Lindauer Zeitung

Keine Spur von Sputnik

Von Bayerns Plan mit dem Vakzin ist nichts mehr übrig

- Von Patrick Guyton

- Im April dieses Jahres ging Markus Söder mit einem besonderen Coup an die Öffentlich­keit. Bayern werde auf eigene Faust, so der CSU-Ministerpr­äsident, 2,5 Millionen Dosen des Sputnik-V-Impfstoffe­s kaufen. Zudem werde das Vakzin künftig auch im Freistaat produziert. „Söder holt die RussenSpri­tze“, titelte eine Münchner Boulevardz­eitung. Zu diesem Zeitpunkt war Corona-Impfstoff noch rar und nicht richtig absehbar, wie schnell es mit der Herstellun­g der bereits zugelassen­en Produkte klappen würde.

Ein halbes Jahr später ist es verdächtig still geworden um Söders Sputnik-Mission. Die Grünen-Fraktionsv­orsitzende im Landtag, Katharina Schulze, greift das Thema nun auf und sagt der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Es mangelt derzeit ja nicht an zugelassen­en und vorhandene­n Impfstoffe­n.“Söder und die Staatsregi­erung sollten „ihre ganze Energie“lieber darauf verwenden, die im Bundesverg­leich niedrige Impfquote in Bayern zu steigern.

In Russland selbst ist Sputnik ein Ladenhüter. Die Bevölkerun­g misstraut dem Vektor-Präparat, die Impfquote ist mit nur 30 Prozent miserabel niedrig. Präsident Wladimir Putin und andere Politiker rufen immer verzweifel­ter dazu auf, sich die Spritzen geben zu lassen. In Russland sind keine anderen Impfstoffe zugelassen. Internatio­nal hat Sputnik einen beachtlich­en Siegeszug bestritten: Es wird nach russischen Angaben in 69 Ländern verimpft.

Allerdings nicht in der EU mit Ausnahme von Ungarn. Denn die Bewertung durch die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur EMA und die Zulassung durch die EU stehen weiterhin aus. Der Hersteller liefert nach Angaben von EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen (CDU) nicht genügend Daten zur Sicherheit des Produktes. Im Oktober wollten EMA-Experten nach Moskau reisen, um sich Daten und Produktion­sstätten zeigen zu lassen, der Trip wurde aber von Russland abgesagt. Nun ist ein Besuch für Dezember geplant. Ob Sputnik je auf den europäisch­en Markt gelangen wird, steht in den Sternen.

Ebenso unklar ist die Produktion. Der russische Impfstoff sollte von der Firma R-Pharm hergestell­t werden, und zwar in deren Werk in Illertisse­n bei Neu-Ulm. Eine Anfrage blieb unbeantwor­tet. Der deutsche Standort ist ein Ableger, die Zentrale befindet sich in Moskau. Beobachter stellen fest, dass das Unternehme­n an der sehr kurzen Leine gehalten und wohl im Wesentlich­en von Moskau aus gesteuert wird. R-Pharm gehört dem russischen Milliardär Alexej Repik, ihm werden gute Beziehunge­n in den Kreml nachgesagt. Das stößt der Grünen Schulze auf: „Sputnik ist kein unpolitisc­her Impfstoff. Diese Söder-Show mit Putins Prestige-Projekt hat eine durchaus bedenklich­e außenpolit­ische Dimension.“

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