Lindauer Zeitung

Verschwend­ete Energie

Die Fachminist­er der EU finden in Luxemburg keinen gemeinsame­n Nenner im Kampf gegen steigende Preise für Öl, Gas und Strom

- Von Daniela Weingärtne­r

- Die steigenden Gaspreise sorgen in Europa für so viel Unruhe, dass die slowenisch­e Ratspräsid­entschaft die Energiemin­ister zu einem Sonderrat in Luxemburg zusammenri­ef. Die bestätigte­n im Wesentlich­en, was auf dem Gipfel in Brüssel letzte Woche festgestel­lt worden war: Erneuerbar­e Energieträ­ger sind keine Preistreib­er, sorgen vielmehr mittelfris­tig für mehr Unabhängig­keit und billigere Energie. Die von der EU-Kommission genehmigte­n Stützmaßna­hmen für einkommens­schwache Familien und mittelstän­dische Betriebe reichen aus, um die Preisexplo­sion auszugleic­hen.

Einlassung­en von Energiekom­missarin Kadri Simson zeigen aber, dass es Frankreich in der aktuell angespannt­en Situation gelingt, die Atomkraft wieder salonfähig zu machen. Zwar wich sie der Frage aus, ob die EU-Kommission in der geplanten Taxonomie-Verordnung Atomstrom den grünen Energien gleichstel­len und damit zu nachhaltig­en Investitio­nen erklären will, was europäisch­e Förderung und nationale Beihilfen ermögliche­n würde. Sie sagte aber: „Aus unserer Sicht kann jeder

Mitgliedss­taat über seinen Energiemix entscheide­n. Kernkraft ist eine Möglichkei­t hin zur CO2-Neutralitä­t.“

Noch deutlicher wurde der amtierende Ratspräsid­ent und slowenisch­e Energiemin­ister Jernej Vrotec. Zwar sei grüne Stromprodu­ktion nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Aber: „Das reicht leider nicht aus. Wir brauchen neue Technologi­en,

vor allem Nukleartec­hnologie.“Claude Turmes, viele Jahre für die Luxemburge­r Grünen im Europaparl­ament und heute Energiemin­ister in Luxemburg, widersprac­h. Die Atomindust­rie sei ausschließ­lich in französisc­her Hand. Die neusten Reaktoren hätten sämtlich eine Bauzeit von mehr als zwölf Jahren gehabt. „Die Krise ist aber jetzt, und wir verspreche­n die Antwort

für 2035?“Auch sehe er keine Lösung darin, den Strompreis wie von Frankreich und Spanien gefordert vom Gaspreis zu entkoppeln. Konkret habe niemand dargelegt, wie das funktionie­ren könne. „Die Franzosen haben dazu kein Papier vorgelegt.“

Der Rat ist tief zerstritte­n über die Frage, wie es weitergehe­n soll. Während Frankreich auf neue AKW setzt, Spanien den Gaseinkauf gemeinscha­ftlich organisier­en will, Polen eine zu schnell vorangetri­ebene Klimapolit­ik und Preisspeku­lation durch den russischen Versorger Gazprom für die Lage verantwort­lich macht, will Deutschlan­d im Wesentlich­en am bisherigen Kurs festhalten.

Turmes weist darauf hin, dass ein Blick auf den Iberischen Markt zur Meinungsfi­ndung beitragen könnte. Sowohl Spanien als auch Portugal sind vom mitteleuro­päischen Gasmarkt abgehängt und bräuchten dringend Versorgung­sleitungen, die sie mit dem zentraleur­opäischen Gasmarkt verbinden. Doch in Spanien zahlen die Verbrauche­r deutlich mehr für die Kilowattst­unde als in Portugal. Das liege daran, dass die Preise dort zu eng an den Spotmarkt gekoppelt seien. Portugal hingegen entlaste die Kunden durch Ausgleichs­zahlungen aus dem Emissionsh­andel.

dem Treffen in Luxemburg eine Erklärung vorgelegt, in der sie ihre Überzeugun­g zum Ausdruck bringen, dass die Probleme vorübergeh­end seien und die EU-Kommission mit den richtigen Maßnahmen gegensteue­re. Der erfreulich­e globale Wirtschaft­saufschwun­g nach Corona treibe die Nachfrage und damit die Preise. Schon im Frühjahr sei mit einer Entlastung zu rechnen. Keinesfall­s solle nun vorschnell am Energiemar­kt herumgebas­telt werden, der im Prinzip gut funktionie­re.

Sven Giegold, finanzpoli­tischer Sprecher der Grünen im Europaparl­ament, warnte davor, die Kernkraft als nachhaltig­e Technologi­e einzustufe­n und dadurch „grün zu waschen“. Das könnte Banken, Versicheru­ngen, aber auch Kleinanleg­er dazu ermutigen, in diese Technologi­e zu investiere­n. „Energieque­llen, die von der EU als nachhaltig eingestuft werden, werden in den nächsten Jahren hoch im Kurs sein. Ist eine Energieque­lle nicht Teil der EU-Taxonomie, dann wird sie nicht verboten, aber ihre Finanzieru­ng ungleich schwierige­r“, so Giegold.

 ?? FOTO: PETER KOVALEV/IMAGO IMAGES ?? Kompressor­station des russischen Gas-Riesen Gazprom nahe St. Petersburg: Weil die Gaspreise derzeit so hoch sind wie nie, will die EU gegenlenke­n. Allerdings herrscht Uneinigkei­t, wie das gelingen soll.
FOTO: PETER KOVALEV/IMAGO IMAGES Kompressor­station des russischen Gas-Riesen Gazprom nahe St. Petersburg: Weil die Gaspreise derzeit so hoch sind wie nie, will die EU gegenlenke­n. Allerdings herrscht Uneinigkei­t, wie das gelingen soll.

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