Höhere Löhne, faires Gold
Entwicklungsminister Müller will die Wirtschaft mit gelungenen Beispielen für das Lieferkettengesetz gewinnen
- Ein Argument gegen Elektroautos lautet, die benötigten Rohstoffe kämen aus unökologischer und unsozialer Produktion. Autohersteller und Zulieferer bemühen sich deshalb, die Vorwürfe zu entkräften. So betont etwa der Chemie-Konzern BASF, das Batterie-Material Kobalt nicht aus Kleinstbergbau-Anlagen im Kongo zu beziehen. Außerdem beteiligt sich das Unternehmen aus Ludwigshafen an einer weltweiten Initiative zur Abschaffung der Kinderarbeit beim Schürfen des Metalls.
BASF dient als eines von zehn Beispielen, wie Unternehmen sich darauf vorbereiten, das neue Lieferkettengesetz für Menschenrechte in der Wirtschaft einzuhalten. In dem riesigen Unternehmensgeflecht mit mehr als 110 000 Beschäftigten besteht ein weiterer Ansatz darin, einen Beschwerdemechanismus zur Verfügung zu stellen. Arbeiterinnen und Arbeiter irgendwo auf der Welt, deren Rechte im Zusammenhang mit BASF verletzt werden, sollen sich so am Sitz in Ludwigshafen Gehör verschaffen können. Im vergangenen Jahr gingen nach Information des Unternehmens 387 Anrufe und EMails auch wegen Problemen mit Menschenrechten und Korruption ein. Als Reaktion darauf hätten 31 Beschäftigte wegen Fehlverhaltens ihre Jobs verloren, erklärte BASF.
Eine am Mittwoch veröffentlichte Studie der Beratungsfirmen Accenture und Twentyfifty im Auftrag des Entwicklungsministeriums und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit stellte die zehn Beispiele vor. Enthalten sind neben BASF das Vorgehen von Adidas, dem Hamburger Juwelier Thomas Becker, dem Kölner Arbeitsbekleidungshersteller Bierbaum-Proenen, dem Autozulieferer Continental, dem Autobauer Daimler, der Deutschen Telekom, dem Logistik-Konzern Maersk, dem Pharmaunternehmen Merck und dem Technologiekonzern Siemens.
Diese Unternehmen seien „Vorreiter“für die Umsetzung des Lieferkettengesetzes schreibt der scheidende CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller im Begleittext. Er betrachtet die Studie als Aufforderung an alle größeren Unternehmen, sich auf die Anforderungen des Gesetzes einzustellen. 2023 werden die neuen Regeln in Kraft treten, nachdem der Bundestag sie Mitte des Jahres beschloss. Zunächst sind in Deutschland ansässige Unternehmen mit mindestens 3000 Leuten erfasst, von 2024 an schon Unternehmen von einer Mitarbeiteranzahl von 1000 Beschäftigten. Die Unternehmen müssen sich dann darum kümmern, dass die Menschenrechte der Beschäftigten in ihren ausländischen Zulieferfabriken gewahrt sind.
So soll etwa Kinderarbeit unterbunden, ausreichender Lohn und Arbeitssicherheit durchgesetzt werden. Um nachzuweisen, dass sie das Gesetz einhalten, müssen die Unternehmen eine Grundsatzerklärung zu ihrer Menschenrechtspolitik schreiben, die entsprechenden Risiken ermitteln, etwaige Verstöße abstellen, darüber Rechenschaft ablegen und einen Beschwerdemechanismus für eventuell geschädigte Beschäftigte einrichten. Verstöße gegen diese Pflichten können unter anderem mit Geldstrafen geahndet werden.
Bei den meisten Beispielen der Studie fällt allerdings auf, dass es fast ausschließlich um Absichtserklärungen und Ankündigungen geht. Die Unternehmen berichten eher theoretisch, was sie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten tun wollen. So „fehlen im Kapitel zu BASF Informationen über praktische Verbesserungen zugunsten der Arbeiter“, kritisierte Gisela Burckhardt von der Kampagne für Saubere Kleidung.
Nicht nur Großunternehmen haben sich an der Studie beteiligt. Das Kölner Familienunternehmen Bierbaum-Proenen, das Berufs- und Sicherheitskleidung herstellt, beschäftigt rund 350 Leute. Dort achtet die Geschäftsleitung besonders darauf, dass die Arbeiter der Zulieferbetriebe ausreichende Verdienste erhalten. „Das Unternehmen bemüht sich zum Beispiel fortwährend um eine Verbesserung der Löhne, indem Preisverhandlungen
mit Lieferanten an nachweisbare Lohnerhöhungen geknüpft werden“, heißt es im Bericht.
Mit den eigenen Anstrengungen geht Bierbaum offenbar auch selbstkritisch um. „Wenn keine Beschwerden über die Beschwerdemechanismen eingereicht werden, heißt es nicht, dass es tatsächlich keine Probleme gibt“, erklärt das Unternehmen. „Es kann auch sein, dass der Mechanismus noch nicht richtig funktioniert oder genutzt wird.“
Das kleinste Unternehmen, das teilnahm, leitet Thomas Becker, Goldschmied und Schmuckhersteller in Hamburg mit vier Mitarbeiterinnen. „Es geht nicht nur darum, dass die Lieferkette funktioniert, sondern auch darum, dass es den Menschen in der Lieferkette gut geht“, sagte er. Unter anderem kümmert er sich darum, ökologisch und sozial verantwortlich gewonnenes Gold aus zwei Minen in der Demokratischen
Republik Kongo zu bekommen.
Dorthin unterhält er langfristige Lieferbeziehungen, unterstützt durch eine einheimische Menschenrechtsanwältin, einen örtlichen Verein und die Bundesanstalt für Geowissenschaften. Becker zahlt höhere Preise, damit die Schürferinnen und Schürfer das Gold nicht an Kriegsparteien verkaufen. Die Arbeitssicherheit in den Stollen sei gewährleistet, heißt es, und Kinderarbeit komme nicht mehr vor. „Das Beispiel des Goldschmieds zeigt, dass Fortschritte oft davon abhängen, ob örtliche Nichtregierungsorganisationen in die Arbeit einbezogen werden und die Beschäftigten der Zulieferfabriken unterstützen können“, sagte Aktivistin Burckhardt.
Die Studie gibt es im Netz unter www.schwaebische.de/fair.