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Der neu gewählte Deutsche Bundestag kommt zum ersten Mal zusammen – Über begehrte Ämter, Streiks und harte Arbeit
- Am heutigen Dienstag tritt zum ersten Mal der neu gewählte Bundestag zusammen. Ein Blick in das Parlament, das in den nächsten vier Jahren das Volk vertritt.
Der Bundestag in Zahlen
Mit 736 Abgeordneten ist der Bundestag so groß wie noch nie – es sind 27 mehr als in der letzten Legislaturperiode. Eigentlich sollen es nur 598 sein, aber durch Überhangmandate ziehen deutlich mehr ein. 299 Parlamentarier wurden direkt in einem der Wahlkreise gewählt, 437 über die Landeslisten.
Der Frauenanteil ist von 31 auf 35 Prozent gestiegen. Am höchsten ist er bei den Grünen mit 58 Prozent, am niedrigsten bei der AfD mit 13 Prozent. Mit Tessa Ganserer und Nyke Slawik (beide Grüne) sitzen erstmals zwei Transgender-Frauen im Parlament. Das Durchschnittsalter aller Abgeordneten liegt bei 47,3 Jahren. Die jüngste Fraktion haben die Grünen mit durchschnittlich 42,4 Jahren, die älteste die AfD mit 51 Jahren. „Nesthäkchen“ist mit 23 Jahren Emilia Fester von den Grünen, Senior mit 80 Jahren Alexander Gauland (AfD).
Der Bundestag hat in diesem Jahr einen Etat von gut einer Milliarde Euro. Davon entfallen rund 70 Prozent auf Personalkosten. Er hat selbst etwa 3000 fest angestellte Beschäftigte, davon etwa 200 Polizisten und 40 Stenografen. Hinzu kommen die Mitarbeiter der Abgeordneten, zuletzt rund 5400. Jedem Parlamentarier steht eine Pauschale von etwa 22 400 Euro im Monat zu, was meist für vier bis fünf Mitarbeiter reicht. Die Abgeordneten selbst erhalten eine „Aufwandsentschädigung“von aktuell 10 012,89 Euro im Monat. Daneben beschäftigen auch die Fraktionen eigene Mitarbeiter.
So entsteht ein Gesetz
Bis ein Gesetz verabschiedet wird, ist das ein langer Prozess. In einem ersten Schritt muss eine Gesetzesinitiative gestartet werden. Das können die Bundesregierung, der Bundesrat oder mehrere Mitglieder des Bundestags in die Wege leiten. Dann finden im Bundestag drei Beratungen statt, sogenannte Lesungen.
Die erste Lesung ist die Grundsatzdebatte, in der der Gesetzesentwurf vorgestellt wird. Dann wird der Entwurf in die Ausschüsse weitergeleitet. Dort arbeiten sich die Ausschussmitglieder in die Materie ein, beraten in Sitzungen und können auch Experten zu öffentlichen Anhörungen einladen.
In der zweiten Lesung berichten die Ausschussmitglieder von den Beratungen. Die dritte Lesung ist eine Aussprache, in der weitere Änderungen möglich sind. Im Folgenden kommt es zur Abstimmung. Wenn die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten zustimmt, ist das Gesetz verabschiedet.
Abgeschlossen ist der Gesetzgebungsprozess damit aber noch nicht. Bei manchen Gesetzen müssen die Länder über den Bundesrat zustimmen. Danach muss es zuerst vom Kanzler und dann vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden. Anschließend wird es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt in Kraft.
Wie Kanzler kommen und gehen Hat sich nach der Bundestagswahl eine Koalition zusammengefunden, dann verständigt sie sich auf eine Person, welche die Regierung führen soll. Die künftige Kanzlerin oder der Kanzler muss dafür nicht Mitglied des Bundestages sein. Sie oder er ist gewählt, wenn die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten für sie oder ihn votieren. Drei Wahlgänge sind binnen 14 Tagen möglich. Hat der Kandidat auch dann keine Mehrheit, entscheidet der Bundespräsident, ob er die Person zum Kanzler ernennt oder den Bundestag auflöst.
Genauso wie das Parlament die Macht hat, einen Bundeskanzler zu wählen, kann es ihn auch absetzen. Dies geschieht über ein sogenanntes Misstrauensvotum. Dafür muss der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählen. Der Bundespräsident muss den bisherigen Amtsinhaber entlassen.
In der bundesdeutschen Geschichte ist das bisher einmal passiert: am 1. Oktober 1982. Wegen eines Zerwürfnisses zwischen den Regierungsparteien SPD und FDP bandelten die Liberalen im damaligen Drei-Fraktionen-Parlament mit CDU/CSU an und wählten gemeinsam mit ihnen Helmut Kohl (CDU) zum Bundeskanzler. Amtsinhaber Helmut Schmidt (SPD) verlor seinen Posten.
