Einschränkungen im Südwesten für Ungeimpfte
Baden-Württemberg wechselt wegen Intensivbettenbelegung in die Warnstufe – Auch andere Länder bereiten striktere Maßnahmen vor
- Das Leben für Ungeimpfte in Baden-Württemberg wird deutlich komplizierter: Die Zahl ihrer Kontakte ist wieder beschränkt und sie müssen vielerorts einen negativen PCR-Test vorweisen. Da ein kritischer Corona-Wert überschritten ist, wechselt das Land an diesem Mittwoch von der Basisin die nächsthöhere Warnstufe. Welche Regeln nun gelten und wie andere Länder mit der sich zuspitzenden Coronalage umgehen.
Warum tritt im Südwesten die Warnstufe in Kraft?
„Die erste kritische Marke ist erreicht, die Lage in den Krankenhäusern angespannt“, erklärt Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) am Dienstag. Konkret geht es um die Zahl der Intensivbetten in Südwest-Krankenhäusern, die mit Corona-Patienten belegt sind. Wenn diese an zwei Werktagen hintereinander bei mindestens 250 liegt, tritt die Warnstufe automatisch am folgenden Tag in Kraft. Ziel dabei ist es, das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu bewahren. Bereits am Freitag war der Wert mit 258 Covid-19-Patienten in Intensivbetten erstmals überschritten worden. Da Wochenenden und Feiertage wie Allerheiligen am Montag unbeachtet bleiben, löst die Intensivbelegungszahl vom Dienstag den Wechsel in die Warnstufe ab Mittwoch aus. Laut Landesgesundheitsamt wurden am Dienstag 284 Corona-Patienten im Land intensivmedizinisch behandelt.
Spielen auch andere Werte eine Rolle?
Neben der Intensivbettenbelegung kann die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz einen Sprung in die nächsthöhere Stufe auslösen – diese müsste aber an fünf statt nur an zwei Werktagen hintereinander einen kritischen Wert überschreiten. Gemeint ist hiermit die Zahl der Menschen pro 100 000 Einwohner, die innerhalb einer Woche wegen einer Corona-Infektion im Krankenhaus aufgenommen werden. Dieser Wert liegt landesweit aktuell bei 3,6 und ist damit noch ein Stück vom kritischen Wert 8,0 der Warnstufe entfernt. Die Sieben-Tage-Inzidenz, die lange bezogen auf den jeweiligen
Landkreis Maßstab für CoronaSchutzmaßnahmen war, hat keine Auswirkungen mehr. Diese liegt nach Angaben des Landesgesundheitsamts vom Dienstag bei 165,7 im Südwesten, in Bayern laut dortigem Landesgesundheitsamt bei 249,6. Für den Bund weist das RobertKoch-Institut am Dienstag eine Inzidenz von 153,7 aus.
Was ändert sich für Menschen, die weder genesen noch geimpft sind?
Für Ungeimpfte und Nichtgenesene gilt in Baden-Württemberg nun ein Bündel an Einschränkungen. Ein Haushalt darf sich nur noch mit maximal fünf weiteren Menschen treffen – das gilt auch für private Veranstaltungen wie Geburtstagsfeiern und Hochzeiten. Nicht mitgezählt werden Geimpfte, Genesene, Kinder unter 18 Jahren sowie Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Wer ins Theater, in die Oper, zum Konzert will oder an sonstigen Veranstaltungen im Inneren teilnehmen möchte, muss einen PCR-Test vorlegen. Ein Antigen-Schnelltest reicht als Nachweis nicht mehr aus. Gleiches gilt für die Besuche von Festen wie Betriebsoder Vereinsfeiern sowie von Messen und Ausstellungen in geschlossenen Räumen. Auch beim Besuch von Gaststätten, Freizeitparks, Schwimmbädern und Saunen ist nun ein PCR-Test nötig. Diese Testpflicht gilt auch ganz allgemein für den Hallensport und für Bildungsangebote im Inneren wie etwa VHSKurse. Im Gegensatz zum öffentlichen Verkehr wie Bus und Bahn gilt eine PCR-Testpflicht ab Mittwoch für touristische Angebote wie
Schiffsfahrten und Busreisen. Discos und Clubs sind nur noch für Geimpfte und Genesene zugänglich, für den Besuch von Bordellen ist ebenso ein PCR-Test nötig.
