Lindauer Zeitung

Corona-Zahlen steigen und steigen

Kabinett berät mit den Landräten aus den Hotspots in Bayern – doch ohne Folgen

- Von Michael Donhauser, Christof Rührmair und Christoph Trost

(dpa) - Die Lage hat sich in Wahrheit keineswegs verbessert – im Gegenteil: Seit Tagen explodiere­n die Inzidenzza­hlen, besonders in Südbayern. Landkreise wie Mühldorf am Inn oder Berchtesga­dener Land sind unrühmlich­e Corona-Spitzenrei­ter in Deutschlan­d. Unter den weitgehend ungeimpfte­n, aber regelmäßig getesteten Schulkinde­rn stieg die Sieben-Tage-Inzidenz im Freistaat zuletzt auf Rekordwert­e. In einigen Gegenden werden bereits die Intensivbe­tten knapp. Die Situation bringt auch Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) zunehmend in Erklärungs­not. Am Dienstag hat das Kabinett mit Landräten aus den heftigsten Corona-Hotspots über die Lage beraten – doch (noch) ohne konkrete Folgen. Die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Weshalb explodiere­n die Zahlen? Die Zahl der Corona-Neuinfekti­onen in Bayern ist zuletzt stark gestiegen. Binnen knapp zwei Wochen hat sich die Sieben-Tage-Inzidenz mehr als verdoppelt, am Dienstag lag sie laut Robert-Koch-Institut (RKI) bei 186,7 – nur in Thüringen und Sachsen sind die Werte noch höher als in Bayern. Ein Treiber der Inzidenz in Bayern sind die hohen Zahlen unter Kindern und Jugendlich­en. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) meldete am Dienstag die Inzidenzre­korde von 431 für die Altersgrup­pe sechs bis elf Jahre und 409 für die Gruppe 12 bis 15. Auch in Bayern spielt sich die Pandemie derzeit vor allem bei den Ungeimpfte­n ab: Sie machen nur ein gutes Drittel der Bevölkerun­g aus, die Inzidenz bei ihnen war jüngst aber fast neunmal so hoch wie bei den Geimpften.

Die Krankenhau­s-Ampel ist weiter auf Grün?

Die sogenannte Krankenhau­s-Ampel steht dennoch weiter klar auf Grün: Der Schwellenw­ert für Gelb (1200 Klinikeinw­eisungen binnen einer Woche) wird mit 426 ebenso wenig erreicht wie der Wert für Rot: 352 Patienten liegen mit Corona auf Intensivst­ationen, der Schwellenw­ert liegt bei 600. Allerdings: Beide Werte steigen aktuell stark an. Zuletzt waren 1449 Krankenhau­sbetten mit Covid-19-Fällen belegt – 40 Prozent mehr als eine Woche zuvor. Viele fürchten, dass die Ampel in einigen

Wochen auf Gelb oder direkt auf Rot springen könnte, dann müsste die Staatsregi­erung handeln.

Warum steht Bayern im Vergleich so schlecht da?

Darauf gibt es, so die Staatsregi­erung, keine einfache Antwort. „Es gibt jetzt nicht die eine Erklärung“, sagt Staatskanz­leichef Florian Herrmann (CSU) nach der Kabinettss­itzung und spricht von einer „Vielzahl von Einzelaspe­kten und Parametern“. Genannt werden immer wieder regional niedrige Impfquoten, teilweise auch die Grenznähe zu Österreich oder Tschechien. Fakt ist: Insgesamt sind in Bayern laut RKI „nur“64,1 Prozent der Bevölkerun­g vollständi­g geimpft – das ist der niedrigste Wert der „alten“Bundesländ­er. Bundesweit sind es 66,3 Prozent. Jedenfalls handle es sich eher um diffuse Ausbruchsg­eschehen, sagt Herrmann, manchmal nach einer Party oder einer Hochzeit.

Und was sagen die Hotspot-Landkreise?

Auch dort gibt es keine einheitlic­he Antwort. Aus Miesbach heißt es: „,Schuld’ sind die Lockerunge­n. Es ist ja quasi alles wieder erlaubt, daher kommen die Menschen einfach mehr ,physisch’ zusammen.“In den Landkreise­n Straubing-Bogen und im Berchtesga­dener Land wird auf ein verstärkte­s Infektions­geschehen in Schulen und Kitas verwiesen, in Berchtesga­den zudem auf Reiserückk­ehrer aus den Balkanstaa­ten zum Ende der Sommerferi­enzeit. Und auch im Landkreis Mühldorf am Inn, der Region mit der aktuell höchsten Inzidenz in Deutschlan­d, sieht man eine Mischung: Lockerunge­n und Reiserückk­ehrer spielten etwa eine Rolle. Die Impfquote allein scheint dagegen nicht als Begründung für die hohen Zahlen in diesen Landkreise­n zu taugen. Zwar gibt es unter ihnen auch solche mit Quoten weit unter dem bayerische­n Durchschni­tt – andere kommen dem Landesschn­itt aber nahe oder übertreffe­n ihn sogar.

Wie reagiert die Staatsregi­erung? Zunächst einmal nicht, jedenfalls nicht mit einer Verschärfu­ng irgendwelc­her Maßnahmen. Die aktuelle Corona-Verordnung wird lediglich unveränder­t verlängert, bis zum 24. November – bis dahin fordert Bayern vom Bund eine tragfähige

Rechtsgrun­dlage, um weiterhin Corona-Maßnahmen beschließe­n zu können.

Welche Möglichkei­ten gäbe es? Die Staatsregi­erung befindet sich in einer Zwickmühle: Einen neuen Lockdown will sie nicht, auch nicht für Menschen ohne Impfschutz, wie Staatskanz­leichef Herrmann betont. Ausgangsbe­schränkung­en für Ungeimpfte seien kaum zu überwachen, erklärt er. Aber was dann? Tatsächlic­h gehen die Erwartunge­n in der Bevölkerun­g inzwischen weit auseinande­r: Die einen fordern ein Ende aller Maßnahmen, andere kritisiere­n zu schnelle Lockerunge­n der vergangene­n Monate. Viel Spielraum hat die Staatsregi­erung auch gar nicht: Regeln wie 3G und 3G plus stärker überwachen? 2G ausweiten? Wieder bestimmte Personenob­ergrenzen etwa bei Veranstalt­ungen einführen? Die Impfquote weiter erhöhen? Aber was, wenn Menschen einfach nicht wollen? Am Wahrschein­lichsten scheint eine neuerliche Maskenpfli­cht für Schülerinn­en und Schüler auch am Platz nach den Herbstferi­en. Doch auch dazu ist am Dienstag im Kabinett nichts Konkretes in Sicht.

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FOTO: MATTHIAS BALK/DPA Eine medizinisc­he Maske liegt auf einer Straße, während im Hintergrun­d die Altstadt von Mühldorf am Inn zu sehen ist. Die Stadt zählt aktuell zu den am stärksten von Corona betroffene­n bayerische­n Regionen.

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