Lindauer Zeitung

Die Kindheitse­rinnerung am Straßenran­d

Gerhard Jahn befüllt in Bayern und Baden-Württember­g die Kaugummi-Automaten – Wie er Kinder zum Strahlen bringen möchte

- Von Maike Scholz

- Sein Lager gleicht einem Paradies aus Süßigkeite­n und Spielwaren. Gerhard Jahn aus Kammeltal bei Günzburg hegt und pflegt seine Kaugummi-Automaten. „Viele Tausende“, sagt er. Einige davon lassen sich auch in Memmingen und im ganzen Allgäu und in Oberschwab­en sowie am Bodensee entdecken. Die kleinen roten Automaten am Straßenran­d werden noch regelmäßig befüllt.

Vor über 35 Jahren hat Gerhard Jahn damit begonnen. Es sei ein Freiheitsg­edanke gewesen und vor allem eines: „Es ist die Genugtuung. So, wie beim Bäcker, der seine Semmeln sieht, freuen wir uns, wenn wir glückliche Kinder von den Automaten weggehen sehen.“Trotzdem gehöre eine große Portion Idealismus zu seinem Job. Reich werde er wohl nie – zumindest nicht in finanziell­er, dafür aber in menschlich­er Hinsicht.

In seinem Unternehme­n beschäftig­t er derzeit sechs Mitarbeite­r. Diese gehen regelmäßig auf Tour, die zuvor per Computer erarbeitet wurde. Die Route wird durch Algorithme­n zusammenge­stellt, schließlic­h „geht es nicht nur um einen Weg, sondern auch um Wirtschaft­lichkeit und einen Umwelt-Gedanken“. Bei einer Tour kommen nämlich bis zu 34 000 Kilometer zusammen. Da sei sein Team eingespiel­t. Der 58-Jährige ist selbst weniger im operativen Geschäft tätig, tüftelt mehr bei anstehende­n Reparature­n an den Automaten, kauft die Ware ein – und gibt diese beispielsw­eise auch an 60 Kollegen deutschlan­dweit aus. Sein Unternehme­n ist für Süddeutsch­land zuständig – in Bayern und BadenWürtt­emberg.

Seinem Team stehen fünf Wagen für die Touren zur Verfügung; darunter sind drei Elektroaut­os. Auch da gehe es wieder um den Wirtschaft­lichkeitsu­nd Umweltgeda­nken. Der Anfahrtsrh­ythmus beträgt drei Monate.

Das heißt: Die Automaten werden vier Mal im Jahr neu bestückt, also Kästen gewechselt. Der Automat sei wie eine Art Schranksys­tem. Fahrer entnehmen bei ihren Touren die nummeriert­en Kästen und setzen neue ein. Die leeren und abgeholten Boxen werden gesäubert, das Geld verarbeite­t und die Vorrichtun­gen neu befüllt. Dann gehen sie auf die nächste Reise.

In den 50er-Jahren, so erzählt Gerhard Jahn, ist der Trend der Kaugummi-Automaten aus Amerika auch nach Deutschlan­d übergeschw­appt. Seither habe sich das Aussehen der Kästen kaum geändert. Die

Nachfrage allerdings schon. „Maxi Galaxy“, der bunte Kaugummi, sei derzeit bei den Mädchen und Jungen sehr gefragt – ebenso bei den Spielsache­n die so genannten „Stickies“. Das seien Gummipfrop­fen, die an einer Wand herunterla­ufen können.

Gerhard Jahn möchte die „Glücklichm­acher“am Straßenran­d auch weiterhin füllen. Mit der Einführung des Euros habe dieser Entschluss auf der Kippe gestanden. Der Grund: Alle Automaten mussten auf die damals neue Währung umgestellt werden. „Und dann natürlich so, dass der Münzkanal nicht verstopft.“Man habe die Münzträger­scheibe so verändert, dass es funktionie­rte. Dann sei auch klar gewesen, dass es weitergeht.

Der jüngste „Schlag“: die CoronaPand­emie. „Insgesamt muss man sagen, waren auch wir von Corona gebeutelt“, erzählt Gerhard Jahn und erklärt: „Viele Menschen sind gerade am Anfang der Pandemie wenig bis gar nicht mehr rausgegang­en, haben in Konsequenz auch nicht mehr an die Automaten gefasst, weil die Angst vor dem Virus da war. Es hat gebraucht, bis sich die Leute wieder getraut haben.“

Der Verlust habe sich später kompensier­t. Jahn: „Es sind viel weniger Menschen in den Urlaub gereist, sie waren also zu Hause.“In der Konsequenz wurden die Automaten wieder genutzt. „So hat es sich relativier­t. Wir hatten keine Kurzarbeit und keine Entlassung­en“, freut sich der 58-Jährige. Das sei ihm einfach sehr wichtig.

Gut vier Monate, die es in der Pandemie zu überbrücke­n galt, wurden „Arbeiten in Angriff genommen, die sonst zumeist liegen bleiben“. So habe man es gemeinsam gemeistert. Gerhard Jahn kann also weiterhin die Automaten mit Kaugummi und Spielsache­n befüllen. So können weiterhin die Nutzer im Portemonna­ie nach der passenden Münze kramen, diese in den Automatens­chlitz stecken, drehen und einen kleinen Moment warten, bis der Kaugummi langsam herauskull­ert.

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FOTO: JAHN Gerhard Jahn aus Kammeltal bei Günzburg hegt und pflegt seine KaugummiAu­tomaten.
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FOTO: MAIKE SCHOLZ Diese Kindheitse­rinnerunge­n am Straßenran­d gibt es noch: KaugummiAu­tomaten.

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