Nobel, aber ohne Tarifvertrag – der Fahrdienst der Abgeordneten Sich während der Sitzungswochen quer durch Berlin herumkutschieren lassen – das steht jedem Bundestagsabgeordneten unentgeltlich zu. 120
Wagen deutscher Premium-Hersteller gibt es, zumeist noch Diesel, mittlerweile aber auch Hybride und rein elektrische Fahrzeuge. Was laut Bund der Steuerzahler etwa 1,5 Millionen gefahrene Kilometer ergibt und rund sieben Millionen Euro im Jahr kostet.
Allerdings kommt der Betrag nicht wegen hoher Löhne der rund 250 Fahrer zustande, welche für die seit 2017 zuständige Bundeswehrtochter den Job erledigen. Denn für sie gilt kein Tarifvertrag. Weshalb sie weniger verdienen als die Fahrer etwa der Ministerien und im Juni deshalb gestreikt haben. Die Gewerkschaft Verdi hat bereits weitere Streiks angedroht. Fahrräder gibt es im Bestand des Bundestags vier Dutzend. Man darf davon ausgehen, dass es in Ampel-Zeiten mehr werden.
Begehrtes Amt Bundestagspräsident – aber warum eigentlich?
In der nicht offiziellen, aber trotzdem gültigen protokollarischen Rangfolge steht die Chefin oder der Chef des Bundestages an zweiter Stelle im Staat Deutschland – hinter dem Bundespräsidenten und noch vor der Kanzlerin oder dem Kanzler.
Mit realer Macht hat das jedoch nicht das Geringste zu tun. Dennoch gab es darüber Streit in der Unionsfraktion. Nun hat man sich auf die Vorsitzende der Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion, Yvonne Magwas, geeinigt. Zugunsten der Sächsin verzichtete am Montag auch die noch amtierende Staatsministerin für Integration Annette WidmannMauz aus Tübingen, auf eine Kandidatur
Neben dem inneren Zusammenhalt des deutschen Parlaments ist die künftige Bundestagspräsidentin für das Personal des Bundestages hauptverantwortlich, übt das Hausrecht und die Polizeigewalt aus. Ansonsten wird die designierte Amtsinhaberin Bärbel Bas (SPD) die Bundestagssitzungen leiten, falls sie sich nicht von ihren Vizes vertreten lässt.
Dass das Amt immer begehrter wurde, ist wohl vor allem dem CDUPolitiker Norbert Lammert zu verdanken, der den Posten gern dazu nutzte, seine eigenen Ansichten vor wichtigen Debatten vorzutragen. Nicht alle finden, dass es solcher Ansprachen bedarf, denn für so etwas ist eigentlich der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin da. Aber niemand kann der Bundestagspräsidentin das Wort verbieten
Die Macht der Ausschüsse
Man kann getrost sagen, dass sich die eigentliche Bundestags-Arbeit in den Ausschüssen abspielt. Die werden im Wesentlichen spiegelbildlich zu den Ministerien gebildet. Es gibt auch Ausnahmen. wie etwa den Petitionsausschuss, der sich mit Anliegen der Bürger beschäftigt.
Da die Zeit in den Sitzungswochen knapp ist, tagen Ausschüsse auch parallel zum Plenum, was eine von mehreren Erklärungen dafür ist, warum der Plenarsaal auch in NichtCorona-Zeiten häufig recht leer aussieht. Die Ausschüsse beraten Gesetzesentwürfe, geben Beschlussempfehlungen ab und veranstalten Anhörungen mit Experten. Soll zum Beispiel über das Schicksal des Wolfes verhandelt werden, kommen Vertreter der Schäfer, des Naturschutzes, der Jagdverbände und andere zu Wort.
Je nach Wahlergebnis und Fraktionsstärke stehen den Parteien Vorsitze von Ausschüssen zu. Der im Haushaltsausschuss geht normalerweise an die größte Oppositionspartei. Außerdem gilt die Zugriffsliste. Nachdem in der letzten Legislaturperiode die AfD den Vorsitz im Haushaltsausschuss übernahm, konnte die Union zum Beispiel vier Vorsitze auswählen, die SPD zwei. Auch bei Anhörungen bekommen die großen Fraktionen, wie im Plenum, deutlich mehr Rede- beziehungsweise Fragerecht.
Am Parlament vorbei? Was die Regierung darf
Die Bundesregierung hat in manchen Fällen die Möglichkeit, am Bundestag „vorbei“zu regieren. Das geschah zum Beispiel, als sie während der Corona-Pandemie Einreiseverordnungen erließ, die sie schnell an die sich ändernde Weltlage anpassen musste.
In der Regel gilt: Mit Verordnungen werden technische Details geregelt, so etwa durch die Lebensmittelhygiene-Verordnung oder die Straßenverkehrsordnung. In sämtlichen Fällen legt der Bundestag aber den Rahmen fest, in dem die jeweilige Verordnung gelten soll.Erlasse richten sich in Deutschland dagegen an nachgeordnete Behörden und betreffen nicht die Bevölkerung.
Manche Handlung muss sich die Regierung auch nachträglich genehmigen lassen, zum Beispiel wenn sie kurzfristig Bundeswehrsoldaten zum Einsatz ins Ausland schickt. Das Parlament muss sich dann umgehend mit dem Einsatz befassen und hat die Möglichkeit, die Soldaten zurückzurufen.