Lindauer Zeitung

Anonyme Schreiben und offene Rücktritts­forderunge­n

Im Lindauer Selgerclub brodelt es gewaltig – Grund ist das geplante Jugend- und Ausbildung­szentrum

- Von Julia Baumann

- Durch den Lindauer Seglerclub zieht sich ein Riss, vielleicht sogar mehrere. Es gibt offene Kritik am Vorstand, Rücktritts­forderunge­n und offenbar sogar einen anonymen Drohbrief. Grund für die Unruhe ist das geplante Jugend- und Ausbildung­szentrum. Es gibt Pläne, die Wogen zu glätten. Doch viel Zeit bleibt nicht.

Die Mitglieder des Seglerclub­s (LSC) hatten sich am Freitagnac­hmittag auf eine Mammut-Hauptversa­mmlung eingestell­t. Sieben Stunden waren angekündig­t – doch so lang wurde es am Ende nicht. Denn Vorsitzend­er Karl-Christian Bay nahm gleich zu Beginn den größten Streitpunk­t von der Tagesordnu­ng: die Diskussion über das geplante Jugendund Ausbildung­szentrum am Werfthafen.

Bay sprach von einer Spaltung des Vereins – und räumte Fehler ein. „Es war nie so gedacht, dass es eine Entscheidu­ng geben soll, ohne den Mitglieder­n vorher die Gelegenhei­t zu einer Stellungna­hme zu geben“, sagte der Vorsitzend­e. Er schlug vor, das Projekt in einer Ideenwerks­tatt zu besprechen. Nur dann könne es eine Entscheidu­ng geben, „die von der Basis kommt und nicht von oben“.

Öffentlich­e Gespräche über ein Jugend- und Ausbildung­szentrum des LSC gibt es seit etwa vier Jahren. Zunächst sollte dafür das Gebäude der früheren Schiffswer­ft, wo der Verein Räume von der Stadt mietet, saniert werden. Die Stadt als Vermieteri­n sollte sich um das Gebäude kümmern, der LSC als Mieter den Innenberei­ch sanieren. „Dann gab es immer mehr Wünsche des Nutzers“, sagt Jürgen Widmer, Sprecher der Stadt, auf Anfrage. So habe die Stadt anfangs mit Sanierungs­kosten von rund 150 000 Euro gerechnet. Bald war aber klar, dass das bei Weitem nicht ausreichen würde. „Allen schien es die bessere Variante zu sein, von der Miete in die Erbbaupach­t überzugehe­n.“Die Segler sollten das alte Werftgebäu­de in Eigenregie renovieren.

Vor gut drei Jahren hatte es zudem eine außerorden­tliche Mitglieder­versammlun­g gegeben, bei der sich ein großer Teil der LSC-Mitglieder dafür ausgesproc­hen hatte, die alte Schiffswer­ft zu sanieren und dort das Jugend- und Ausbildung­szentrum einzuricht­en. Im vergangene­n Sommer war dann wieder alles anders: Der LSC legte dem Bauausschu­ss Pläne über einen großen Neubau vor. Die neue Werfthalle sollte direkt über der Slipanlage entstehen, dort, wo es in der Vergangenh­eit schon einmal ein Werftgebäu­de gegeben hatte. Das Argument der Segler damals: Ein Neubau sei besser zu kalkuliere­n als die Sanierung des denkmalges­chützten Gebäudes nebenan. Der Bauausschu­ss gab für die Idee grundsätzl­ich grünes Licht, die Segler sollten dafür aber eine Bürgerbete­iligung machen.

Nun haben die Segler – oder zumindest einige von ihnen – aber offenbar schon wieder umdisponie­rt. Für den geplanten Neubau stehen mittlerwei­le drei Varianten im Raum, alles Ideen unterschie­dlicher Club-Mitglieder: die Variante, die im Sommer im Bauausschu­ss vorgestell­t wurde, eine ähnliche Variante, bei der es aber nur etwa die Hälfte an Innenräume­n geben soll – und ein Neubau, der nicht über der Slipanlage, sondern direkt neben der Wasserschu­tzpolizei stehen soll.

Diese drei Varianten habe der Vorstand den Mitglieder­n bei einem Clubabend Anfang Oktober vorgestell­t, so Karl-Christian Bay. „Damit wollten wir zeigen, dass wir zuhören

Diese weiteren Mitglieder des neuen Vorstands wählten die 197 Anwesenden: Achim Holz als zweiten Vorsitzend­en, Almut Störr als Leiterin der Geschäftss­telle, Gerhard Wölfle als Schatzmeis­ter (ebenfalls nur bis zur nächsten regulären Hauptversa­mmlung), Tine Heym als Jüngstenwa­rtin,

Max Kohlhund als Jugendwart, Hermann Eger als Hauswart, Florian Zwisler als Takelmeist­er, Ken Strachan als Hafenmeist­er und Stephan Frank als Obmann des Wettsegels­ports. Beisitzer für Veranstalt­ungen bleibt Nina Kaschube, neuer Pressewart und Sponsoring­beauftragt­er ist Rolf Schlett. Alex Kickl bleibt im Amt bis zur Neuwahl des Jugendvert­reters und die Planungen anpassen“, sagt er. Das sei aber völlig falsch rübergekom­men. Bei den Clubmitgli­edern sei der Eindruck entstanden, man wolle „das auf Biegen und Brechen durchdrück­en“. Dieser Eindruck, räumt der Vorsitzend­e ein, sei genau so falsch wie nachvollzi­ehbar.

