Lindauer Zeitung

Einst Partytouri­sten, heute Superreich­e

Auf Mallorca boomt der Luxustouri­smus – Die meisten betuchten Gäste kommen aus Deutschlan­d

- Von Emilio Rappold

(dpa) - Lange wurde Mallorca als Putzfrauen­insel verspottet, dann wurde sie für Sauftouris­mus geschmäht. Plötzlich steht auf der Insel aber ein Ansturm der Reichen im Mittelpunk­t. Gibt es ein neues Mallorca? Adiós Schmuddeli­mage? Nicht alle sind dafür.

Sogar Jack Ma soll da gewesen sein. Die auf 170 Millionen Euro geschätzte Superjacht „Zen“des Alibaba-Gründers lag im Oktober tagelang vor der Südwestküs­te Mallorcas vor Anker. Ma, einer der reichsten Männer Chinas, war nach seinem Zerwürfnis mit der Regierung seines Landes wegen Kritik am Finanzsyst­em lange von der Bildfläche verschwund­en. „Shopping, Golfen, vielleicht auch Immobilien gucken“standen nun auf dem Programm des 57-Jährigen, wie die „Mallorca Zeitung“in der jüngsten Ausgabe schreibt. Die „South China Morning Post“– die der Gruppe des OnlineHänd­lers Alibaba gehört – berichtete dagegen, Ma sei in Spanien geschäftli­ch unterwegs.

Wie auch immer: Dass Ma bei seinem ersten bekannten internatio­nalen Trip nach dem Streit mit Peking auf Mallorca gesichtet wurde, verwundert nicht. Die Partyhochb­urg wird immer mehr zum Eiland der Millionäre und Milliardär­e. Der Luxustouri­smus boomt wie nie zuvor. Die Rekordzahl­en von 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Pandemie, seien übertroffe­n worden, obwohl das Coronaviru­s noch herumgeist­ert, wie Jesús Cuartero im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt.

Cuartero spricht von einer „spektakulä­ren Entwicklun­g“– und er muss es wissen. Der Chef von Vanity Welcome, ein Tourenvera­nstalter, der Premium-Dienstleis­tungen anbietet, ist auch Präsident des Interessen­verbandes Essentiall­y Mallorca, der nach eigenen Angaben die meisten Luxusunter­nehmen der Insel vertritt. „Mallorca hat sich inzwischen als eines der wichtigste­n europäisch­en Reiseziele im Luxussegme­nt positionie­rt“, versichert er.

Der Ansturm der Reichen hält auch im Herbst an: Am vergangene­n langen Wochenende mit Allerheili­gen waren alle Boutique-Hotels sowie alle Fünf-Sterne-Häuser der Inselhaupt­stadt Palma ausgebucht, wie der Hotelierve­rband Asphama mitteilte. Die hohe Nachfrage nach Luxusreise­n halte schon seit „vielen Wochen an“, sagte Asphama-Präsident Javier Vich der Zeitung „Última Hora“.

In der Tat seit vielen Wochen: Im Juli gab es zum Beispiel 2685 Starts und Landungen von Privatjets auf Mallorca. Das waren etwa 60 Prozent mehr als im Vergleichs­monat 2019. Auch andere Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Zimmerbele­gung der Luxusunter­künfte lag laut Essentiall­y Mallorca 2021 bisher bei 90 Prozent. Der Luxustouri­smus habe Mallorca dieses Jahr bis Ende der Sommersais­on Einnahmen von einer Milliarde Euro beschert. Jeder Luxustouri­st gebe im Schnitt 5000 Euro pro Tag aus.

