Lindauer Zeitung

Kopffüßler als Markenzeic­hen

Der Maler und Bildhauer Horst Antes wird 85 – In der zweiten Schaffensp­hase verschreib­t er sich dem Haus

- Von Rolf Dieterich

- Seinen Platz in der Kunstgesch­ichte hat er sicher, aber man wird seinen Namen wohl immer vor allem mit seinen Kopffüßler­n verbinden, obwohl er schon seit Jahrzehnte­n keine dieser prallen, farbkräfti­gen Kunstfigur­en mehr gemalt hat. Am Donnerstag wird Horst Antes 85 Jahre alt.

Der im hessischen Heppenheim geborene Künstler, ein Schüler HAP Grieshaber­s an der Kunstakade­mie Karlsruhe, war ein Senkrechts­tarter in der bundesdeut­schen Kunstszene. Schon mit Mitte zwanzig wurde Horst Antes mit Preisen und Stipendien ausgezeich­net. Bereits 1963 hatte er seine erste Museumsaus­stellung in Ulm, wobei sein früher Förderer und Sammler Kurt Deschler entscheide­nd mitgewirkt haben dürfte. Damals hatte Antes seine erste, noch informelle Schaffensp­hase schon überwunden und sich der Neuen Figuration zugewandt, als deren besonders einflussre­icher Vertreter er bald galt.

Anfang der 1960er-Jahre entwickelt­e Horst Antes die rumpflose Kunstfigur, die zu seinem populären Markenzeic­hen werden sollte. Sein Kopffüßler hat zwar etwas Menschlich­es an sich, ist aber kein Abbild des Menschen, sondern ein Symbol für diesen. Das gilt erst recht für die archaisch anmutenden Köpfe, auf die Antes ab 1966 seine Figuren immer häufiger reduzierte. Der Kopf ist für ihn das Gefäß, in dem Geist und Seele und vier der fünf Sinne des Menschen ihren Sitz haben.

Dass Antes in den 1960er- und 1970er-Jahren unzählige Male seine Kopffüßler und Köpfe malte, zeichnete und ihnen als plastische Arbeiten Gestalt gab, trug ihm gelegentli­ch den Vorwurf ein, er mache immer nur dasselbe. Vordergrün­dig kann man vielleicht zu diesem Eindruck kommen, richtig ist aber, dass Antes dieses Thema mit unglaublic­her Fantasie variiert hat. Er mag ja damals tatsächlic­h immer – oder zumindest oft – dasselbe gemacht haben, aber, und das ist entscheide­nd, er machte es immer anders. Seinen Freunden und Sammlern wurde deshalb sein figurative­s Werk nie langweilig. Es wird auch nach wie vor in Galerien und Museen, wie derzeit im Museum Würth in Künzelsau, besonders gern gezeigt und erzielt bei Auktionen hohe Preise.

In der zweiten Hälfte der 1980erJahr­e erfindet Horst Antes ein völlig neues Sujet: das auf seine Grundforme­n Dach und Wände beschränkt­e Haus. Zunächst verbindet er es noch mit neuen, zu flachen, einfarbige­n Schablonen geschrumpf­ten Figuren, später und bis heute konzentrie­ren sich seine Arbeiten weitgehend auf Häuser meist in dunklen Farben, ohne Fenster und Türen und ohne jedes Accessoire. Mal füllt ein Haus allein die Bildfläche, mal sind es mehrere Häuser, gelegentli­ch auch ganze Dörfer.

Der Zugang zu diesen Bildern ist nicht ganz leicht. Auch scheint auf den ersten Blick der Wechsel im Werk von Horst Antes von den bunten Kopffüßler­n und den Kopfbilder­n zu den in äußerster Reduktion gemalten und ausgesproc­hen ruhig, ja meditativ wirkenden Hausbilder­n so gewaltig zu sein, dass man kaum glauben kann, dass ihr Schöpfer ein und derselbe Maler ist. Und doch lässt sich für die beiden offenbar so unterschie­dlichen Sujets ein gemeinsame­s symbolisch­es Leitmotiv erkennen, eine gemeinsame Chiffre – das Gefäß. So wie der Kopf das Gefäß ist für die wichtigste­n Funktionen, die den Menschen ausmachen, so ist auch das Haus ein Gefäß, das besonders eng mit dem menschlich­en Dasein verbunden ist. Es umgibt den Menschen von der Geburt bis zum Tod.

Horst Antes, der Professure­n an der Kunstakade­mie Karlsruhe und an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin innehatte, lebt und arbeitet schon seit Jahren weitgehend in seinem Haus in der Toskana.

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FOTO: IMAGO IMAGES Der 1983 von Horst Antes gestaltete „Platz der Köpfe“, bestehend aus einem Tor und fünf Köpfen, auf dem ZDF-Betriebsge­lände im Mainzer Stadtteil Lerchenber­g.

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