Anonyme Schreiben und offene Rücktrittsforderungen
Im Lindauer Selgerclub brodelt es gewaltig – Grund ist das geplante Jugend- und Ausbildungszentrum
- Durch den Lindauer Seglerclub zieht sich ein Riss, vielleicht sogar mehrere. Es gibt offene Kritik am Vorstand, Rücktrittsforderungen und offenbar sogar einen anonymen Drohbrief. Grund für die Unruhe ist das geplante Jugend- und Ausbildungszentrum. Es gibt Pläne, die Wogen zu glätten. Doch viel Zeit bleibt nicht.
Die Mitglieder des Seglerclubs (LSC) hatten sich am Freitagnachmittag auf eine Mammut-Hauptversammlung eingestellt. Sieben Stunden waren angekündigt – doch so lang wurde es am Ende nicht. Denn Vorsitzender Karl-Christian Bay nahm gleich zu Beginn den größten Streitpunkt von der Tagesordnung: die Diskussion über das geplante Jugendund Ausbildungszentrum am Werfthafen.
Bay sprach von einer Spaltung des Vereins – und räumte Fehler ein. „Es war nie so gedacht, dass es eine Entscheidung geben soll, ohne den Mitgliedern vorher die Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben“, sagte der Vorsitzende. Er schlug vor, das Projekt in einer Ideenwerkstatt zu besprechen. Nur dann könne es eine Entscheidung geben, „die von der Basis kommt und nicht von oben“.
Öffentliche Gespräche über ein Jugend- und Ausbildungszentrum des LSC gibt es seit etwa vier Jahren. Zunächst sollte dafür das Gebäude der früheren Schiffswerft, wo der Verein Räume von der Stadt mietet, saniert werden. Die Stadt als Vermieterin sollte sich um das Gebäude kümmern, der LSC als Mieter den Innenbereich sanieren. „Dann gab es immer mehr Wünsche des Nutzers“, sagt Jürgen Widmer, Sprecher der Stadt, auf Anfrage. So habe die Stadt anfangs mit Sanierungskosten von rund 150 000 Euro gerechnet. Bald war aber klar, dass das bei Weitem nicht ausreichen würde. „Allen schien es die bessere Variante zu sein, von der Miete in die Erbbaupacht überzugehen.“Die Segler sollten das alte Werftgebäude in Eigenregie renovieren.
Vor gut drei Jahren hatte es zudem eine außerordentliche Mitgliederversammlung gegeben, bei der sich ein großer Teil der LSC-Mitglieder dafür ausgesprochen hatte, die alte Schiffswerft zu sanieren und dort das Jugend- und Ausbildungszentrum einzurichten. Im vergangenen Sommer war dann wieder alles anders: Der LSC legte dem Bauausschuss Pläne über einen großen Neubau vor. Die neue Werfthalle sollte direkt über der Slipanlage entstehen, dort, wo es in der Vergangenheit schon einmal ein Werftgebäude gegeben hatte. Das Argument der Segler damals: Ein Neubau sei besser zu kalkulieren als die Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes nebenan. Der Bauausschuss gab für die Idee grundsätzlich grünes Licht, die Segler sollten dafür aber eine Bürgerbeteiligung machen.
Nun haben die Segler – oder zumindest einige von ihnen – aber offenbar schon wieder umdisponiert. Für den geplanten Neubau stehen mittlerweile drei Varianten im Raum, alles Ideen unterschiedlicher Club-Mitglieder: die Variante, die im Sommer im Bauausschuss vorgestellt wurde, eine ähnliche Variante, bei der es aber nur etwa die Hälfte an Innenräumen geben soll – und ein Neubau, der nicht über der Slipanlage, sondern direkt neben der Wasserschutzpolizei stehen soll.
Diese drei Varianten habe der Vorstand den Mitgliedern bei einem Clubabend Anfang Oktober vorgestellt, so Karl-Christian Bay. „Damit wollten wir zeigen, dass wir zuhören
Diese weiteren Mitglieder des neuen Vorstands wählten die 197 Anwesenden: Achim Holz als zweiten Vorsitzenden, Almut Störr als Leiterin der Geschäftsstelle, Gerhard Wölfle als Schatzmeister (ebenfalls nur bis zur nächsten regulären Hauptversammlung), Tine Heym als Jüngstenwartin,
Max Kohlhund als Jugendwart, Hermann Eger als Hauswart, Florian Zwisler als Takelmeister, Ken Strachan als Hafenmeister und Stephan Frank als Obmann des Wettsegelsports. Beisitzer für Veranstaltungen bleibt Nina Kaschube, neuer Pressewart und Sponsoringbeauftragter ist Rolf Schlett. Alex Kickl bleibt im Amt bis zur Neuwahl des Jugendvertreters und die Planungen anpassen“, sagt er. Das sei aber völlig falsch rübergekommen. Bei den Clubmitgliedern sei der Eindruck entstanden, man wolle „das auf Biegen und Brechen durchdrücken“. Dieser Eindruck, räumt der Vorsitzende ein, sei genau so falsch wie nachvollziehbar.
