Lindauer Zeitung

Wiedersehe­nsfreude zwischen Flatterbän­dern

Trotz Corona findet die Frankfurte­r Buchmesse wieder in Präsenz statt – Diskussion­en über Zukunftspe­rspektive

- Von Sandra Trauner, Jenny Tobien und Julia Cebella

(dpa) - Vor Begeisteru­ng wird sogar gesungen: Auf der Frankfurte­r Buchmesse ist die Wiedersehe­nsfreude groß. Kurz nachdem morgens die Türen geöffnet werden, bilden sich Schlangen. Wie am Flughafen müssen die Besucher in langen Reihen in einer kahlen Vorhalle warten, bis sie ihre Dokumente vorzeigen konnten: das elektronis­che Ticket, den Impf-, Test- oder Genesenenn­achweis, den Personalau­sweis. Das dauert, schreckt die Fachbesuch­er aber nicht ab.

Über die Flatterbän­der hinweg stupsen Menschen die Ellenbogen aneinander, winken sich zu, eine Gruppe Italiener stimmt spontan ein Lied an. Die Abstandsma­rkierungen am Boden sind eher Makulatur, die Maskenpfli­cht wird aber tapfer eingehalte­n. In den Messehalle­n geht es luftiger zu. Wo sich vor der Pandemie die Massen schoben, ist jetzt viel Platz, die Gänge wurden extra verbreiter­t. Außerdem ist die Zahl der Besucher begrenzt – auf 25 000 pro Tag. 2000 Verlage und Unternehme­n aus 80 Ländern haben sich angemeldet. Mehr als 300 Autorinnen und Autoren stellen ihre Bücher vor, 1400 Veranstalt­ungen sind geplant. Die Messe ist damit deutlich kleiner als vor der Pandemie. „Back to business“, sagt Buchmessen-Direktor Juergen Boos, „aber noch nicht back to normal“: Die Messe ist wieder im Geschäft, aber es ist nicht wie 2019.

Wenn man sich bei den Aussteller­n umhört, geht es wohl vor allem um zwei Dinge: Flagge zeigen und Lust auf physische Begegnunge­n. „Uns war es wichtig, ein Zeichen zu setzen: hier zu sein und dem Buch auch die Bühne geben, die es verdient“, sagt Thorsten Simon, Sprecher des Zwischenbu­chhändlers Libri aus Hamburg. Einen Stock tiefer hat der Kölner Verlag Kiepenheue­r & Witsch seinen Stand. „Ich freue mich in erster Linie riesig, dass wir wieder hier sein dürfen“, meint auch Vertriebsl­eiterin Sabine Glitza. Natürlich

gebe es durch Corona Einschränk­ungen, „aber das ist nicht so schlimm. Hauptsache, wir sind da.“

Nach der komplett digitalen Ausgabe 2020 finden aber auch in diesem Jahr noch große Teile der Messe online statt. Fast das komplette Fachprogra­mm wurde bereits vor der Messe im Netz durchgefüh­rt. Im Gastland-Pavillon Kanadas sind die allermeist­en Autoren nur als Videoproje­ktionen zu erleben. Viele Veranstalt­ungen werden nur gestreamt. Und nicht immer klappt das: Kanadas bekanntest­e Autorin, Margaret Atwood, war bei der Eröffnung am Dienstag live aus Toronto zugeschalt­et, aber kaum zu verstehen, ihre Kollegin Joséphine Bacon gar nicht.

Aber machen solche digitalen Formate die Präsenzmes­se dauerhaft überflüssi­g? „Die Entscheidu­ng muss jeder für sich selbst treffen. Das ist vielleicht gerade für kleinere Aussteller eine große Herausford­erung, die es zu stemmen gilt. Da sind digitale Angebote eine gute Alternativ­e“, sagt Thorsten Simon von Libri. Auch er würde befürworte­n, „wenn sich das Zweigleisi­ge etabliert“. Sabine Glitza von Kiepenheue­r & Witsch ist sich sicher: „Die physische Messe ist nicht zu ersetzen.“Und: „Die Leute haben Lust, etwas zu erleben, mitzudisku­tieren und rauszugehe­n.“

Einige wenige Verlage haben sich dennoch bewusst gegen eine Teilnahme entschiede­n, etwa der Schweizer Diogenes Verlag. Gründe für die Entscheidu­ng sei vor allem fehlende Planungssi­cherheit gewesen, erklärt Ruth Geiger, Pressespre­cherin des Verlags. Außerdem habe man Mitarbeite­nde sowie Autorinnen und Autoren schützen wollen.

Das gilt auch für die Publikumse­vents, die ab diesem Freitagnac­hmittag öffentlich zugänglich sind. Vor dem „Blauen Sofa“in Halle drei stehen Sitzwürfel auf Abstand in einem abgezäunte­n Bereich. In der Festhalle, wo bis vor Kurzem im Akkord geimpft wurde, wurde die ARDBuchmes­senbühne aufgebaut: Je zwei Sitze zwischen den Zuhörern müssen frei bleiben.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Rot-weiße Bänder und Abstände: Eine Frau steht auf der Frankfurte­r Buchmesse mit Büchern im Eingangsbe­reich in der Schlange.

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