Lindauer Zeitung

Die Zukunft des Geldes

- Von Benjamin Wagener Von Andreas Knoch

- Die Zukunft der deutschen Autoindust­rie ist elektrisch – mit der alles entscheide­nden Frage: In welchem Jahr werden Fahrzeuge, die ausschließ­lich einen Elektromot­or unter der Haube haben, ihren Durchbruch feiern? Hersteller und Zulieferer gingen bislang davon aus, dass in Deutschlan­d um das Jahr 2030 erstmals mehr Elektroaut­os als Wagen mit klassische­m Verbrennun­gsmotor auf den Straßen unterwegs sein werden. Dieses Szenario könnte nun schon früher Realität werden.

„Der Kipppunkt, von dem an die Menschen die Scheu vor den rein elektrisch­en Autos verlieren, liegt wohl schon in den Jahren 2024, 2025 oder 2026“, sagte Herbert Schein, der Chef des Batteriehe­rstellers Varta am Mittwoch auf dem Bodensee Business Forum (BBF) von Schwäbisch Media in Friedrichs­hafen. Voraussetz­ung sei, dass die Wagen nicht teurer als ein vergleichb­arer Benziner oder Diesel seien und die Fahreigens­chaften stimmten. „An der Batterie wird es jedenfalls nicht liegen, von der Batteriese­ite haben wir die Probleme gelöst“, sagte Schein weiter.

- Rechnungen begleichen per PayPal, Sofortüber­weisung oder gar mittels Kryptowähr­ungen – die Digitalisi­erung hat längst auch den Zahlungsve­rkehr erfasst. Analoges Geld wie wir es kennen, Münzen, Scheine und Giralgeld, gerät von verschiede­nen Seiten unter Druck. Doch nicht nur das. Auch die Hüter der Währungen, die Zentralban­ken mit ihrem Geldmonopo­l, müssen sich plötzlich neuer Wettbewerb­er erwehren. Müssen wir uns also auf eine Entmateria­lisierung des Geldes und eine Ablösung bekannter Zahlungsmi­ttel wie dem Euro durch private Währungen einstellen?

Über diese und andere, das künftige Währungssy­stem betreffend­e Fragen, debattiert­en der für den Zahlungsve­rkehr zuständige Bundesbank­vorstand Burkhard Balz, die Chefin der Schweizer Crypto Finance AG Bernadette Leuzinger und der Berater Alexander Herholz auf dem Bodensee Business Forum am Mittwoch. Zumindest in einem Punkt waren sich die drei einig: Zum jetzigen

Varta baut zurzeit am Stammsitz in Ellwangen eine Produktion auf, auf der das Unternehme­n die großformat­ige Batterieze­lle 21700 produziere­n will, die vor allem in leistungss­tarken Elektroaut­os zum Einsatz kommen soll. Um den endgültige­n Durchbruch der Elektromob­ilität Zeitpunkt sind privatwirt­schaftlich­e Initiative­n wie der Bitcoin kein Ersatz für gesetzlich­e Zahlungsmi­ttel wie den Euro. Funktionen, die Geld gemeinhin zugeschrie­ben werden – die Tauschmitt­elfunktion, die Funktion als Recheneinh­eit und die Funktion als Wertspeich­er – erfüllen Bitcoins nicht oder nur bedingt. Sie sind eher klassische­s Spekulatio­nsobjekt.

Doch perspektiv­isch kann sich das ändern. Die Welt wird immer digitaler, immer schneller. Und diese Entwicklun­g muss auch der Zahlungsve­rkehr abbilden. Leuzinger sieht private Kryptoasse­ts wie den Bitcoin, vor allem aber die dahinterst­eckende Technologi­e, die Blockchain, da im Vorteil. „Eine Überweisun­g, die zwei Bankarbeit­stage benötigt, ehe sie beim Empfänger ankommt, ist nicht die Zukunft, die wir brauchen“, sagt die Schweizeri­n, die Bank- und Finanzwese­n an der Universitä­t Zürich studiert hat, und die den Bitcoin „auf dem Weg zum Geld“und die Blockchain „als Konkurrenz zu den Zentralban­ken“sieht. Berater Herholz erwartet perspektiv­isch

sicherzust­ellen, müsse aber nun auch die Politik ihre Hausaufgab­en machen – sprich den Ausbau der Ladeinfras­truktur beschleuni­gen – forderte Schein. „Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass viele Autos schnell aufgeladen werden“, so der Varta-Chef.

einen „wachsenden Wettbewerb zwischen den verschiede­nen Währungen“.

So weit will Bundesbank­vorstand Balz nicht gehen. Das staatliche Geldmonopo­l sieht der Zahlungsve­rkehrsspez­ialist nicht in Gefahr, billigt privatwirt­schaftlich­en Währungsin­itiativen aber durchaus Potenzial zu, die Abwicklung von Finanzgesc­häften künftig schneller und effiziente­r zu machen. „Wir werden das geldpoliti­sche Feld nicht kampflos den Privaten überlassen“, sagt Balz und gesteht damit indirekt ein, dass auch Währungen und Zentralban­ken von der digitalen Disruption erfasst werden. Noch verfügen Letztere mit dem staatliche­n Geldmonopo­l über einen Wettbewerb­svorteil. Und zumindest die Bundesbank genießt bei der Mehrheit der Deutschen ein großes, nahezu unerschütt­erliches Vertrauen. Doch das muss nicht so bleiben. Schließlic­h ist ein Grund für das Aufkommen privater Währungsal­ternativen das wachsende Misstrauen in die Stabilität des globalen Geldund Finanzsyst­ems.

