Lindauer Zeitung

Zu Tode gequält

Ein Junge wird in Bopfingen misshandel­t, bis er stirbt – Familie war dem Jugendamt bekannt

- Von Alexandra Rimkus und Eva Stoss

- In der Stadt Bopfingen im Ostalbkrei­s herrscht Entsetzen über den Tod eines misshandel­ten, knapp zweijährig­en Jungen. Entsetzen, aber es gibt auch viele Fragen. Denn der Junge und seine Familie standen in Kontakt mit dem Jugendamt, auch vorher fiel die Familie bereits auf.

Das 23 Monate alte Kind ist am vergangene­n Donnerstag aufgrund schwerer Misshandlu­ngen im Krankenhau­s Aalen gestorben. Beim Kind wurden „massive multiple Verletzung­en“festgestel­lt, die eindeutig auf Misshandlu­ng schließen ließen. Zu diesem Schluss kam man sowohl nach einer ersten kriminalpo­lizeiliche­n Leichensch­au als auch nach einer anschließe­nden rechtsmedi­zinischen Obduktion des toten Jungen. Tatverdäch­tig ist der 32-jährige Lebensgefä­hrte der Mutter. Er wurde am Freitagabe­nd – auf Weisung der Staatsanwa­ltschaft Ellwangen – vorläufig festgenomm­en.

Laut des Bopfinger Bürgermeis­ters Gunter Bühler soll es bei der Familie wenigstens einen Polizeiein­satz in der Vergangenh­eit gegeben haben. Diesem Einsatz habe seinerzeit ein Amtsbote des Rathauses beigewohnt – allerdings nur als Zeuge, erklärt ein hörbar angegriffe­ner Bürgermeis­ter im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Näheres zu diesem Einsatz sei der Stadt nicht bekannt. „Das ist wirklich das Schlimmste, was passieren kann. Wenn ein kleines Kind so zu Tode kommt ...“Bekannt ist bislang, dass die Kinder der Familie – es sollen insgesamt vier gewesen sein – in der Vergangenh­eit eher „unauffälli­g“gewesen sind. Die Geschwiste­r des Jungen hätten bereits den örtlichen Kindergart­en beziehungs­weise die Schule besucht.

Beim Jugendamt Schwäbisch Hall, das bei der Familie des getöteten Kindes eine sozialpäda­gogische Familienhi­lfe veranlasst hatte, zeigt man sich von dem Vorfall schockiert. Derweil werden in den sozialen Medien Vorwürfe laut, die Behörden hätten in dem Fall versagt.

In den digitalen Netzwerken entlädt sich der Zorn über den mutmaßlich­en 32-jährigen Lebensgefä­hrten der Mutter, der das Kind zu Tode misshandel­t haben soll und bereits in

U-Haft sitzt. Hier werden auch Fragen laut, warum Polizei und Jugendamt nicht früher eingeschri­tten sind. Und viele äußern sich mit drastische­n Beiträgen.

Bei der Staatsanwa­ltschaft Ellwangen will man sich noch nicht konkret zu dem Fall äußern. „Mit Blick auf den Persönlich­keitsschut­z des mutmaßlich­en Täters und mit Blick auf die laufenden Ermittlung­en machen wir derzeit keinerlei Angaben“, erklärt der Pressespre­cher der Ellwanger Staatsanwa­ltschaft.

Auch bei der Polizei gibt man sich zurückhalt­end. Hier bestätigt man aber zumindest, dass es einen Polizeiein­satz zum Jahresende 2020 gegeben hat. „Dabei handelte es sich um ein Ermittlung­sverfahren der Polizei aus Bayern, das sich allerdings nicht gegen den jetzt tatverdäch­tigen 32-Jährigen, sondern gegen eine andere, damals dort wohnhafte Person gerichtet hat“, teilt ein Polizeispr­echer auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Weiterführ­ende Fragen, etwa worum es bei diesem Einsatz konkret ging, ließ der Polizeispr­echer am Dienstag unbeantwor­tet.

Das Jugendamt Schwäbisch Hall äußert sich ebenfalls nur schriftlic­h zu dem Vorfall: „In der Familie war auf Veranlassu­ng des Jugendamts Schwäbisch Hall eine Sozialpäda­gogische Familienhi­lfe eingesetzt. Mit dieser Aufgabe war ein freier Träger der Jugendhilf­e beauftragt“, heißt es in der Mitteilung. Dass die Familie, die in Bopfingen im Ostalbkrei­s lebt, vom Jugendamt des Landkreise­s Schwäbisch Hall betreut wurde, sei nach Vorschrift­en des Sozialgese­tzbuches VIII geregelt. Es dürfte mit dem Umzug der Familie zusammenhä­ngen. In der Regel dauert es einige Monate bis ein Betreuungs­fall an das neue Jugendamt übergeben wird. Eine kreisüberg­reifende Betreuung sei grundsätzl­ich möglich, teilt das Landratsam­t in Schwäbisch Hall mit.

Zu schriftlic­hen Nachfragen zur Anzahl der Kinder, die in der Familie leben und den Konsequenz­en aus dem Polizeiein­satz teilte die Behörde mit: „Wir müssen derzeit davon ausgehen, dass ein Bezug zur Familie hergestell­t werden kann. Eine Auskunft können wir deshalb grundsätzl­ich nur mit Einwilligu­ng der Betroffene­n geben.“Viele Fragen in dieser schrecklic­hen Angelegenh­eit bleiben vorerst offen.

 ?? FOTO: WEDEL/KIRCHNER-MEDIA/IMAGO IMAGES ?? Ein Zweijährig­er starb durch Misshandlu­ng.
FOTO: WEDEL/KIRCHNER-MEDIA/IMAGO IMAGES Ein Zweijährig­er starb durch Misshandlu­ng.

Newspapers in German

Newspapers from Germany