Das Leben ist wie eine Avocado
Die Moden kommen und gehen. Trägt der eine heute wallende Schlaghosen, quietscht es beim anderen vor lauter knatschenger Körperbetonung nur so in den Körperregionen, wo bei Nutztieren der Schinken wächst. Und im Jahr drauf ist dann wieder alles anders. Auch die Länge von Röcken verhält sich je nach Saison jalousienartig und offenbart mehr, als er bedecken soll. Oder aber er reicht vom Boden bis zu den Haarspitzen.
Dass auf dem Sektor der Nahrungsmittel modische Erscheinungen für einen Zyklus der Abwechslung
sorgen, ist dann auch keine Überraschung mehr. Eventuell aber der Umstand, dass selbst Gemüse davon erfasst wird. Kamen Champignons in den guten alten 1980er-Jahren vorwiegend in Büchsen auf den Markt, musste der Konsument von damals zwangsläufig denken, jene Pilzsorte sei ein lichtscheues Produkt aus den Kellern polnischer Labore. Doch diese Irrtümer sind durch die Vielfalt in Wochen- und Supermärkten gänzlich ausgeräumt.
Fragen bleiben eigentlich nur noch bei der Avocado. Diese Ölfrucht ist aufgrund der Tatsache, dass man eigentlich nie den idealen Zeitpunkt der Reife erwischt, äußerst geheimnisvoll. Öffnet man sie zu früh, ist das Fleisch von gummiartiger Widerborstigkeit und schmeckt nach frisch gekautem Gras. Bricht man sie zu spät auf, hat faulige Vergänglichkeit die Frucht durch Gammel zersetzt. Leider ist ihr die Reife von außen je nach Sorte nur bedingt anzusehen. Und so kann man den philosophischen Schluss ziehen, dass das Leben wie eine Avocado ist: Man weiß nie, was man kriegt. (nyf)