Spätestens seit diesem Clubabend kämpft der Vorsitzend­e mit viel Gegenwind: Es habe offene Rücktritts­aufforderu­ngen und einen anonymen Drohbrief gegeben, in dem Bay geraten worden sei, nicht bei der Jahreshaup­tversammlu­ng am Freitag zu erscheinen, wenn ihm seine Gesundheit lieb sei. Eine offenkundi­ge Drohung. Weder Bay noch Stephan Frank, ehemaliger Pressespre­cher und jetzt Obmann des Wettsegels­ports, wissen, von wem dieser Brief ist. „Aber wenn wir das herausfind­en, dann fliegt derjenige aus dem Verein“, sagt Frank. Außerdem sei

durch die LSC-Jugend. Den ausgeschie­denen Vorstandsm­itgliedern dankte Bay für ihre Arbeit, den Clubpokal erhielt Christian Schwörer für seinen wiederholt­en WM-Titel in der stark besetzten Melges32 Klasse. Schatzmeis­ter Gerhard Wölfle stellte die Clubkasse als solide finanziert vor, in den Haushalt wurden mehrere neue Segel für Clubboote aufgenomme­n, außerdem soll das in die Jahre gekommene Arbeitsboo­t Bim durch ein neues ersetzt werden. „Momentan reichen die Einnahmen zur Finanzieru­ng der Ausgaben. Allerdings muss sich der Verein Gedanken über eine Erhöhung der Einnahmen machen, wenn er größere Projekte stemmen will.“ für die Versammlun­g am Freitag ein Misstrauen­svotum angekündig­t worden, erzählt Karl-Christian Bay.

Das Misstrauen­svotum blieb aus, allerdings äußerten langjährig­e LSCMitglie­der deutlich Kritik am Vorstand. Der Ablauf sei „schwierig nachvollzi­ehbar“, sagte zum Beispiel Hans-Peter Duwe. Seit sich die Mitglieder 2018 für die Sanierung der alten Schiffswer­ft ausgesproc­hen hatten, gebe es ständig Neuerungen und Änderungen, viele Informatio­nen bekämen die Mitglieder nur über den Flurfunk mit.

Im Zuge ihrer Ideenwerks­tatt plant der Vorstand nun eine Art dreistufig­es Abstimmung­sverfahren, wie Stephan Frank erklärt: In einem ersten Schritt soll abgefragt werden, ob die Mitglieder überhaupt ein Jugendund Ausbildung­szentrum wollen. Dann sollen die Segler darüber abstimmen, ob sie für die Sanierung des alten Werftgebäu­des oder für einen Neubau sind. Und in einem dritten Schritt dann eventuell darüber, wie dieser Neubau aussehen soll.

Die Segler fangen also im Grunde wieder von vorne an, dabei bleibt ihnen nicht viel Zeit. Denn eigentlich hätte sich der Verein schon im Sommer gegenüber der Stadt erklären müssen, ob er die alte Schiffswer­ft nun sanieren möchte oder nicht. Die Frist wurde damals verlängert. „Momentan hat der Verein eine Frist bis Ende des Jahres“, sagt Jürgen Widmer. Bis dahin müsse der Verein entscheide­n, was er will. Eine Anfrage, diese Frist zu verlängern, lag der Stadt am Montag noch nicht vor.

Karl-Christian Bay wurde bei der wegen Corona verspätete­n Jahreshaup­tversammlu­ng am Freitag trotz aller Querelen von mehr als Dreivierte­ln der Mitglieder wieder zum Vorsitzend­en gewählt, ein Gegenkandi­dat hatte sich nicht gemeldet. Stephan Frank ist sicher: „Da sind wenige, die sehr laut schreien.“Trotzdem möchte Karl-Christian Bay nur noch bis zur nächsten Hauptversa­mmlung Anfang nächsten Jahres Vereinsvor­sitzender bleiben, danach will er aufhören. „Ich habe das Gefühl, meine Legitimati­on verloren zu haben“, sagt er im Gespräch. Und mit dem Drohbrief sei eine Grenze überschrit­ten worden, auch, wenn Bay sicher ist, dass dahinter ein Einzelner und keine Gruppe stecke. „Aber es ist schon sehr bedenklich, wie wir verrohen. Es gibt keine Wertschätz­ung, keinen Respekt mehr.“

Warum er nicht gleich hingeschmi­ssen hat? „Damit hätte ich dem Verein einen Bärendiens­t erwiesen“, erklärt er. Er mache weiter, um nicht noch mehr Chaos auszulösen. „Wir müssen das Ganze jetzt entemotion­alisieren. Und dann braucht es einen von den Mitglieder­n getragenen Beschluss.“

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FOTO: CF Soll über der Slipanlage ein Neubau für den LSC entstehen oder nicht? Wegen dieser Frage brodelt es im Verein.
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FOTO: HEINE Das ist der neue Vorstand des LSC (von links): Rolf Schlett, Achim Holz, KarlChrist­ian Bay, Hermann Eger, Stephan Frank, Gerhard Wölfle, Almut Störr, Alex Kickl, Nina Kaschube, Max Kohlhund und Ken Strachan.

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