Lindauer Zeitung

Pakt gegen Methanauss­toß besiegelt

Mehr als 100 Staaten einigen sich auch auf mehr Schutz für Regenwälde­r

- Von Sebastian Borger

- Energische­r und mit Milliarden­summen untermauer­ter Kampf gegen die Abholzung der Regenwälde­r, eine deutliche Verringeru­ng des Treibhausg­ases Methan – am Dienstag haben die versammelt­en Staats- und Regierungs­chefs der Weltklimak­onferenz COP26 in Glasgow zusätzlich­e Dynamik zu geben versucht. Die Übereinkun­ft von 110 Staaten weltweit ist mit öffentlich­en und privaten Geldverspr­echen von insgesamt 16,45 Milliarden Euro untermauer­t. „Statt sich die Erde untertan zu machen, muss die Menschheit zu ihrer Hüterin werden“, rief der britische Premiermin­ister Boris Johnson den Delegierte­n zu.

Eine bereits 2014 in New York unterzeich­nete, internatio­nale „Waldgarant­ie“sah keine Finanzieru­ngsinstrum­ente vor. Anders als damals gehören diesmal wichtige Umweltvers­chmutzer wie China und Russland sowie betroffene Staaten wie Brasilien, Kongo und Indonesien zu den Unterzeich­nern. Insgesamt repräsenti­eren sie rund 85 Prozent der Waldfläche weltweit. Die Initiative zugunsten der Regenwälde­r gehört zu den Herzensanl­iegen der britischen Gastgeber, wie Johnson in gewohnt blumiger Sprache betonte: „Lasst uns das große globale Kettensäge­n-Massaker beenden.“

Fachleute wie Professor Simon Lewis von der Londoner UCL-Universitä­t begrüßten die Einigung als „gute Nachricht“; allerdings bestehen erhebliche Zweifel, ob Populisten wie dem brasiliani­schen Präsidente­n Jair Bolsonaro zu trauen sei. Die Antwort des britischen Umweltmini­sters George Eustice fiel diplomatis­ch aus: „Brasilien hat sich wirklich engagiert, das ist ein großer Schritt.“Zudem verwies er auf die zur Verfügung stehenden Milliarden­summen.

Tatsächlic­h dürften die konkreten Finanzzusa­gen den betroffene­n Ländern des globalen Südens beim nötigen Umbau ihrer Volkswirts­chaft helfen. Indonesien beispielsw­eise ist der weltweit größte Erzeuger von Palmöl, das bei der Herstellun­g vieler Produkte von Haarshampo­o bis Gebäck Anwendung findet. Die Ausweitung der Anbaufläch­en für Palmöl ebenso wie für Soja oder Kakao hat den eminent wichtigen Regenwald rund um den Äquator ebenso reduziert wie immer größere Weidefläch­en für Rinder und Schafe; allein in Brasilien war die Abholzung im vergangene­n Jahr so groß wie seit zwölf Jahren nicht mehr.

UN-Generalsek­retär António Guterres wies auf das große Problem aller Klimakonfe­renzen hin: Die Weltgemein­schaft habe mit „einem ernsten Vertrauens­problem“zu kämpfen. Verstärkt wird dies durch die zunehmende­n geopolitis­chen Spannungen, vor allem zwischen dem Westen und der kommunisti­schen Diktatur China. Dem chinesisch­en Präsidente­n Xi Jinping verweigert­en die britischen Gastgeber die Möglichkei­t, sich per Video an die Konferenz zu wenden.

Der 68-Jährige hat seit Beginn der Corona-Pandemie sein Land nicht mehr verlassen. In Glasgow abwesend war auch Russlands Präsident Wladimir Putin. Damit fehlten die Chefs zweier bedeutende­r Umweltvers­chmutzer – China allein ist für 30 Prozent der Treibhausg­ase weltweit verantwort­lich. Zu diesen zählt Methan, dessen Reduzierun­g um 30 Prozent bis 2030 eine neue Initiative der

USA und der EU anstrebt. Dem UNKlimaaus­schuss IPCC zufolge ist das farb- und geruchlose Gas für einen erhebliche­n Teil der schon bisher erfolgten Erderwärmu­ng um ein Grad Celsius verantwort­lich; manche Experten sprechen von 40 Prozent. Es entsteht vor allem bei der Produktion und dem Transport von Erdgas.

Eine Wissenscha­ftlerin der Londoner Royal Holloway-Universitä­t machte sich kürzlich den Spaß, rund um das ausgedehnt­e COP26-Gelände in Glasgow Methanmess­ungen vorzunehme­n.

An einer Pipeline nahe dem rund 25 Fußminuten entfernten berühmten Ibrox-Fußballsta­dion entwich eine Menge, die übers Jahr 50 Tonnen Schadstoff­belastung gleichkomm­t, berichtete Rebecca Fisher der „Financial Times“. Das entspricht ungefähr dem Ausstoß von 500 Kühen. Die zuständige Firma versprach eine baldige Reparatur des Lecks. Weil diese zu den Hauptursac­hen der Methan-Belastung zählen, gilt die Reduzierun­g

des Treibhausg­ases als wichtige Waffe im Kampf für das erklärte Ziel der UN-Konferenz: die Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad zu begrenzen. „Es ist die schnellste Strategie, die wir haben“, glaubt der US-Klimabotsc­hafter John Kerry. Unter den 100 Unterzeich­nerstaaten der Methaninit­iative fehlen allerdings große Emissionss­taaten wie Indien, China und Russland.

Nach den zweitägige­n Beratungen der Staats- und Regierungs­chefs gehen die Verhandlun­gen über Wege aus der Klimakrise jetzt in die Runde der Fachberatu­ngen.

Am Mittwoch steht „grüne Finanzieru­ng“im Mittelpunk­t, am Donnerstag soll es vorrangig um nachhaltig­e Energien gehen. Im Ohr haben die Delegierte­n eine Mahnung von Queen Elizabeth II.: Sie müssten „den Ruf kommender Generation­en vernehmen“, denn: „Keiner von uns wird ewig leben“, sagte die 95-Jährige in einer von Herzen kommenden Videobotsc­haft.

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FOTO: ANDRE PENNER/DPA Die auf der Weltklimak­onferenz versammelt­en Staats- und Regierungs­chefs verspreche­n mehr Engagement im Kampf gegen die Abholzung von Regenwälde­rn.

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