Spätestens seit diesem Clubabend kämpft der Vorsitzende mit viel Gegenwind: Es habe offene Rücktrittsaufforderungen und einen anonymen Drohbrief gegeben, in dem Bay geraten worden sei, nicht bei der Jahreshauptversammlung am Freitag zu erscheinen, wenn ihm seine Gesundheit lieb sei. Eine offenkundige Drohung. Weder Bay noch Stephan Frank, ehemaliger Pressesprecher und jetzt Obmann des Wettsegelsports, wissen, von wem dieser Brief ist. „Aber wenn wir das herausfinden, dann fliegt derjenige aus dem Verein“, sagt Frank. Außerdem sei
durch die LSC-Jugend. Den ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern dankte Bay für ihre Arbeit, den Clubpokal erhielt Christian Schwörer für seinen wiederholten WM-Titel in der stark besetzten Melges32 Klasse. Schatzmeister Gerhard Wölfle stellte die Clubkasse als solide finanziert vor, in den Haushalt wurden mehrere neue Segel für Clubboote aufgenommen, außerdem soll das in die Jahre gekommene Arbeitsboot Bim durch ein neues ersetzt werden. „Momentan reichen die Einnahmen zur Finanzierung der Ausgaben. Allerdings muss sich der Verein Gedanken über eine Erhöhung der Einnahmen machen, wenn er größere Projekte stemmen will.“ für die Versammlung am Freitag ein Misstrauensvotum angekündigt worden, erzählt Karl-Christian Bay.
Das Misstrauensvotum blieb aus, allerdings äußerten langjährige LSCMitglieder deutlich Kritik am Vorstand. Der Ablauf sei „schwierig nachvollziehbar“, sagte zum Beispiel Hans-Peter Duwe. Seit sich die Mitglieder 2018 für die Sanierung der alten Schiffswerft ausgesprochen hatten, gebe es ständig Neuerungen und Änderungen, viele Informationen bekämen die Mitglieder nur über den Flurfunk mit.
Im Zuge ihrer Ideenwerkstatt plant der Vorstand nun eine Art dreistufiges Abstimmungsverfahren, wie Stephan Frank erklärt: In einem ersten Schritt soll abgefragt werden, ob die Mitglieder überhaupt ein Jugendund Ausbildungszentrum wollen. Dann sollen die Segler darüber abstimmen, ob sie für die Sanierung des alten Werftgebäudes oder für einen Neubau sind. Und in einem dritten Schritt dann eventuell darüber, wie dieser Neubau aussehen soll.
Die Segler fangen also im Grunde wieder von vorne an, dabei bleibt ihnen nicht viel Zeit. Denn eigentlich hätte sich der Verein schon im Sommer gegenüber der Stadt erklären müssen, ob er die alte Schiffswerft nun sanieren möchte oder nicht. Die Frist wurde damals verlängert. „Momentan hat der Verein eine Frist bis Ende des Jahres“, sagt Jürgen Widmer. Bis dahin müsse der Verein entscheiden, was er will. Eine Anfrage, diese Frist zu verlängern, lag der Stadt am Montag noch nicht vor.
Karl-Christian Bay wurde bei der wegen Corona verspäteten Jahreshauptversammlung am Freitag trotz aller Querelen von mehr als Dreivierteln der Mitglieder wieder zum Vorsitzenden gewählt, ein Gegenkandidat hatte sich nicht gemeldet. Stephan Frank ist sicher: „Da sind wenige, die sehr laut schreien.“Trotzdem möchte Karl-Christian Bay nur noch bis zur nächsten Hauptversammlung Anfang nächsten Jahres Vereinsvorsitzender bleiben, danach will er aufhören. „Ich habe das Gefühl, meine Legitimation verloren zu haben“, sagt er im Gespräch. Und mit dem Drohbrief sei eine Grenze überschritten worden, auch, wenn Bay sicher ist, dass dahinter ein Einzelner und keine Gruppe stecke. „Aber es ist schon sehr bedenklich, wie wir verrohen. Es gibt keine Wertschätzung, keinen Respekt mehr.“
Warum er nicht gleich hingeschmissen hat? „Damit hätte ich dem Verein einen Bärendienst erwiesen“, erklärt er. Er mache weiter, um nicht noch mehr Chaos auszulösen. „Wir müssen das Ganze jetzt entemotionalisieren. Und dann braucht es einen von den Mitgliedern getragenen Beschluss.“