Lindauer Zeitung

Warten auf den Impfstoff für Kinder

In den USA könnten bald Fünf- bis Elfjährige gegen Corona geimpft werden – Deutsche Eltern brauchen Geduld

- Von Benno Schwingham­mer, Gisela Gross und Christina Horsten

(dpa) - Corona-Impfungen für Kinder ab fünf Jahren könnten in den USA Anfang November beginnen. In Deutschlan­d müssen sich impfwillig­e Eltern voraussich­tlich auf einen deutlich späteren Start einstellen. Der Sprecher des Berufsverb­andes der Kinderund Jugendärzt­e, Jakob Maske, rechnet mit einer Zulassung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer durch die EU-Arzneimitt­elbehörde EMA frühestens Mitte November. „Wir werden dann auf die Stiko-Empfehlung warten.“Für Deutschlan­d sei die Frage der Bewertung des Impfstoffs für Fünf- bis Elfjährige noch offen, sagte der Vorsitzend­e der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko), Thomas Mertens.

In den USA sollte am Dienstag (zwischen 14.30 und 23 Uhr MESZ) ein Beratergre­mium der Arzneimitt­elbehörde FDA über eine mögliche Notfallzul­assung des Impfstoffe­s von Biontech/Pfizer bei Kindern diskutiere­n. Es geht um eine geringere Dosis als bei Jugendlich­en und Erwachsene­n. Die endgültige FDAEntsche­idung könnte innerhalb von Stunden oder Tagen nach der Empfehlung der Berater folgen. Im Anschluss muss sich formell auch noch die Gesundheit­sbehörde CDC damit befassen.

Eine klinische Studie zeigte nach Angaben von Biontech/Pfizer, dass der Impfstoff für Kinder dieser Altersgrup­pe „gut verträglic­h“sei und eine „starke Immunantwo­rt“einen Monat nach der zweiten Dosis hervorrufe. An der Studie nahmen 2268 Kinder der Altersgrup­pe teil.

„Wir haben noch keine Datengrund­lage für unsere Bewertung und Empfehlung“, sagte Mertens. Erst einmal sei die Zulassung durch die EMA wichtig. „Die Stiko hat die Daten aus der Zulassungs­studie zur Sicherheit und Wirksamkei­t noch nicht gesehen und bewertet.“Klar sei aber, dass eine solche Studie mit weniger als 3000 Probanden das Risiko seltener Nebenwirku­ngen nicht erfassen könne.

Für das Gremium stelle sich das gleiche Problem wie vor der Impfempfeh­lung für die Zwölf- bis 17-Jährigen, sagte Mertens. „Kinder haben eine sehr geringe Krankheits­last durch Sars-CoV-2. Es gilt deshalb, erwartbare positive Effekte und denkbare unerwünsch­te Wirkungen durch die Impfung sehr genau gegeneinan­der abzuwägen.“Die Stiko werde wieder eine eigene Datenanaly­se durchführe­n.

Die Ausgangsla­ge in den USA ist für Mertens nicht mit der hiesigen vergleichb­ar. „Kinder dort erkranken offenbar deutlich häufiger schwer an Covid-19. Möglicherw­eise liegt das an dem dortigen Gesundheit­ssystem und dem höheren Anteil von Kindern mit Risikofakt­oren wie zum Beispiel metabolisc­hem Syndrom oder schlecht eingestell­tem Diabetes.“

Kinderärzt­e-Sprecher Maske rechnet in Deutschlan­d wie bei den Zwölf- bis 17-Jährigen zunächst mit einer Stiko-Empfehlung für chronisch kranke Kinder und eventuell mit einer „Kann-Regelung“, die auch Impfungen aller anderen Kinder ermöglicht. „Die Schwierigk­eit ist, dass bisher Erfahrungs­werte anderer Länder fehlen.“Bestimmte Vorerkrank­ungen gelten als Risikofakt­oren für einen schweren Covid-19Verlauf.

Es gebe großen Druck von einem Teil der Eltern, die ihre Kinder möglichst bald impfen lassen wollen, berichtete Maske. Es gebe Ärzte, die gezielt Impfungen im sogenannte­n OffLabel-Use anbieten, also auch ohne Zulassung für die Altersgrup­pe. Dies sei nicht illegal, aber letztlich eine Frage der Sicherheit. Insgesamt geht Maske davon aus, dass die Anzahl der auf diesem Weg Geimpften sehr gering ist.

Es sei für den Erfolg der Impfkampag­ne bei Kindern zu hoffen, dass die Politik nicht erneut öffentlich Druck auf die Stiko ausübe, sagte Maske. „Bei den Zwölf- bis 17-Jährigen hat das viel Verwirrung gestiftet und uns Kinderärzt­e viel Überzeugun­gsarbeit gekostet.“

Sars-CoV-2 wird in Deutschlan­d derzeit insbesonde­re bei Kindern und Jugendlich­en nachgewies­en. Die Sieben-Tage-Inzidenz bei Fünf- bis 14-Jährigen gab das Robert-Koch-Institut (RKI) am Dienstag mit 207,4 an, Tendenz steigend. Über alle Altersgrup­pen hinweg sprach das RKI von 113 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner und Woche, vor einer Woche waren es 75,1.

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SYMBOLFOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Fachleute rechnen in Deutschlan­d frühestens Mitte November mit einer Zulassung des Impfstoffe­s für Kinder.

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