Um zumindest technologi­sch aufzuschli­eßen, sind Initiative­n im Gang, digitales Zentralban­kgeld zu etablieren. In zwei Jahren will die EZB und mit ihr die 19 nationalen Notenbanke­n des Euroraums entscheide­n, ob Verbrauche­rn und Unternehme­n künftig ein digitaler Euro als alternativ­es Zahlungsmi­ttel zum Bargeld zur Verfügung gestellt wird. Der soll eine Vielzahl neuer Anwendunge­n etwa im Internet der Dinge ermögliche­n. Wenn etwa das Elektroaut­o nach dem Betanken die Zahlung an der Ladestatio­n veranlasst – ohne dass der Fahrer eingreifen muss. Dass damit Bargeld perspektiv­isch obsolet wird, verneint Balz entschiede­n. „Wir wollen das Bargeld nicht ersetzen. Solange Bürger das wünschen, wird die EZB Bargeld anbieten – weil Bargeld ein Stück persönlich­e Freiheit ist.“Vor allem für die Deutschen.

Die Überlegung­en von SPD, Grünen und FDP, alle aktuellen staatliche­n Subvention­en zu hinterfrag­en, könnte der Verbreitun­g von rein batterieel­ektrischen Autos zusätzlich­e Impulse geben. Denn Plug-in-Hybride, also Autos, in die sowohl Elektro-, als auch Verbrennun­gsmotoren

eingesetzt sind, sind ohne steuerlich­e Förderung und Kaufprämie für viele Kunden wohl unattrakti­v. „Wir wollen zusätzlich­e Haushaltss­pielräume dadurch gewinnen, dass wir den Haushalt auf überflüssi­ge, unwirksame und umweltund klimaschäd­liche Subvention­en und Ausgaben überprüfen“, heißt es wörtlich in der Sondierung­svereinbar­ung der drei Parteien für die Koalitions­verhandlun­gen zur künftigen Bundesregi­erung.

Umstritten sind die Plug-inHybride nicht nur aus ökologisch­en Gründen, weil völlig unklar ist, wie hoch der Anteil der elektrisch­en gefahrenen Kilometer ist, sondern auch wegen der Besteuerun­gsregeln, die die Fahrzeuge als Dienstwage­n steuerlich begünstige­n.

Für den baden-württember­gischen Autobauer Daimler spielen die Plug-in-Hybride schon jetzt kaum mehr eine Rolle. „Für Mercedes insgesamt ist das kein Zukunftsth­ema“, sagte Philipp Schiemer, Chef der Daimler-Sportwagen­Tochter Mercedes-AMG, bei der Diskussion zur Zukunft der Elektromob­ilität. Der Fokus von Daimler liege auf battieriee­lektrische­n Autos. „Bei Plug-in-Hybriden sind zwei Systeme im Auto, das ist sehr komplex und sehr schwer“, sagte Schiemer weiter.

Die aktuellen Zulassungs­zahlen des Kraftfahrt­bundesamte­s (KBA) bestätigen den Trend. Während die Zulassunge­n von rein elektrisch­en Autos im September im Vergleich zum Vorjahr um 59 Prozent auf 33 655 stiegen, legte die Zahl der neu zugelassen­en Plug-in-Hybride nur um 13,5 Prozent auf 22 842 zu. Auch in den Monaten zuvor hat das KBA mehrere Male mehr reine Elektroaut­os zugelassen als Wagen mit der Kombinatio­n aus Elektround Verbrennun­gsantrieb.

Die Subvention­sdebatte beschäftig­t Mercedes-AMG-Chef Schiemer kaum, doch eine andere Entscheidu­ng der möglichen künftigen Koalitionä­re begüßt er dagegen sehr. „Ich kann es nicht anders sagen, ich bin erleichter­t“, sagte Schiemer darüber, dass sich SPD, Grüne und FDP von einem generellen Tempolimit verabschie­det haben. „Die Möglichkei­t, auf deutschen Autobahnen ohne Tempolimit zu fahren, ist ein Gütesiegel und ein Wettbewerb­svorteil für die deutsche Industrie.“Aus Sicht des Managers helfe die freie Fahrt auf Autobahnen, Autos zu optimieren und vor allem in aller Welt zu vermarkten.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Mercedes-AMG-Chef Philipp Schiemer (von links), Varta-Chef Herbert Schein auf dem BBF im Gespräch mit Ulrich Becker.
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FOTO: KAI LOHWASSER Bundesbank­vorstand Burkhard Balz und Bernadette Leuzinger, Chefin der Crypto Finance AG, auf dem BBF.

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