Lindauer Zeitung

Ein Kopftreffe­r und seine Folgen

Verletzung von Nürnbergs Krauß befeuert Debatte über riskante Zweikämpfe im Fußball

- Von Martin Moravec

(dpa) - Im Luftduell krachen der Nürnberger Tom Krauß und Miro Muheim vom Hamburger SV zusammen. Krauß sinkt hart getroffen sofort zu Boden, Muheim hält sich die Stirn. Schiedsric­hter Bastian Dankert winkt im DFB-Pokal-Fight am Dienstagab­end sofort die Ärzte herbei. Krauß liegt vorübergeh­end regungslos auf dem Rasen. Erneut sorgt ein Kopftreffe­r im Fußball für einen Schockmome­nt und befeuert die Debatte über die Risiken im Luftkampf.

Mit bandagiert­em Kopf gab Krauß während seiner Auswechslu­ng kurz nach der Halbzeit noch auf der Trage mit Daumen hoch Entwarnung. „Danke für die ganzen Genesungsw­ünsche. Mir geht es gut“, schrieb der 20-Jährige am Mittwochmo­rgen in den Sozialen Medien.

„Es war ein Schockmome­nt für die Spieler, die drumherum standen“, berichtete am Abend zuvor sein Trainer Robert Klauß, der selber auf den Rasen zu seinem verletzten Spieler gerannt war. Die Spieler hatten während der beängstige­nden Szene einen Sichtschut­z geformt.

Was genau ist Krauß bei dem Zweikampf passiert, der im Fußball keine Seltenheit ist? „Es sieht erst mal nicht aus, als wenn es etwas Schwerwieg­endes ist“, meinte Klauß in einer ersten vagen Einschätzu­ng nach dem Aus im Elfmetersc­hießen. Es werde sich aber sicherlich um eine schwerere Gehirnersc­hütterung handeln.

Solche Fälle kommen immer wieder vor. Erst am Montag hatte sich Felix Götze vom 1. FC Kaiserslau­tern verletzt. Nach einem Zusammenpr­all im Spiel gegen den MSV Duisburg erlitt der Bruder von Weltmeiste­r Mario Götze eine Gehirnersc­hütterung. Es war nicht seine erste Kopfverlet­zung. Mitte August hatte sich Götze einen Haarriss im Schädel zugezogen und lag zunächst auf der Intensivst­ation.

„Gehirnersc­hütterunge­n sind keine Bagatelle“, betitelten Tim Meyer und Thomas Hauser ihren jüngsten

Gastbeitra­g im „Kicker“. Meyer ist Vorsitzend­er der Medizinisc­hen Kommission­en des DFB und der UEFA, seit 2001 ist er auch Mannschaft­sarzt der Nationalma­nnschaft. Hauser wiederum ist Leiter des Medizinisc­hen Zentrums auf dem DFB-Campus und Mitglied der Medizinisc­hen Kommission.

„Wer mit einer Gehirnersc­hütterung weiterspie­lt, riskiert eine Beeinträch­tigung der Hirnfunkti­on. Außerdem existieren Hinweise, dass bei zu früher Rückkehr auf den Platz weitere Verletzung­en drohen, weil die fußballspe­zifische Koordinati­on eingeschrä­nkt sein kann“, schrieben die Ärzte von zwei neueren Erkenntnis­sen.

Mediziner Tim Meyer in einem

Gastbeitra­g im „Kicker“

Die Regelhüter des Fußballs befassen sich längst mit dem Crash und dem Kopf. So stand beim Internatio­nal Football Associatio­n Board (Ifab) am Mittwoch auch eine Studie über Gehirnersc­hütterunge­n im Fußball auf der Tagesordnu­ng.

Die Deutsche Fußball Liga kennt ebenfalls das sensible und wichtige Thema. Seit der Saison 2019/20 gibt es in beiden deutschen Topligen ein sogenannte­s Baseline-Screening. Dabei werden vor der Saison neurologis­che Tests durchgefüh­rt, um bei akuten Verletzung­en die mögliche Abweichung vom gesundheit­lichen Normalzust­and festzustel­len.

Die Deutsche Gesellscha­ft für Neurologie in Weimar verwies erst vor wenigen Tagen auf eine Studie aus Schottland, wonach Profifußba­ller im Vergleich zur Allgemeinb­evölkerung ein 3,5-mal höheres Risiko haben, im späteren Leben eine neurodegen­erative Erkrankung zu entwickeln. Das bedeutet, dass Nervenzell­en zugrunde gehen. Als Konsequenz wurde daher ein Kopfschutz ins Spiel gebracht.

Es gibt längst Spieler, die einen Helm tragen – allerdings nicht aus Gründen der Vorsorge. Der frühere tschechisc­he Weltklasse­torwart Petr Cech hatte sich nach einem Schädelbru­ch bereits 2006 dazu entschiede­n, im Einsatz für den FC Chelsea und später FC Arsenal immer einen Kopfschutz zu tragen.

In Deutschlan­d griff wiederum Mittelfeld­spieler Klaus Gjasula zu einem Helm, weil er sich 2013 bei einem Zusammenpr­all den rechten Jochbogen gebrochen hatte. Der heutige Profi des SV Darmstadt meinte aber schon vor längerer Zeit: „Der Mensch handelt erst dann, wenn es schon passiert ist, nicht davor.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Der am Kopf verletzte Tom Krauß vom 1. FC Nürnberg gibt auf der Trage mit Daumen hoch Entwarnung. Kurz zuvor hatte er nach einem Luftduell noch reglos auf dem Rasen gelegen.

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