie ein Katalog zum Blättern abrufen. Die gedruckte Version ist kostenlos bestellbar. Weitere Informationen: Tourismusverband Franken, Tel.: 0911/941 510, E-Mail: info@frankentourismus.de, Internet: www.frankentourismus.de