Der Streit um die Inhalte bleibt
Die CDU hat sich dazu entschieden, ihren Parteivorsitzenden mittels einer Mitgliederbefragung zu bestimmen. Dies ist ein Signal an die rund 400 000 Mitglieder, dass ihre Meinung etwas zählt. Nach dem Debakel bei den Bundestagswahlen wäre es auch kaum vermittelbar gewesen, über den neuen Vorsitzenden in gewohnter Manier nur Parteitagsdelegierte abstimmen zu lassen. Viele an der Basis sind unzufrieden mit dem Spitzenpersonal. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass es Annegret KrampKarrenbauer und Armin Laschet nach dem Rückzug von Angela Merkel als Parteichefin nicht gelungen ist, der CDU ein überzeugendes und selbstbewusstes Gesicht zu geben.
Der frühere Fraktionschef Friedrich Merz wäre ein solches Gesicht. Auch der einstige Umweltminister Norbert Röttgen weist seit Monaten gerne darauf hin, dass er sich die Modernisierung der Partei zutraut. Doch weder Merz, Röttgen noch die anderen möglichen Bewerber Jens Spahn, Ralph Brinkhaus und Carsten Linnemann sind ein Garant für neue Geschlossenheit. Die Frage, ob sie per Mitgliederbefragung oder Delegiertenabstimmung gewählt werden, ist deshalb nur ein Nebenaspekt bei der Selbstfindung der CDU. Der Streit um den Kanzlerkandidaten hat lange verdeckt, dass vor allem Inhalte umstritten sind. Die Widersprüche, die sich in der Union auftun, sind so groß, dass sie sich auch nicht mit dem Hinweis auf ihr Selbstverständnis als Volkspartei abtun lassen.
Der Wähler will wissen, wofür eine Partei steht. Bei der Union ist das seit Jahren nicht mehr klar erkennbar – der Streit um die Flüchtlingspolitik war nur ein Beispiel. Die Liste ließe sich fortsetzen von der Klimapolitik über die Landwirtschaft bis hin zur modernen Mobilität. Während die einen CDU-Mitglieder einen klimapolitischen Kurs von morgen vertreten, verharren die anderen im Vorgestern. Diese Positionen zu einem gemeinsamen Kurs zu verbinden, muss die erste Aufgabe des neuen Vorsitzenden sein. Viel Zeit bleibt dafür mit Blick auf die Landtagswahlen im Saarland, in Nordrhein-Westfalen, SchleswigHolstein und Niedersachsen nicht.