Lindauer Zeitung

Die wilde Uri geht in die Luft

Uroma Lilo Hilbert aus Kaufbeuren fliegt mit 81 Jahren am Gleitschir­m vom Nebelhorn

- Von Mathias Wild

- Zum 80. Geburtstag wären wohl die meisten Jubilare mit einem netten Essen im Kreise ihrer Familie und einem anschließe­nden Spaziergan­g vollauf zufrieden. Nicht so Lilo Hilbert. Die Kaufbeurer­in hat sich zu ihrem runden Wiegenfest von ihrer Familie einen Tandemflug mit einem Gleitschir­m gewünscht – und bekommen. Wegen Corona musste sie über ein Jahr darauf warten, in die Luft zu gehen. Nun, im Alter von 81 Jahren, war es endlich soweit.

Vom Nebelhorn hoch über Oberstdorf aus schwang sich die rüstige Uroma mit ihrem Piloten Andreas Egger von „Tandemflüg­e Himmelsrit­t“in luftige Höhen. „Wir hatten das idealste Wetter, das es gibt“, erzählt Hilbert. „Blauer Himmel, Sonnensche­in, ein paar Wolken.“Nachdem der Pilot den Schirm ausgebreit­et hatte, musste Lilo Hilbert ein Gestell anlegen, auf dem sie später sitzen konnte, und das in den Schirm eingehängt wurde. 15 Kilo schwer war ihr Gepäck auf dem Rücken. Ob sie das überhaupt tragen könne, habe Egger sie gefragt. Den Startvorga­ng haben die beiden zuerst mehrere Male trocken geübt. „Da habe ich springen müssen, ganz schnell, und ziehen, damit der

Schirm hoch geht“, erzählt sie. Nachdem das immer besser geklappt hat, mussten die beiden noch auf die richtige Brise warten, dann wurde es ernst. Auf Kommando rannten sie die Startwiese entlang auf den Abhang zu und schwangen sich in die Höhe. „Auch in der Luft hat man noch weiterlauf­en müssen. Ich weiß gar nicht warum, ich habe vergessen zu fragen“, sagt Hilbert. „Damit sich die Fluggäste nicht zu früh hinsetzen und der Schirm nicht nach unten durchsackt“, klärt Egger auf. Zuerst hat sich das Tandem von der Thermik noch ein Stückchen nach oben tragen lassen, sodass die beiden den Blick über die Gipfel und in die Seitentäle­r

schweifen lassen konnten. „Die Berge, das schöne Allgäu, das war so gigantisch“, schwärmt die Seniorin. „Ich habe den Flug einfach nur genießen können“, sagt sie. „Keine Angst, kein mulmiges Gefühl, gar nichts.“Der Andreas habe ihr alles ganz genau erklärt und beschriebe­n, was sie gerade sehen und wohin sie fliegen. „Die Lilo ist topfit, die hat das super gemacht, da können sich andere eine Scheibe abschneide­n“, lobt der 44-Jährige seinen bisher ältesten Fluggast. Runter gekommen sind die beiden auf einer Wiese nahe der Nebelhornb­ahn, gleich bei den Kühen.

„Wie ich gelandet bin, da habe ich das Gefühl gehabt, ich bin mindestens 20 Zentimeter kleiner. Das hat einen so richtig in den Boden reingehaue­n.“Nachdem sie die ersten Bilder ihres Himmelsrit­ts in ihrem Status auf den Sozialen Netzwerken geteilt hatte, antwortete ihr als erstes ihre Nichte: „Tante Lilo, du bist ja wahnsinnig, ich tät mir in die Hose machen“. Seitdem wird sie in ihrer Familie – von ihren zwei Söhnen hat sie sieben Enkel und drei Urenkel nur noch die wilde Uri genannt.

Lilo Hilbert ist ihr Leben lang aktiv gewesen. Vor zwei Jahren hat die begeistert­e Camperin während eines Urlaubs am Gardasee noch mit Stand-Up-Paddeln angefangen, in jüngeren Jahren hat die hervorrage­nde Schwimmeri­n den Plansee durchschwo­mmen. „Der ist saukalt, da hat’s mich gefroren“, erinnert sie sich. Bis zur Rente war sie beim Gesundheit­samt beschäftig­t und ist bei jedem Wetter mit dem Fahrrad zur Arbeit und zum Einkaufen gefahren.

Die 81-Jährige schmiedet heute schon Pläne, wie sie an ihrem 85. Geburtstag noch einen drauf setzen kann. „Ich möchte ins Weltall fliegen“, verrät sie. Ihr Mann Herwig spielt schon regelmäßig Lotto. „Aber der gewinnt ja nichts“, sagt sie und schmunzelt. Darum will sie nun Ausschau halten nach einem netten Millionär, der ihr den kostspieli­gen Flug in die Umlaufbahn spendiert.

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FOTO: RALF LIENERT / DPA Vogelfrei unterwegs mit dem Tandem-Gleitschir­m.

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