Booster statt Lockdown
Bald keine harten Corona-Maßnahmen mehr möglich – Ampel setzt auf Impfkampagne
- Die Parteien der wahrscheinlichen Ampelkoalition haben am Mittwoch ein Zeichen gesetzt: Die „epidemische Lage nationaler Tragweite“läuft Ende November aus, Lockdowns, Schulschließungen oder Ausgangssperren sind damit vom Tisch. Die Länder erhalten allerdings Möglichkeiten, bis Ende März noch Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Kontaktdatenerfassung zu treffen. Was man zudem möglichst schnell verändern will, ist die Impfkampagne. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sieht Deutschland beim Impfen „noch lange nicht da, wo wir sein müssten“. Noch im November wolle die Ampel klären, wie diejenigen mit Corona-Impfungen erreicht werden könnten, die bisher falschen Informationen aufsäßen. Dies betreffe die Standardimmunisierung genauso wie die sogenannte Auffrischungsoder Booster-Impfung.
Wer soll eine Booster-Impfung bekommen?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine Auffrischung für alle, die mindestens 70 Jahre alt sind. Hintergrund: Laut Berliner Charité besteht bei 40 Prozent der über 70Jährigen sechs Monate nach der zweiten Dosis kaum noch Schutz. Aber auch für Pflegebedürftige und Pflegepersonal sowie Menschen mit geschwächtem Immunsystem, etwa Krebs-, Transplantations- oder Dialysepatienten, wird der Booster empfohlen. Dies solle frühestens sechs Monate nach der zweiten Dosis erfolgen. Verwendet werden sollen nur noch Biontech und Moderna. SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach meint dabei unter Hinweis auf eine neue Studie: „Wechseln wirkt am besten!“Also Moderna für bisher Biontech-Geimpfte, Biontech für Moderna-Geimpfte und Moderna für Johnson & Johnson (J&J)Geimpfte.
J&J ist dabei ein Sonderfall: Bei dem Vakzin soll ja eigentlich eine Dosis für die vollständige Immunisierung reichen, mit der Delta-Variante aber hat die Wirksamkeit deutlich nachgelassen. Auch die Zahl der Impfdurchbrüche ist überdurchschnittlich hoch. Weshalb laut Stiko unabhängig vom Alter alle, die vor mindestens vier Wochen J&J erhalten haben, einen Booster bekommen sollen. Wer einmal Astrazeneca und einmal Biontech erhielt, also eine sogenannte Kreuzimpfung, ist derzeit nicht für einen Booster vorgesehen.
Wer nicht unter die Stiko-Empfehlung fällt, kann sich trotzdem erneut impfen lassen – nach Beratung durch den Arzt. Bund und Länder haben ausdrücklich auch die Auffrischung für jeden, der das möchte, vorgesehen. Insbesondere für die, die komplett mit Astrazeneca geimpft wurden.
Hilft die Auffrischung tatsächlich?
Eine Studie aus Israel, die Daten von einer Million Senioren über 60 Jahren ausgewertet hat, zeigt, dass es bei zweifach Biontech-Geimpften mehr als zehnmal so viele Infektionen und knapp 20-mal mehr schwere Erkrankungen gegeben hat als bei dreifach Geimpften. Biontech selbst spricht davon, dass eine Drittimpfung für eine Wirksamkeit von über 95 Prozent sorge.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat die Pläne von SPD, Grünen und FDP im Bund zur künftigen Rechtslage in der CoronaPandemie kritisiert. Es gebe weiterhin eine „Notlage von internationaler Tragweite“, sagte der CSU-Politiker, der auch Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz ist. „Deshalb brauchen die Länder größtmögliche Flexibilität, um auf zunehmende Infektionszahlen reagieren zu können.“Es sei nicht sinnvoll, dass die Landtage künftig in ihrem Recht beschnitten werden sollten, selbst über eine epidemische Lage in ihrem Land zu entscheiden.
Auch der von den drei möglichen künftigen Koalitionspartnern genannte Termin für das Ende der
Wie viele Auffrischungen gibt es bereits?
Aktuell sind laut Robert-Koch-Institut (RKI) mehr als 1,6 Millionen Booster registriert. In Deutschland wohnen aber allein rund 13 Millionen Menschen, die mindestens 70 Jahre alt sind und die zumeist schon früh in diesem Jahr geimpft wurden.
Wenn ich mir trotz fehlender Stiko-Empfehlung einen Booster geben lasse – wer haftet bei eventuellen Schäden?
Das Bundesgesundheitsministerium verweist darauf, dass bei den Corona-Impfungen bundeseinheitlich ein
Corona-Lage müsse bezweifelt werden, sagte Holetschek. „Der Winter kommt. Die Infektionszahlen steigen. Die Pandemie bleibt unberechenbar. Ob sie am 20. März 2022 vorbei sein wird, weiß heute niemand.“
Um für die kommenden Monate gerüstet zu sein, müssten Bund und Länder dringend dort nachsteuern, „wo es brennt oder schnell brennen kann“, betonte Holetschek. So brauche es Ausgleichszahlungen für jene Kliniken, die wegen der Versorgung von Covid-19-Patienten erhebliche Belegungs- und damit Erlösrückgänge zu verzeichnen hätten. Zudem forderte der CSU-Politiker Steuerfreiheit für alle Zuschläge für Pflegekräfte. (dpa)
Anspruch auf Entschädigung durch den Staat für alle gesundheitlichen Schäden besteht – wenn ein zugelassenes Vakzin verwendet wurde. Das gelte auch für jede Auffrischungsimpfung.
Bayern-Star Joshua Kimmich will sich wohl erst impfen lassen, wenn es einen Totimpfstoff gibt. Was hat es damit auf sich?
Tatsächlich sind Totimpfstoffe, die abgetötete Krankheitserreger erhalten, der Klassiker unter den Vakzinen. Auf dieser Grundlage funktionieren etwa Impfstoffe gegen Diphtherie, Kinderlähmung oder Tollwut. Sie gelten als gut verträglich und könnten Skeptiker, die der neuen mRNA-Technologie von Biontech und Moderna misstrauen, überzeugen. Nur: Die bisher erhältlichen Corona-Totimpfstoffe aus China, im Westen nicht zugelassen, haben eine schlechte Schutzwirkung. Der Totimpfstoff des französisch-österreichischen Herstellers Valneva wiederum, der nach eigenen Angaben gut funktionieren soll, wird wohl nicht vor dem Frühjahr 2022 zugelassen werden.
Wer also auf ihn hofft, muss sich darauf einstellen, vorher angesteckt zu werden – mit unkalkulierbaren Folgen. Vielleicht aber wird Valneva in Zukunft eine ganz andere Rolle spielen: Der Chef der Sächsischen Impfkommission, Thomas Grünewald, nämlich geht davon aus, dass Valneva gerade im Hinblick auf mögliche neue Corona-Varianten ein vielversprechender Booster sein könnte.