Keine Reaktivierung geplant
Spahn-Forderung zu Impfzentren noch kein Thema im Bodenseekreis – Warnstufe ausgerufen
- Rund einen Monat nach der Schließung der Impfzentren ist eine Debatte um die Wiedereröffnung der Einrichtungen entbrannt. Angesichts der steigenden Corona-Zahlen forderte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Bundesländer auf, ihre Impfzentren wieder zu öffnen. Beim Landratsamt Bodenseekreis ist die Reaktivierung des Kreisimpfzentrums (KIZ) in Friedrichshafen aber noch kein Thema. Und die niedergelassenen Ärzte kommen mit der aktuellen Nachfrage bei den Impfungen noch gut zurecht.
„Das ist bei uns im Krisenstab noch nicht diskutiert worden“, sagt Robert Schwarz, Sprecher des Landratsamts, auf die Frage, was Spahns Forderung für das KIZ im Bodenseekreis bedeutet. „Ich will nicht spekulieren. Wir brauchen erst eine politische Weichenstellung, bevor wir so etwas planen können“, so der Sprecher weiter. Dann müssten die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen geklärt sein. „Aber das sind ja landesweite Fragestellungen“, sagt Schwarz. Fest steht: Um das Impfzentrum in der Messe wieder startklar zu machen, bräuchte es einiges an Vorlauf. „Solche Strukturen stampft man nicht über Nacht aus dem Boden. Vor allem, wenn sie längerfristig funktionieren sollen“, sagt der Sprecher.
Die gesamte Infrastruktur des KIZ ist seit Anfang Oktober abgebaut und die Räume werden wieder von der Messe genutzt. Insgesamt war das Impfzentrum seit Januar bis zur Schließung am 30. September 251 Tage in Betrieb. Es war darauf ausgelegt, im Zwei-Schicht-Betrieb 700 bis 800 Dosen pro Tag zu verimpfen. In den Wochen vor der Schließung gab es aufgrund der sinkenden Nachfrage nur noch eine Schicht. Im Vollbetrieb fielen für das KIZ rund 21 000 Euro Kosten an – pro Tag.
Mit seiner Forderung will Gesundheitsminister Spahn vor allem Auffrischungsimpfungen flächendeckend möglich machen. Für diese sind derzeit die niedergelassenen Ärzte zuständig – und kommen damit im Bodenseekreis offenbar gut zurecht. „Die Kapazitäten der niedergelassenen Ärzte sind grundsätzlich ausreichend, auch wenn es einiger Anstrengungen bedarf“, sagt auch Karl-Josef Rosenstock, Tettnanger Arzt und Pandemiebeauftragter
der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Zwar hätten nicht alle Praxen die Kapazitäten, zeitnah Termine für Impfungen zu vergeben, doch gebe es in Friedrichshafen und Umgebung Praxen, die erhebliche Impfkapazitäten aufgebaut haben. Sie könnten somit auch Patienten anderer Praxen impfen und damit für einen Ausgleich sorgen, erklärt Rosenstock. „Praxen, die keine ausreichenden Kapazitäten haben, können ihre Patienten an diese Praxen verweisen“,
Der Medizincampus Bodensee (MCB) reagiert auf den Anstieg bei den stationären Corona-Patienten und verschärft seine Regeln für Besucher. „Innerhalb einer Woche hat sich die Zahl der Corona-Patienten im Klinikum Friedrichshafen nahezu verdoppelt“, wird Bertrand Muller, Hygienebeauftragter Arzt des Klinikverbundes, in einer Pressemitteilung zitiert. Am Dienstag wurden insgesamt 21 Covid-19Patienten stationär versorgt, vier davon intensiv.
Aufgrund dieser Entwicklung schränkt der MCB ab Mittwoch, 3. November, die Möglichkeiten für Krankenbesuche im Klinikum Friedrichshafen und in der Klinik Tettnang ein. Pro Patient und Tag ist dann nur noch eine Besuchsperson sagt der Arzt.
