„Ich will Auto-Pendler nicht schlechterstellen“
Grünen-Politiker Michael Kellner über das Autofahren auf dem Land und die Energiewende
- Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner ist eine der wichtigsten Personen bei den Koalitionsverhandlungen. Er entscheidet federführend mit, über seinen Tisch geht am Ende der Koalitionsvertrag. Im Gespräch erklärt er, auf welchen Transformationsprozess sich die Bürger einstellen müssen und welche klimaschädlichen Subventionen die Grünen abbauen wollen.
Im Sondierungspapier ist von einem Transformationsprozess die Rede. Es wird ein Vergleich gezogen zu den Erfahrungen der Ostdeutschen, die Brüche und Enttäuschungen während der Wende erlebten. Auf welche Brüche und Enttäuschungen müssen sich die Bürger einstellen?
Es geht darum, aus den massiven Umbrüchen der 1990er-Jahre in Ostdeutschland die richtigen Lehren zu ziehen. Die Klimakrise zwingt uns zu Veränderungen, damit wir, vor allem aber unsere Kinder und Enkelkinder, auch in Zukunft in Freiheit und Wohlstand leben können. Die Fehler von damals, die Menschen zu übergehen, dürfen sich jetzt nicht wiederholen. Es muss sozial gerecht zugehen, einschneidende Veränderungen müssen abgefedert werden. Wie das geht, treibt uns um.
Und wie funktioniert das?
Im Sondierungspapier sind viele Punkte aufgeführt, die gerade für Ostdeutschland gut und wichtig sind: Zwölf Euro Mindestlohn zum Beispiel, denn hier sind besonders viele Menschen vom Mindestlohn abhängig. Die Kindergrundsicherung hilft natürlich in Ost und West, aber in Ostdeutschland eben nochmal stärker, weil hier die Armutsquote höher ist.
Wird die Transformation denn so krass wie die Wende-Zeit?
Sie ist nicht vergleichbar mit der friedlichen Revolution. Aber klar ist: Wir stehen vor einem großen industriellen Umbau. Vieles muss sich wandeln, damit wir künftig gut leben können. Wir brauchen eine Antriebswende in der Mobilität. Wir brauchen klimaneutrale Gebäude, Stahlwerke werden künftig mit erneuerbarem Strom und grünem Wasserstoff betrieben. Das sind massive, aber nötige Veränderungen.
Sie wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen. Wie wollen Sie die Kommunen stärker beteiligen?
Heute haben wir im ErneuerbareEnergien-Gesetz eine Kann-Bestimmuss mung bei der finanziellen Beteiligung: Sie besagt, dass Kommunen an den Einnahmen aus Windkraft- und Freiflächensolaranlagen beteiligt werden können. Diese Bestimmung wollen wir zu einer Muss-Bestimmung ausweiten. Damit profitieren die Kommunen ganz konkret von der Energiewende, denn sie bekommen jährlich feste Einnahmen über die Standorte von Windrädern und Solaranlagen.
Damit der Ausbau klappt, wollen Sie die Zeit für Planungs- und Genehmigungsverfahren halbieren. Wie soll das gehen?
Damit es schneller vorangeht, wollen wir mehrere Genehmigungsstufen zusammenfassen. Dazu ein Beispiel aus dem Verkehrsbereich: Wir haben in Deutschland noch viele Strecken, wo Dieselloks fahren. Wenn man die elektrifizieren will,
man neue Oberleitungen bauen und dafür ein neues Genehmigungsverfahren einleiten. Dabei liegen Gleisbett und Schiene schon da. Das kann man mit einem Schlag ändern und die Elektrifizierung beschleunigen.
Das alles muss finanziert werden. 50 Milliarden pro Jahr werden Ihren Berechnungen zufolge benötigt. Wie wollen Sie das Geld dafür zusammenbekommen?
Alle drei Parteien haben sich verpflichtet, dass wir die Investitionen stemmen müssen. Wir haben im jetzigen Haushalt Spielräume für Investitionen. Die wollen wir vollständig ausschöpfen. Wir machen jetzt einen Kassensturz, um zu schauen, wie groß diese sind. Ich bin mir sicher, dass wir die Investitionen gestemmt bekommen. Der Wille aller drei Parteien ist da und die Investitionen werden
unsere Wirtschaft ankurbeln.
Sie wollen klimaschädliche Subventionen abschaffen. Welche denn?
Bis heute haben wir ein Dienstwagenprivileg, das den Kauf von fossilen Spritschluckern fördert. Das wollen wir ändern, indem wir es auf E-Mobilität ausrichten. Das führt dann dazu, dass wir sehr schnell einen Gebrauchtwagenmarkt für EAutos bekommen, die wirklich erschwinglich sind. Auch das Dieselprivileg ist ein Relikt aus alten Zeiten. Das wird man nicht sofort abschaffen können, aber zumindest schrittweise. Denn wer in guter Absicht einen Diesel gekauft hat, darf jetzt nicht im Regen stehen.
Wenn dazu noch das Dieselprivileg abgeschafft wird, wird es noch teurer als jetzt schon. Wie wollen Sie das dem Bürger erklären?
Der beste Weg, um von teuren Heizölund Spritpreisen wegzukommen, ist der Ausbau von erneuerbaren Energien. Sie sind billiger und marktfähiger – und wir mindern damit unsere Abhängigkeit von anderen Ländern. Deswegen muss die Politik den Ausbau beschleunigen. Der Elektromobilität gehört die Zukunft. Natürlich braucht es eine Übergangsphase, schließlich ist ein neues Auto für die allermeisten eine große Kostenfrage.
Wollen Sie die Pendlerpauschale für Autofahrer abschaffen?
Mein Wahlkreis liegt im ländlichen Raum und ich kenne viele Menschen, die zur Arbeit pendeln. Man braucht dort ein Auto. Diese Menschen will ich nicht schlechterstellen.
Haben Sie Sorge, dass Sie mit einem zu laschen Klimaschutz-Teil an der Basis scheitern?
Erst am Wochenende hat meine Partei mit großer Mehrheit dem Eintritt in Koalitionsverhandlungen zugestimmt. Jetzt geht es darum, einen guten Koalitionsvertrag auszuhandeln, damit Deutschland auf den 1,5Grad-Pfad von Paris kommt. Im Übrigen ist Klimaschutz nicht nur Sache der Grünen. Alle Parteien haben sich dazu verpflichtet, denn das Pariser Abkommen ist nicht optional, sondern ein völkerrechtlich bindender Vertrag.
Sie haben den Wahlkampf federführend zu verantworten. Fragen Sie sich manchmal, was Sie hätten anders machen sollen?
Natürlich. Klar sind Fehler passiert und natürlich habe ich mich darüber geärgert und wir werden aus diesen Fehlern lernen.