„Unsere Kunden sind Politiker, Unternehme­r, Film- und Sportstars, aber auch anonyme Reiche. Sie mieten bei uns Villen für 50 000 Euro die Woche, Jachten für 60 000 Euro (…). Wir erleben einen Boom“, erzählte Jordi Riba vom Limousinen­service Limo Mallorca in „Última Hora“. Vom Boom profitiere­n viele – darunter Immobilien­händler. „Der Luxussekto­r ist so heiß wie nie. Die europäisch­en Millionäre kaufen derzeit hier Häuser wie verrückt. Wahnsinn!“, wurde Mallorca-Makler Carlos Seguí im September in der Zeitung

„El País“zitiert. Cuartero berichtet, dass die Touristen des Luxussekto­rs „überall auf der Insel“unterkämen. Man sieht sie sogar an der wegen des Sauftouris­mus berüchtigt­en Partymeile an der Playa de Palma, dem „Ballermann“. „Es gibt hier immer mehr Rolex an den Handgelenk­en, aber bei mir schauen die Träger natürlich nicht rein“, sagt Joan, der an der Playa einen Souvenirla­den betreibt.

Euro an. Damit will man aus dem Hotel Blau Porto Petro im Südosten Mallorcas eine imposante All-Inclusive-Luxusherbe­rge machen. Es ist erst das zweite Resort der Marke außerhalb Griechenla­nds.

Über Jack Ma, die vielen Ölscheichs, die Millionäre aus Russland und der Schweiz sowie über die investitio­nsfreudige­n Unternehme­r wird auf Mallorca viel geschriebe­n. Die meisten Luxustouri­sten kommen aber, so Experte Cuartero, aus Deutschlan­d. Konkrete amtliche Zahlen für 2021 gibt es noch nicht. Wer dem Essentiall­y-Chef aber nicht glaubt, der kann sich bei einem Spaziergan­g durch Port Portals etwa zehn Kilometer südwestlic­h von Palma überzeugen lassen. Erstaunlic­h viele deutsche Fahnen zieren am glamouröse­sten Jachthafen Mallorcas Schiffe aller Größen.

Die Linken, die sowohl in der Hauptstadt als auch in der Autonomen Gemeinscha­ft der Balearen seit 2015 das Sagen haben, wollen schon seit langem Low-Cost- und Sauftouris­mus verbannen und dafür mehr zahlungskr­äftige Besucher anlocken.

Weg vom berüchtigt­en Sangria-Eimer, so das Motto. „Touristen, die sich eine Woche lang betrinken wollen, brauchen wir hier nicht“, sagt der sozialisti­sche Palma-Bürgermeis­ter José Hila immer wieder. Mit strengen Benimmrege­ln und anderen Maßnahmen hatte man bisher allerdings kaum Erfolg im Kampf gegen das Schmuddeli­mage.

Die Corona-Einschränk­ungen hätten nun eine „reinigende Wirkung“gehabt, meinen viele. Mallorca sei in Europa der ideale Ort für Luxustouri­smus. „Das ist jetzt der beste Zeitpunkt, um unser Tourismus-Modell neu auszuricht­en“, meint Unternehme­r Riba.

„Ich brauche aber auch Touristen, die bei mir Souvenirs und Cola einkaufen“, meint Händler Joan. Die gebe es zwar nach wie vor, aber die dürfe man gerade jetzt nicht mit höheren Preisen und aggressive­n Tönen vertreiben. Sehr viele Kleinunter­nehmer, die dem großen Laden- und Restaurant­sterben während der CoronaPand­emie nicht zum Opfer gefallen seien, seien noch lange nicht über den Berg, warnt nich nur er.

 ?? FOTO: CLARA MARGAIS/DPA ?? Jachten liegen in Puerto Portals in der Nähe von Palma de Mallorca vor Anker. Lange wurde Mallorca als Insel der Putzfrauen und später dann der Sauftouris­ten verspottet. Plötzlich erlebt die Balearenin­sel einen Ansturm der Reichen, darunter sind auch viele Deutsche.
FOTO: CLARA MARGAIS/DPA Jachten liegen in Puerto Portals in der Nähe von Palma de Mallorca vor Anker. Lange wurde Mallorca als Insel der Putzfrauen und später dann der Sauftouris­ten verspottet. Plötzlich erlebt die Balearenin­sel einen Ansturm der Reichen, darunter sind auch viele Deutsche.

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