Gibt es jetzt andere Besuchsregeln für Krankenhäuser und Altenund Pflegeheime?
In der Warnstufe nicht. Ungeimpfte und nicht genesene Besucher müssen wie bisher einen Antigentest vorweisen, der nicht älter als 24 Stunden ist, oder einen PCR-Test, der bis zu 48 Stunden alt sein kann. Beschränkungen gibt es möglicherweise durch die Anzahl an Ungeimpften, die zeitgleich zu Besuch kommen (siehe oben).
Hat die Warnstufe Auswirkungen auf Schulen und Kitas?
In Kitas ändert sich nichts. An Schulen
gibt es nur minimale Verschärfungen in der Warnstufe – etwa was Abstände beim Singen betrifft. Erst wenn die Alarmstufe in Kraft tritt, werden die Regeln strikter. Dann gilt im Klassenraum auch wieder eine Maskenpflicht, wenn die Schüler am Platz sitzen.
Was passiert, wenn die Zahlen weiter steigen?
Dann steuert Baden-Württemberg auf die dritte und höchste Stufe der Schutzmaßnahmen zu: die Alarmstufe. Diese tritt automatisch in Kraft, wenn die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen im Land an zwei Werktagen in Folge mindestens bei 390 liegt. Gleiches gilt, sollte die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen bei 12,0 oder höher liegen.
Wie wechselt der Südwesten zurück in die Basisstufe?
Das passiert ebenfalls automatisch. Die nächst niedrigere Stufe tritt immer dann in Kraft, wenn die dafür maßgeblichen Werte bei Intensivbettenbelegung und Hospitalisierungsinzidenz fünf Werktage am Stück unterschritten werden. Im konkreten Fall tritt die Basisstufe wieder in Kraft, wenn die Zahl der Corona-Patienten fünf Werktage nacheinander wieder unter 250 liegt.
Wie ist die Lage in Bayern?
Auch in Bayern füllen sich laut Deutscher Presseagentur die Intensivstationen mit Corona-Patienten. Demnach meldeten am Dienstag 40 der 96 bayerischen Landkreise und kreisfreien Städte, weniger als zehn Prozent freie Intensivbetten zur Verfügung zu haben. In 23 Kommunen war kein einziges Intensivbett mehr frei, wie aus dem täglich aktualisierten Intensivregister hervorgeht. Bayernweit lagen 455 CovidPatienten auf den Intensivstationen, fast 200 mehr als vor zwei Wochen.
Einschränkungen des öffentlichen Lebens wie im Südwesten gibt es aber nicht. Dies passiert erst, wenn die landesweite Zahl der Covid-Intensivpatienten auf 600 steigt. So sieht es die Corona-Ampel der Staatsregierung vor. Das Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kommt aber am Mittwoch per Videoschalte zu einer Sondersitzung zusammen und will schärfere Maßnahmen zumindest in Hotspots beschließen.
Was passiert in anderen Bundesländern?
Die Infektionszahlen steigen nicht nur im äußersten Süden Deutschlands. In Rheinland-Pfalz etwa hat die Koalition aus SPD, Grünen und FDP am Dienstag reagiert und sieht nun unter anderem tägliche Testpflichten für Beschäftigte in Krankenhäusern, Pflege- und Altenheimen vor. Auch in Hessen berät das Corona-Kabinett über das weitere Vorgehen. Dort nähert sich die Zahl der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen dem festgelegten kritischen Wert von 200 an.
Wird der überschritten, soll es Einschränkungen geben – konkrete Maßnahmen hierfür sind aber noch nicht festgelegt.