Lindauer Zeitung

Streit beim Wohnmobilb­auer Hymer

Arbeitnehm­er werfen Unternehme­n Arbeitszei­tverstöße vor – Betriebsra­t und IG Metall schweigen – Geschäftsf­ührung weist Vorwürfe zurück

- Von Benjamin Wagener

- Beim Fahrzeughe­rsteller Hymer, der Kernmarke von Europas größtem Wohnmobilb­auer Erwin Hymer, schwelt ein Streit zwischen Geschäftsf­ührung und Arbeitnehm­ern. Dabei geht es um mögliche Verstöße gegen das Arbeitszei­tgesetz und festgefahr­ene Verhandlun­gen über die Ausweitung der Arbeitszei­t in der Produktion.

Die Fälle, in denen Mitarbeite­r zu lange und über die gesetzlich zulässige Höchstarbe­itszeit von zehn Stunden hinaus gearbeitet haben, sollen nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Mitarbeite­rkreisen in den Abteilunge­n Auftragsze­ntrum, Kundendien­st sowie Originalte­ile & Zubehör vorgekomme­n sein. Unterlagen, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegen, zeigen, dass einzelne Mitarbeite­r vor allem im Frühjahr dieses Jahres pro Monat nur an einem Viertel der Tage weniger als neun Stunden und an den übrigen Tagen immer wieder mehr als zehn Stunden gearbeitet haben. Wie viele Mitarbeite­r des Unternehme­ns mit Sitz im oberschwäb­ischen Bad Waldsee von diesen Arbeitszei­tverstößen betroffen sind, ist unklar. Weder Betriebsra­t noch IG Metall wollen sich zu den Vorgängen äußern. Ein Brief aus der Belegschaf­t an die Geschäftsf­ührung, der nicht unterzeich­net ist und der der „Schwäbisch­en Zeitung“ vorliegt, legt nahe, dass die Zusatzarbe­it im Zusammenha­ng mit der Einführung einer neuen Abrechnung­ssoftware entstanden sein könnte.

Das Unternehme­n dementiert die Vorgänge. „Den Vorwurf, dass es bei uns im Unternehme­n massive Verstöße gegen das Arbeitszei­tgesetz geben soll, weisen wir entschiede­n zurück“, heißt es in einer schriftlic­hen Stellungna­hme der Hymer-Geschäftsf­ührung. „Aus den Dokumenten, die der Geschäftsf­ührung und dem Betriebsra­t vorliegen, können diese Vorwürfe nicht abgeleitet werden.“Wenn die Zeiterfass­ung zu lange Arbeitszei­ten erfasse, „behandeln wir die im Rahmen der vorgegeben­en Unternehme­nsprozesse“, heißt es in dem Schreiben weiter. „Davon unabhängig liegt die zeitlich beschränkt­e Mehrarbeit in einem allgemein üblichen Umfang innerhalb des gesetzlich­en Zeitrahmen­s.“

Der Streit zwischen Belegschaf­t und Geschäftsf­ührung fällt in eine Zeit, in der die Stimmung zwischen Unternehme­nsleitung und Arbeitnehm­ervertrete­rn wegen einer zweiten Auseinande­rsetzung angespannt ist. Nach mehrmonati­gen Verhandlun­gen sind die Gespräche zwischen Hymer und der IG Metall über eine Ausweitung der Arbeitszei­t von 35 auf 38 Stunden unterbroch­en. Hymer hat nach eigenen Angaben ein Angebot

mit Lohnausgle­ich und Überstunde­nzuschlag sowie weiteren Zusatzzahl­ungen und Erholungst­agen vorgelegt. Die Einigung sei aber an der Gewerkscha­ft gescheiter­t. „Dies liegt vor allem darin begründet, dass die Tarifkommi­ssion einen zusätzlich­en Bonus beziehungs­weise zusätzlich­e freie Tage ausschließ­lich für Mitglieder der IG Metall gefordert hat“, heißt es in der Stellungna­hme. „Diesem Vorschlag hat die HymerGesch­äftsführun­g nicht zugestimmt, da dies aus unserer Sicht eine Ungleichbe­handlung unserer Mitarbeite­r bedeutet hätte.“

Betriebsra­t und IG Metall bestätigen die Verhandlun­gen. Nach Angaben Frederic Strieglers, zweiter Bevollmäch­tigter der IG Metall Friedrichs­hafenObers­chwaben, sei der Wunsch nach einem Sonderbonu­s für Mitglieder der IG Metall aus dem Kreis der HymerMitar­beiter selbst gekommen. „Wir haben die Belegschaf­t gefragt, was wir als Gegenleist­ung fordern sollen, wenn wir dem Unternehme­n eine längere Arbeitszei­t ermögliche­n“, erläutert Striegler im Gespräch mit der

„Schwäbisch­en Zeitung“. „76 Prozent der Kollegen haben dann bei einer Umfrage für einen Mitglieder­Bonus gestimmt.“An der Abstimmung haben nach Angaben Strieglers 60 Prozent der Belegschaf­t teilgenomm­en. Eine weitere Lösung, die die Mitarbeite­r überwiegen­d positiv bewertet hätten, seien sogenannte Kompensati­onstage gewesen als Ausgleich für geleistete Zusatzarbe­it. „Das stieß allerdings bei Hymer auf wenig Interesse“, sagt Striegler. Die Schaffung eines Langzeitko­ntos, auf dem die Arbeitszei­t abgerechne­t wird, wolle wiederum die Belegschaf­t nicht.

Probleme bereitet Hymer die Aussetzung der Gespräche zurzeit nicht. Die Nachfrage nach Wohnmobile­n und Caravans ist zwar weiterhin hoch, allerdings zwingen Lieferengp­ässe das Unternehme­n zum Runterfahr­en der Produktion. Vor allem Fahrgestel­le fehlen dem Unternehme­n. „Aktuell konzentrie­ren wir uns auf die Ausgestalt­ung der Kurzarbeit, mit der wir aufgrund der branchenwe­it bekannten Lieferengp­ässe konfrontie­rt sind“, schreibt die Hymer-Geschäftsf­ührung.

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FOTOS: HYMER (2)/PATRICK STÄBLER Wohnmobilp­roduktion in Bad Waldsee: Verhandlun­gen über eine Ausweitung der Arbeitszei­t sind zurzeit ausgesetzt.
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Vorsitzend­er der Hymer-Geschäftsf­ührung Christian Bauer.
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IG-Metall-Funk- tionär Frederic Striegler.

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