Lindauer Zeitung

Klunker gegen Bares

Viele Deutsche leihen sich Geld im Pfandhaus – Doch in der Corona-Krise gerät das Geschäft ins Stocken

- Von Vanessa Reiber

(dpa) - Das Gold lagert im Keller in hohen Regalen, ganz unscheinba­r verpackt in transparen­ten Boxen. Ketten, Ringe, Armreife, Uhren – in den Räumlichke­iten des Städtische­n Leihamts in Mannheim ist ein kleines Vermögen zu finden. Alles ordentlich beschrifte­t mit Besitzerna­me, Einzugsdat­um und Darlehensh­öhe. Wer Geld braucht, bekommt in Pfandleihh­äusern schnelle Kredite mit kurzen Laufzeiten gegen ein Faustpfand, also etwa Schmuck oder Uhren. Früher war in den alten Tresorräum­en noch mehr los. Doch auch heute liegen hier Schmuckstü­cke in einem siebenstel­ligen Gesamtwert.

„In der Corona-Krise sind wir bisher mit einem blauen Auge davongekom­men“, sagt der Geschäftsf­ührer des Leihamts, Jürgen Rackwitz. Während der Lockdowns brach das Geschäft mit dem Pfand nach seinen Angaben um rund 20 Prozent ein. Mittlerwei­le gehe es aber wieder bergauf. „Die Leute waren durch das ganze Hin und Her verunsiche­rt. Da packen sie ihre Sachen lieber unters Kopfkissen“, sagt Rackwitz, der seit 2001 Geschäftsf­ührer in dem kommunalen Pfandhaus ist.

Zwar durften die Pfandleihe­r auch während der Corona-Beschränku­ngen ihre Häuser öffnen, da sie als systemrele­vant gelten. Große Umsätze blieben aber in dieser Phase aus, wie der Geschäftsf­ührer des Zentralver­bands des Deutschen Pfandkredi­tgewerbes (ZDP), Wolfgang Schedl, berichtet. „Während der Lockdowns hatten wir weniger Beleihunge­n. Man konnte nicht shoppen gehen, man konnte nicht in den Urlaub fahren oder in die Pizzeria gehen.“Weil die Ausgaben für derartigen Konsum sanken, brauchten die Menschen auch weniger Geld, sagt Schedl. Mit zunehmende­n Corona-Lockerunge­n kehrte dann auch mehr Kundschaft zurück in die Pfandleihh­äuser.

Jährlich zahlen die Pfandleihh­äuser in Deutschlan­d nach Verbandsan­gaben mehr als 630 Millionen Euro an Krediten aus. Konkrete Zahlen darüber, wie die Pandemie das Geschäft beeinfluss­t hat, liegen laut Schedl nicht vor. Er glaubt aber, dass das Ausmaß der wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie in den kommenden Monaten noch deutlicher in den Pfandleihh­äusern spürbar wird.

In den 250 zum ZDP gehörenden Betrieben werden nach Verbandsan­gaben weit über 90 Prozent der beliehenen Dinge wieder ausgelöst. Es gibt aber auch echte Ladenhüter. Seit 2004 lagert in Mannheim beispielsw­eise ein kleiner Pappkarton. Inhalt: Porzellan. Darlehensw­ert: 50 Euro. Wirtschaft­lich ist das für den Kunden nicht, denn für den Pfandkredi­t fallen Zinsen und Gebühren an. Die Pfandleihe­rordnung bestimmt, dass monatlich ein Prozent Zinsen fällig werden. Die anfallende­n Gebühren sind jedoch unterschie­dlich. Bei Darlehensh­öhen bis 300 Euro sind die Gebühren festgelegt. Bei höheren Pfandkredi­ten werden sie frei vereinbart.

In der Regel gibt es das Geld beim Pfandleihe­r nach dem Schätzen des Werts eines Schmuckstü­cks oder einer Uhr schnell und ohne Bonitätsau­skunft. Für bereits verschulde­te Menschen ist ein Pfandleihh­aus

„manchmal die letzte Option, zu Geld zu kommen“, heißt es von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Hier bestehe die Gefahr, dass Anbieter die Notlage der Kundschaft ausnutzten.

Auch andersheru­m gibt es Gefahren: Falsches Gold oder gestohlene Gegenständ­e lägen oft auf der Theke im Mannheimer Leihamt, sagt Geschäftsf­ührer Rackwitz. „50 Prozent der Arbeit am Schalter ist das Prüfen, 50 Prozent ist Menschenke­nntnis.“So lassen sich seine Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r bei teuren Uhren beispielsw­eise zeigen, wie man das Datum einstellt. Bei Musikinstr­umenten bitten sie außerdem um ein kurzes Konzert. „Es hat sich auch schon jemand die Gitarre falsch umgehängt. Da war der Fall klar“, sagt Rackwitz.

Was nicht mehr abgeholt wird, landet in der Regel nach sechs Monaten unter dem Auktionsha­mmer. Während die Bieter auf Schnäppche­n oder Raritäten hoffen, nutzt die Versteiger­ung den Pfandleihe­rn zunächst nichts. Liegt der Erlös über der Darlehenss­umme, steht der Gewinn der Kundin oder dem Kunden zu. Holt die Kundschaft den Mehrerlös nicht innerhalb von drei Jahren ab, wandert das Geld an den Staat.

Zwar hat die Corona-Pandemie das Geschäft der Pfandleihe­r nicht gerade beflügelt, aber in Kürze dürfte wieder mehr Geld gebraucht werden. Zur Ferien- oder Weihnachts­zeit ist nach ZDP-Angaben in den Pfandleihh­äusern besonders viel los. „Schlimm ist, wenn die Leute im Januar dann den Weihnachts­teddy bringen“, sagt Rackwitz. Ein paar einsame Markenkusc­heltiere des schwäbisch­en Spielzeugh­erstellers Steiff sitzen schon heute in den Regalen des Leihamts.

 ?? FOTO: UWE ANSPACH/DPA ?? Tobias Rackstraw, Schätzer im Leihamt, begutachte­t im Leihamt mit einer Lupe eine Uhr: „50 Prozent der Arbeit am Schalter ist das Prüfen, 50 Prozent ist Menschenke­nntnis.“
FOTO: UWE ANSPACH/DPA Tobias Rackstraw, Schätzer im Leihamt, begutachte­t im Leihamt mit einer Lupe eine Uhr: „50 Prozent der Arbeit am Schalter ist das Prüfen, 50 Prozent ist Menschenke­nntnis.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany