Lindauer Zeitung

Hausärztin findet keinen Nachfolger

Dr. Christina Knott-Kremer schließt ihre Häfler Hausarztpr­axis zum 31. Dezember

- Von Brigitte Geiselhart

- Guter Ruf, großer und treuer Patientens­tamm, zentrale Lage: Eigentlich wäre das Feld bestellt und Dr. Christina Knott-Kremer sollte keine Probleme haben, ihre Hausarztpr­axis in jüngere Hände zu übergeben – möchte man als Außenstehe­nder meinen. Doch die Sachlage ist leider ganz anders. Weil es der 62-jährigen Häfler Allgemeinm­edizinerin trotz intensiver Suche nicht gelungen ist, einen Nachfolger oder eine Nachfolger­in zu finden, wird sie ihre Hausarztpr­axis in der Riedlepark­straße am 31. Dezember schließen – nach derzeitige­m Stand endgültig.

Nachdem sie die Praxis der Drs. Sauter in der Schmidstra­ße am 1. April 2001 übernommen und an gleicher Stelle weitergefü­hrt hatte, war Christina Knott-Kremer im April 2015 in die Räumlichke­iten der ehemaligen Orthopädie-Praxis von Dr. Anton Lehr in die Riedlepark­straße umgezogen. „Mit der Praxis und mit vielen von Ihnen bin ich 20 Jahre älter geworden. Zeit für eine Veränderun­g – Zeit für einen neuen Lebensabsc­hnitt“, schreibt die Ärztin in einem Brief an ihre Patienten.

„Für mich ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen – auch weil ich für die ab 1. Januar 2022 verpflicht­ende Ausstellun­g von elektronis­chen Rezepten einiges erneuern und umstruktur­ieren hätte müssen“, sagt Christina Knott-Kremer. Sie habe sich für diesen Schritt auch deshalb entschiede­n, weil sie mit ihrem Mann gerne noch ein paar gesunde Jahre verbringen möchte. „Außerdem wohnen unsere drei Söhne weit entfernt – sie würden wir in Zukunft auch gerne öfters besuchen“, fügt sie hinzu.

Schon seit zwei Jahren ist die Häflerin auf der Suche nach einer Praxisnach­folge. Eine Suche, die sie vor einem Jahr – über die Kassenärzt­liche

Vereinigun­g, Ärztezirke­l, auch durch direktes Anschreibe­n von Krankenhäu­sern oder Mund-zuMund-Propaganda bei Weiterbild­ungsverans­taltungen – intensivie­rt

Laut einer aktuellen Prognose des Marktforsc­hungsinsti­tuts IGES aus Berlin im Auftrag der Robert-BoschStift­ung könnten im Jahr 2035 rund 11 000 Allgemeinm­ediziner in Deutschlan­d fehlen und fast 40 Prozent der Landkreise unterverso­rgt oder von Unterverso­rgung bedroht sein. Betroffen sein könnten demnach nicht nur ländliche hat. Ohne Erfolg. Grundsätzl­ich hatten sich überhaupt nur wenige Interessen­ten gemeldet“, sagt KnottKreme­r. „Aber auch die haben mir letztlich alle abgesagt. „Viele junge

Regionen, sondern verstärkt auch Städte. Zu den Bundesländ­ern, in denen es nach dieser Prognose schwierig werden könnte, einen Hausarzt oder eine Hausärztin zu finden, gehört neben Niedersach­sen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen auch Baden-Württember­g. Nach Einschätzu­ng der Marktforsc­her könnten bis 2035 wohl nur Ärztinnen und Ärzte scheuen heute die Verantwort­ung einer eigenen Praxis“, so ihre Einschätzu­ng. „Sie sehen auch den großen Anteil an Verwaltung­sarbeit und ziehen eine rund 25 000 der altersbedi­ngt schließend­en 30 000 Hausarztpr­axen wieder besetzt werden – während die Patientenz­ahl auch angesichts der alternden Bevölkerun­g weiter steige. Dem Szenario zufolge würde die Versorgung­sdichte demnach von zuletzt 63 auf 57 Hausärzten pro 100 000 Einwohner abnehmen. (big)

Anstellung mit fixen Arbeitszei­ten vor.“Knott-Kremer sieht vor allem aber auch große Fehler bei der Politik. „Der Trend zu größeren oder Gemeinscha­ftspraxen wurde über Jahre hinweg gefördert. Einzelprax­en werden von den politische­n Gremien nicht mehr als gewünschte Option angesehen.“Dass ihre Praxis auch von zwei Kolleginne­n oder Kollegen gemeinsam weitergefü­hrt werden könnte, steht sie außer Frage. „Wir müssen derzeit jede Woche neue Patienten ablehnen, weil wir kapazitiv einfach an der Grenze sind“, sagt sie.

„Früher war eine Hausarztpr­axis am Bodensee wie ein Sechser im Lotto“, weiß die Medizineri­n. Doch schon vor der Eröffnung ihrer eigenen Praxis vor 20 Jahren sei ihr von einem Experten geraten worden, den späteren Praxisverk­auf nicht in die Altersvors­orge einzubezie­hen – der Mann habe leider recht behalten. Dennoch: „Ich würde es wieder so machen“, so das klare Bekenntnis von Christina Knott-Kremer. „Hausarzt zu sein, ist einer der schönsten Berufe“, ist sie sich sicher. „Die Beziehunge­n und menschlich­en Kontakte zu den Patienten werden oft über Jahrzehnte gepflegt, nicht selten auch familienin­tern über mehrere Generation­en.“

„Ich bin nicht die erste, der es so ergeht“, sagt die 62-Jährige. „In den letzten Jahren ist die Anzahl der Hausarztpr­axen in Friedrichs­hafen um vier zurückgega­ngen. Es ist einfach nur traurig.“Allerdings sei dies kein spezielles Häfler Problem. „Wir haben auch Patienten aus Ravensburg oder Konstanz, weil sie an ihrem Wohnort keine Hausarztpr­axis finden konnten“, betont Christina Knott-Kremer. Dass sie sich um ihre drei Angestellt­en keine Sorgen machen muss, ist für sie eine große Erleichter­ung. „Wir haben ein top Team. Sie finden problemlos einen neuen Arbeitspla­tz“, sagt sie.

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FOTO: BRIGITTE GEISELHART „Es ist einfach nur traurig.“Dr. Christina Knott-Kremer schließt ihre Häfler Hausarztpr­axis zum 31. Dezember, weil die intensive Suche nach einer Nachfolge leider erfolglos war.

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