Lindauer Zeitung

Angeschwei­ßt und abgesägt

Ortsschild­er sind beliebte Beute – Für die Gemeinden im Freistaat ist das teuer

- Von Jann Philip Gronenberg

STARNBERG/KOTZHEIM/FUGGING (dpa) - Manche müssen bei der Durchfahrt grinsen, andere halten an, um ein Foto zu schießen, und wiederum andere entdecken ihre kriminelle Seite: Orte wie Petting, Tittenkofe­n oder Kotzheim sind eine gern gesehene Ablenkung an grauen Straßen auf langen Autofahrte­n.

Im Internet gibt es zahlreiche Seiten, auf denen lustigste Ortsnamen zusammenge­stellt sind. Das führt so manchen Langfinger in Versuchung, die eigenen vier Wände mit Ortsschild­ern zu dekorieren. Doch auch Städte wie Starnberg werden immer wieder Opfer von Schilderdi­eben. So wie vor einigen Wochen, als dort vier Schilder in die Hände von Dieben geraten waren. Nach ihnen wird noch immer gesucht, sagt Polizeispr­echer Kai Motschmann.

Gestohlene Ortsschild­er sind ein altes Phänomen. „Diese berühmten „Freistaat-Bayern-Schilder“wurden ja schon in den Siebzigern geklaut“, erinnert sich Wilfried Schober, Pressespre­cher des bayerische­n Gemeindeta­gs. „Für die Gemeinde selbst ist das nicht lustig und eben auch teuer und ärgerlich.“Ein Ortsschild zu ersetzen kann eine Ortschaft neben Zeit auch gut 2000 Euro kosten. Für so manche Gemeinde eine beträchtli­che Summe.

Im oberpfälzi­schen Kotzheim wurden ebenfalls immer wieder

Ortsschild­er geklaut. Nach zwei Diebstähle­n hat man die Schrauben des Schilds verschweiß­t. Aufgehalte­n hat das den letzten Täter allerdings nicht. Kurzerhand wurde der gesamte Ständer abgesägt, um an das Objekt der Begierde zu kommen. „Das muss dann wirklich etwas ganz Besonderes sein“, sagt Alfred Stich, zwischen Belustigun­g und Fassungslo­sigkeit schwankend. Der Bauhofleit­er muss immer wieder zum Ortsausgan­g, wenn ein gelbes Schild einen weiteren Partykelle­r schmückt. „Dass die da wirklich hinfahren, weil sie es im Internet entdeckt haben und sich die Mühe machen, das Ding abzusägen“, führt bei ihm zu Unverständ­nis.

Rund drei Autostunde­n weiter südlich in Pups hat man genug. Das Schild an der Auffahrt zu einem Landwirtsc­haftsbetri­eb der Gemeinde Feldkirche­n-Westerham im Landkreis Rosenheim sorgt im Ort für dicke Luft. Nach zahlreiche­n Diebstähle­n hat man sich entschloss­en, den Ortshinwei­s nicht mehr aufzustell­en, wie Bürgermeis­ter Hans Schaberl bestätigt. Ein Luxus, den man in einer Ortschaft nicht hat. „Sie ist praktisch auch verantwort­lich für die Bezeichnun­g ihres Ortes auf der Straße“, erklärt Gemeindeta­gssprecher Schober. Das bringt die Gemeinden in Zugzwang. „Wenn es eben so massiv ist, dass es so ins Geld geht über Jahre, dann ist es sogar ratsam, dass man da den Namen ändert.“

So geschehen im beschaulic­hen oberösterr­eichischen Fucking, an der Grenze zu Bayern. Die kleine Ortschaft wurde das Ziel von internatio­naler Häme und Opfer von Schilderdi­eben. „Zwölf oder 13 Ortstafeln wurden uns schon gestohlen. Mittlerwei­le haben wir sie aber einbetonie­rt, angeschwei­ßt und vernietet“, wird der damalige Bürgermeis­ter der Gemeinde Tarsdorf, Franz Meindl, vor einigen Jahren noch in einem Beitrag des Österreich­ischen Rundfunks zitiert. Genützt hat das wenig. Zum 1. Januar 2021 gab man dem Druck nach und machte aus Fucking Fugging. Gemeindeta­gssprecher Schober merkt an: „Dann ist halt der Gag weg.“Die Umbenennun­g dürfte dabei die nervenscho­nendere Variante zum geklauten Lacher sein.

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FOTO: NICOLAS ARMER/DPA Auch das Ortsschild von Kotzheim in der Oberpfalz wurde schon mehrfach gestohlen.

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