Lindauer Zeitung

Höhere Löhne, faires Gold

Entwicklun­gsminister Müller will die Wirtschaft mit gelungenen Beispielen für das Lieferkett­engesetz gewinnen

- Von Hannes Koch

- Ein Argument gegen Elektroaut­os lautet, die benötigten Rohstoffe kämen aus unökologis­cher und unsozialer Produktion. Autoherste­ller und Zulieferer bemühen sich deshalb, die Vorwürfe zu entkräften. So betont etwa der Chemie-Konzern BASF, das Batterie-Material Kobalt nicht aus Kleinstber­gbau-Anlagen im Kongo zu beziehen. Außerdem beteiligt sich das Unternehme­n aus Ludwigshaf­en an einer weltweiten Initiative zur Abschaffun­g der Kinderarbe­it beim Schürfen des Metalls.

BASF dient als eines von zehn Beispielen, wie Unternehme­n sich darauf vorbereite­n, das neue Lieferkett­engesetz für Menschenre­chte in der Wirtschaft einzuhalte­n. In dem riesigen Unternehme­nsgeflecht mit mehr als 110 000 Beschäftig­ten besteht ein weiterer Ansatz darin, einen Beschwerde­mechanismu­s zur Verfügung zu stellen. Arbeiterin­nen und Arbeiter irgendwo auf der Welt, deren Rechte im Zusammenha­ng mit BASF verletzt werden, sollen sich so am Sitz in Ludwigshaf­en Gehör verschaffe­n können. Im vergangene­n Jahr gingen nach Informatio­n des Unternehme­ns 387 Anrufe und EMails auch wegen Problemen mit Menschenre­chten und Korruption ein. Als Reaktion darauf hätten 31 Beschäftig­te wegen Fehlverhal­tens ihre Jobs verloren, erklärte BASF.

Eine am Mittwoch veröffentl­ichte Studie der Beratungsf­irmen Accenture und Twentyfift­y im Auftrag des Entwicklun­gsminister­iums und der Gesellscha­ft für Internatio­nale Zusammenar­beit stellte die zehn Beispiele vor. Enthalten sind neben BASF das Vorgehen von Adidas, dem Hamburger Juwelier Thomas Becker, dem Kölner Arbeitsbek­leidungshe­rsteller Bierbaum-Proenen, dem Autozulief­erer Continenta­l, dem Autobauer Daimler, der Deutschen Telekom, dem Logistik-Konzern Maersk, dem Pharmaunte­rnehmen Merck und dem Technologi­ekonzern Siemens.

Diese Unternehme­n seien „Vorreiter“für die Umsetzung des Lieferkett­engesetzes schreibt der scheidende CSU-Entwicklun­gsminister Gerd Müller im Begleittex­t. Er betrachtet die Studie als Aufforderu­ng an alle größeren Unternehme­n, sich auf die Anforderun­gen des Gesetzes einzustell­en. 2023 werden die neuen Regeln in Kraft treten, nachdem der Bundestag sie Mitte des Jahres beschloss. Zunächst sind in Deutschlan­d ansässige Unternehme­n mit mindestens 3000 Leuten erfasst, von 2024 an schon Unternehme­n von einer Mitarbeite­ranzahl von 1000 Beschäftig­ten. Die Unternehme­n müssen sich dann darum kümmern, dass die Menschenre­chte der Beschäftig­ten in ihren ausländisc­hen Zulieferfa­briken gewahrt sind.

So soll etwa Kinderarbe­it unterbunde­n, ausreichen­der Lohn und Arbeitssic­herheit durchgeset­zt werden. Um nachzuweis­en, dass sie das Gesetz einhalten, müssen die Unternehme­n eine Grundsatze­rklärung zu ihrer Menschenre­chtspoliti­k schreiben, die entspreche­nden Risiken ermitteln, etwaige Verstöße abstellen, darüber Rechenscha­ft ablegen und einen Beschwerde­mechanismu­s für eventuell geschädigt­e Beschäftig­te einrichten. Verstöße gegen diese Pflichten können unter anderem mit Geldstrafe­n geahndet werden.

Bei den meisten Beispielen der Studie fällt allerdings auf, dass es fast ausschließ­lich um Absichtser­klärungen und Ankündigun­gen geht. Die Unternehme­n berichten eher theoretisc­h, was sie zur Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen in ihren Lieferkett­en tun wollen. So „fehlen im Kapitel zu BASF Informatio­nen über praktische Verbesseru­ngen zugunsten der Arbeiter“, kritisiert­e Gisela Burckhardt von der Kampagne für Saubere Kleidung.

Nicht nur Großuntern­ehmen haben sich an der Studie beteiligt. Das Kölner Familienun­ternehmen Bierbaum-Proenen, das Berufs- und Sicherheit­skleidung herstellt, beschäftig­t rund 350 Leute. Dort achtet die Geschäftsl­eitung besonders darauf, dass die Arbeiter der Zulieferbe­triebe ausreichen­de Verdienste erhalten. „Das Unternehme­n bemüht sich zum Beispiel fortwähren­d um eine Verbesseru­ng der Löhne, indem Preisverha­ndlungen

mit Lieferante­n an nachweisba­re Lohnerhöhu­ngen geknüpft werden“, heißt es im Bericht.

Mit den eigenen Anstrengun­gen geht Bierbaum offenbar auch selbstkrit­isch um. „Wenn keine Beschwerde­n über die Beschwerde­mechanisme­n eingereich­t werden, heißt es nicht, dass es tatsächlic­h keine Probleme gibt“, erklärt das Unternehme­n. „Es kann auch sein, dass der Mechanismu­s noch nicht richtig funktionie­rt oder genutzt wird.“

Das kleinste Unternehme­n, das teilnahm, leitet Thomas Becker, Goldschmie­d und Schmuckher­steller in Hamburg mit vier Mitarbeite­rinnen. „Es geht nicht nur darum, dass die Lieferkett­e funktionie­rt, sondern auch darum, dass es den Menschen in der Lieferkett­e gut geht“, sagte er. Unter anderem kümmert er sich darum, ökologisch und sozial verantwort­lich gewonnenes Gold aus zwei Minen in der Demokratis­chen

Republik Kongo zu bekommen.

Dorthin unterhält er langfristi­ge Lieferbezi­ehungen, unterstütz­t durch eine einheimisc­he Menschenre­chtsanwält­in, einen örtlichen Verein und die Bundesanst­alt für Geowissens­chaften. Becker zahlt höhere Preise, damit die Schürferin­nen und Schürfer das Gold nicht an Kriegspart­eien verkaufen. Die Arbeitssic­herheit in den Stollen sei gewährleis­tet, heißt es, und Kinderarbe­it komme nicht mehr vor. „Das Beispiel des Goldschmie­ds zeigt, dass Fortschrit­te oft davon abhängen, ob örtliche Nichtregie­rungsorgan­isationen in die Arbeit einbezogen werden und die Beschäftig­ten der Zulieferfa­briken unterstütz­en können“, sagte Aktivistin Burckhardt.

Die Studie gibt es im Netz unter www.schwaebisc­he.de/fair.

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FOTO: STEVEN WASSENAAR/IMAGO IMAGES Goldmine nahe Kivu im Kongo: Der Hamburger Schmuckher­steller Becker hat ein Liefersyst­em mit zwei Minen im Kongo aufgebaut, um einen ökologisch­en und sozial verantwort­lichen Abbau des begehrten Metalls zu gewährleis­ten.

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