Entscheidungen aus dem Hotelzimmer
Welche Folgen die Corona-Infektion von Julian Nagelsmann für den FC Bayern hat
- Der Tross des FC Bayern reiste am Donnerstagmittag mit zwei positiven Ergebnissen zurück nach München. Mit einem 4:0-Erfolg in der Champions League bei Benfica Lissabon, der mit nun neun Punkten und 12:0-Toren nach drei Partien den besten Start in die Gruppenphase der Clubhistorie ergibt. Was für die Verantwortlichen jedoch am Tag nach der Partie recht nebensächlich war. Denn: Das zweite positive Ergebnis war der Corona-Test von Cheftrainer Julian Nagelsmann, den der Verein am Donnerstagmorgen bestätigte.
Das Spiel hatte der 34-Jährige nur aus seinem Hotelzimmer aus verfolgen können, da er wegen eines „grippalen Infekts“, so die Begründung der Bayern am Mittwochabend, nicht in der Lage war, mit der Mannschaft und den Betreuern ins Estádio da Luz von Benfica zu fahren. Erst nach einem weiteren Test am Morgen nach der Partie kam die negative Gewissheit: positiv. Infiziert trotz „vollständigem Impfschutz“. Schon am Spieltag nach Auftreten der grippalen Symptome war Nagelsmann vorsichtshalber von der Mannschaft und seinem Trainerstab isoliert worden. Sein Co-Trainer und Vertreter als Chefcoach an der Seitenlinie, Dino Toppmöller, meinte am Mittwochabend, er habe seinen Boss „den ganzen Tag über nicht gesehen“. Nagelsmann reiste am Nachmittag nicht gemeinsam mit der Mannschaft zurück nach München, sondern getrennt in einem Ambulanzflieger. Nach Rückkehr werde er sich in häusliche Isolation begeben, teilte der Club mit. Dem Coach geht es nach eigener Aussage „den Umständen entsprechend gut“. Das teilte Nagelsmann am Donnerstag auf Twitter mit. „Danke für alle Genesungswünsche. Ich bin sehr stolz auf die Mannschaft, mein gesamtes Trainerteam und das Team hinter dem Team! Ihr habt es gestern super gemacht und mich bestmöglich vertreten“, schrieb Nagelsmann.
Doch wie geht es nun weiter? Nagelsmann, der bereits Anfang der Woche trotz angenehmer Temperaturen dick eingepackt und mit Schal ein Training geleitet hatte, war am Dienstag gemeinsam mit der Mannschaft angereist. Erst nach der Auswertung
der vorgenommenen Tests können weitere Corona-Fälle beim FC Bayern ausgeschlossen werden. Dementsprechend groß war die Unruhe beim Serienmeister, da im unwahrscheinlichen Extremfall zahlreicher Ansteckungen die Austragung des Heimspiels am Samstag gegen die TSG Hoffenheim (15.30 Uhr) auf der Kippe steht. Für eine Absetzung müssten den Bayern aber den DFLStatuten zufolge weniger als 15 Spieler zur Verfügung stehen. So weit wird es aller Wahrscheinlichkeit nicht kommen. Dennoch wird das erste Spiel vor ausverkauftem Haus seit März 2020 – nach Aufhebung der Corona-Restriktionen sind unter Anwendung der 3G-Regel erstmals wieder 75 000 Zuschauer in der Allianz Arena erlaubt – erneut im Zeichen der Pandemie stehen.
Dass Nagelsmann am Samstag wieder auf der Bank sitzt, scheint wegen der Kürze der Zeitspanne aktuell ausgeschlossen. Denn: Auch vollständig geimpfte Personen, die positiv getestet wurden, können erst nach fünf Tagen die Isolation verlassen – und das auch nur, wenn sie symptomfrei sind und ein negatives PCR-Ergebnis nachweisen können. Gelingt das nicht, müsste der Trainer im Extremfall 14 Tage in Isolation und würde somit weitere drei Partien verpassen. Neben Hoffenheim den Pokal-Kracher kommenden Mittwoch bei Borussia Mönchengladbach, das Bundesliga-Auswärtsspiel bei Union Berlin (30.10.) und das Rückspiel in der Königsklasse gegen Benfica Lissabon (2.11.), mit dem man den vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale klarmachen will.
Dass die Bayern auch ohne ihren Cheftrainer gewinnen können, zeigte das am Ende souveräne 4:0 beim portugiesischen Rekordmeister. Dino Toppmöller (40) hatte im Verbund mit den weiteren Assistenten Xaver Zembrod (55) und Videoanalyst Benjamin
Glück (35) ständig Kontakt gehalten ins Hotelzimmer von Nagelsmann. Toppmöller – Sohn von Klaus Toppmöller (70), dem einstigen Lautern-Stürmer und Bundesliga-Trainer – hatte die letzte Ansprache in der Kabine gehalten und die Halbzeitanalyse vorgenommen. „Es war nicht so, dass ich den großen Zampano gemacht habe“, sagte er, „Julian hat bei den Auswechslungen die Entscheidungen getroffen. Du machst da nicht selbstständig deine Wechsel.“Den offensiveren Serge Gnabry für Benjamin Pavard zu bringen, stammte von Nagelsmann, betonte Toppmöller: „Eine super Idee von ihm und eine mutige Entscheidung. Das war ein entscheidender Punkt für uns, dass wir mit Serge viel gefährlicher waren. Da sieht man, dass Julian zwar krank ist, aber im Kopf sehr fix.“Der Assistent lobte seinen Chef: „Gut gemacht, Julian!“Fragt sich nur, wann dieser wieder bei der Mannschaft sein kann.