In Rosenstocks eigener Praxis gebe es derzeit nur noch vereinzelt Erst- und Zweitimpfungen. Etwa 90 Prozent aller Impfungen seien Auffrischimpfungen, schätzt er. „Die Anzahl der Erstimpfungen stagniert seit längerem auf sehr niedrigem Niveau und ich rechne auch nicht damit, dass sich daran noch etwas ändert. Es ist nahezu unmöglich, Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, von der Notwendigkeit der Impfung zu zwischen 14 und 18 Uhr erlaubt. Es gibt Ausnahmen – diese gelten für die Klinik für Kinder und Jugendliche, für werdende Väter, für Krankenbesuche bei sterbenden Patienten sowie für Notfallpatienten. Hier bedarf es laut MCB aber immer einer Einzelfallgenehmigung, die ausschließlich die behandelnden Ärztinnen und Ärzte erteilen. Die Begleitung zu einer Notfallbehandlung ist möglich, wenn sie zwingend erforderlich ist.
Der MCB konzentriert laut Mitteilung die Versorgung der Covid-19Patienten unverändert auf das Klinikum Friedrichshafen. Daher kann es hier, wenn sich die Lage weiter verschärft, wieder zur Verschiebung von Operationen und Eingriffen kommen. Alle betroffenen überzeugen“, so der Arzt.
Während die Zahlen bei den Impfungen also weiter niedrig sind, steigen die Corona-Zahlen weiter. Am Dienstag wurden auf den Intensivstationen im Land den zweiten Werktag in Folge mehr als 250 Covid-19-Patienten behandelt, weshalb Baden-Württemberg die sogenannte Warnstufe ausgerufen hat. Sie gilt ab Mittwoch, 3. November. In der Warnstufe müssen nicht geimpfte und nicht genesene Personen in vielen
Patienten werden gegebenenfalls informiert, heißt es in der Mitteilung.
Im Vergleich zu Ende Oktober 2020 liegt die Zahl der Corona-Patienten im Klinikum wesentlich höher: Am 28. Oktober 2020 wurden drei Patienten intensivpflichtig und einige wenige isoliert stationär versorgt.
Unter den Corona-Patienten des Klinikums in der vergangenen Woche waren vier Nicht-Geimpfte, sechs Geimpfte, bei fünf Patienten ist der Impfstatus unbekannt oder nicht mitgeteilt worden, sowie zwei ungeimpfte Schwangere ohne Symptome, wie eine Sprecherin des MCB auf Anfrage mitteilt. Drei Patienten, zwischen 64 und 69 Jahre alt, seien in der vergangenen
Bereichen des gesellschaftlichen Lebens einen PCR-Test vorlegen – insbesondere in Innenräumen. Das betrifft etwa Veranstaltungen, den Restaurant-, Messe- oder Kinobesuch, aber auch den Vereinssport in geschlossenen Räumen.
Am vergangenen Sonntag lag die Sieben-Tage-Inzidenz im Bodenseekreis bei 239,6 – so hoch wie noch nie. Aus Sicht des Landratsamts hat das mehrere Gründe. „Zum einen haben wir die Herbst- und Wintersituation“, sagt Robert Schwarz. Sprich: Die Menschen hielten sich mehr im Inneren auf, würden weniger lüften. Das begünstige die Verbreitung des Virus über die Aerosole in der Luft.
Ein weiterer Grund für die Zahlen seien die systematischen Testungen in den Kindergärten und Schulen. „Die waren sonst zu keinem Zeitpunkt während der Pandemie so regelmäßig und engmaschig“, sagt Schwarz. Viele Fälle, die früher unter die Dunkelziffer fielen, würden dadurch nun in den Familien entdeckt. Zuletzt gebe es mehr Infektionen, weil sich der Alltag nach und nach normalisiere. „Das persönliche Schutzverhalten der Menschen hat nachgelassen. Es gibt wieder mehr Veranstaltungen, berufliche Zusammenkünfte und so weiter“, sagt Schwarz. Auch bei Hygieneregeln würden viele nachlässiger. „Die wechselseitige Dynamik aus all diesen Gründen ist aus unserer Sicht die Ursache für die aktuellen Zahlen.“
Woche verstorben, davon zwei Nicht-Geimpfte. „Auch zwei symptomfreie Mitarbeitende wurden positiv getestet, beide sind geimpft“, so die Sprecherin. Zusätzlich zur Corona-Station (intensiv) und der Isolierstation (nicht intensiv) seien auf einer weiteren Station vorsorglich zwei Zimmer für weitere Covid-19-Patienten eingerichtet worden, die bis jetzt noch nicht in Anspruch genommen werden mussten.
In der Klinik für Kinder und Jugendliche gebe es aktuell keine CoronaPatienten. „Dennoch ist die Lage auch hier angespannt, weil viele kleine Patienten mit Atemwegsund anderen Erkrankungen versorgt werden“, sagt die Kliniksprecherin. (pek)