Verschwendete Energie
Die Fachminister der EU finden in Luxemburg keinen gemeinsamen Nenner im Kampf gegen steigende Preise für Öl, Gas und Strom
- Die steigenden Gaspreise sorgen in Europa für so viel Unruhe, dass die slowenische Ratspräsidentschaft die Energieminister zu einem Sonderrat in Luxemburg zusammenrief. Die bestätigten im Wesentlichen, was auf dem Gipfel in Brüssel letzte Woche festgestellt worden war: Erneuerbare Energieträger sind keine Preistreiber, sorgen vielmehr mittelfristig für mehr Unabhängigkeit und billigere Energie. Die von der EU-Kommission genehmigten Stützmaßnahmen für einkommensschwache Familien und mittelständische Betriebe reichen aus, um die Preisexplosion auszugleichen.
Einlassungen von Energiekommissarin Kadri Simson zeigen aber, dass es Frankreich in der aktuell angespannten Situation gelingt, die Atomkraft wieder salonfähig zu machen. Zwar wich sie der Frage aus, ob die EU-Kommission in der geplanten Taxonomie-Verordnung Atomstrom den grünen Energien gleichstellen und damit zu nachhaltigen Investitionen erklären will, was europäische Förderung und nationale Beihilfen ermöglichen würde. Sie sagte aber: „Aus unserer Sicht kann jeder
Mitgliedsstaat über seinen Energiemix entscheiden. Kernkraft ist eine Möglichkeit hin zur CO2-Neutralität.“
Noch deutlicher wurde der amtierende Ratspräsident und slowenische Energieminister Jernej Vrotec. Zwar sei grüne Stromproduktion nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Aber: „Das reicht leider nicht aus. Wir brauchen neue Technologien,
vor allem Nukleartechnologie.“Claude Turmes, viele Jahre für die Luxemburger Grünen im Europaparlament und heute Energieminister in Luxemburg, widersprach. Die Atomindustrie sei ausschließlich in französischer Hand. Die neusten Reaktoren hätten sämtlich eine Bauzeit von mehr als zwölf Jahren gehabt. „Die Krise ist aber jetzt, und wir versprechen die Antwort
für 2035?“Auch sehe er keine Lösung darin, den Strompreis wie von Frankreich und Spanien gefordert vom Gaspreis zu entkoppeln. Konkret habe niemand dargelegt, wie das funktionieren könne. „Die Franzosen haben dazu kein Papier vorgelegt.“
Der Rat ist tief zerstritten über die Frage, wie es weitergehen soll. Während Frankreich auf neue AKW setzt, Spanien den Gaseinkauf gemeinschaftlich organisieren will, Polen eine zu schnell vorangetriebene Klimapolitik und Preisspekulation durch den russischen Versorger Gazprom für die Lage verantwortlich macht, will Deutschland im Wesentlichen am bisherigen Kurs festhalten.
Turmes weist darauf hin, dass ein Blick auf den Iberischen Markt zur Meinungsfindung beitragen könnte. Sowohl Spanien als auch Portugal sind vom mitteleuropäischen Gasmarkt abgehängt und bräuchten dringend Versorgungsleitungen, die sie mit dem zentraleuropäischen Gasmarkt verbinden. Doch in Spanien zahlen die Verbraucher deutlich mehr für die Kilowattstunde als in Portugal. Das liege daran, dass die Preise dort zu eng an den Spotmarkt gekoppelt seien. Portugal hingegen entlaste die Kunden durch Ausgleichszahlungen aus dem Emissionshandel.
dem Treffen in Luxemburg eine Erklärung vorgelegt, in der sie ihre Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass die Probleme vorübergehend seien und die EU-Kommission mit den richtigen Maßnahmen gegensteuere. Der erfreuliche globale Wirtschaftsaufschwung nach Corona treibe die Nachfrage und damit die Preise. Schon im Frühjahr sei mit einer Entlastung zu rechnen. Keinesfalls solle nun vorschnell am Energiemarkt herumgebastelt werden, der im Prinzip gut funktioniere.
Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, warnte davor, die Kernkraft als nachhaltige Technologie einzustufen und dadurch „grün zu waschen“. Das könnte Banken, Versicherungen, aber auch Kleinanleger dazu ermutigen, in diese Technologie zu investieren. „Energiequellen, die von der EU als nachhaltig eingestuft werden, werden in den nächsten Jahren hoch im Kurs sein. Ist eine Energiequelle nicht Teil der EU-Taxonomie, dann wird sie nicht verboten, aber ihre Finanzierung ungleich schwieriger“, so Giegold.