„Lichthimmel“helfen gegen Verwirrtheit
Fachkliniken Wangen mit neuer Intensivstation – Das ist das Besondere daran
- Die Fachkliniken Wangen verfügen ab dem 9. November über eine neue Intensivstation mit 17 Zimmern. Das Besondere: Sie beinhaltet ein in der Region bislang einzigartiges Lichtkonzept, das die Behandlung Schwerstkranker erleichtern und deren Überlebenschancen erhöhen soll. Die Waldburg-Zeil-Kliniken als Betreiber sprachen bei der offiziellen Einweihung am Freitag von der „modernsten Intensivstation im Landkreis“. Außerdem soll die Station andere Häuser in der Region entlasten.
Das Problem: Müssen schwerstkranke Patienten lange auf Intensivstationen behandelt und künstlich beatmet werden, drohen ihnen Verwirrtheit, Halluzinationen und Orientierungslosigkeit. Die Fachwelt spricht dann von einem Delir, und laut Waldburg-Zeil sind neun von zehn entsprechend Erkrankter davon betroffen. Mehr noch: Ihre Heilungschancen sinken, während sich die Gefahr, im Behandlungsbett zu versterben, erhöht.
Der Lösungsansatz: „Wichtig ist, die Grundbedürfnisse des Menschen nach Orientierung zu erfüllen“, so Bernhard Sorms, Chefarzt und Leiter der Intensivstation. Deshalb setzten die Fachkliniken jetzt auf ein „stringentes Anti-Delirmanagement“und dazu gehöre ein ausgeglichener Schlaf-Wach-Rhythmus.
An dieser Stelle kommen „Lichthimmel“ins Spiel, die in der neuen Intensivstation im Martinsbau der Wangener Fachkliniken installiert wurden. Vor allem an den Decken über den Intensivbetten in den 17 Zimmern und das jeweils in einer Länge von vier und einer Breite von zwei Metern.
Dabei handelt es sich um Lichttherapielösungen, die auf angenehme Art den natürlichen Tag-NachtRhythmus nachbilden sollen. Auch bei Routinekontrollen in der Dunkelheit. Dann werden nur Teile der Monitore medizinischer Geräte beleuchtet. Zudem werden in der neuen Station Geräusche gemindert und beispielsweise Alarme nur nach außen geleitet.
Das System nennt sich „VitalSky“, hergestellt von Philips, und wurde laut Waldburg-Zeil weltweit in dieser Größenordnung noch nie in einer Klinik eingebaut. An der Berliner Charité ist es aber bereits erprobt – offenbar mit Erfolg. Deren dafür zuständiger Professor Alawi Lütz berichtete, per Video zur Einweihungsveranstaltung am Vogelherd zugeschaltet, von ersten Erfahrungen und einer Studie zum Thema, die er im kommenden Frühjahr veröffentlichen will. Kernpunkt der dortigen Observationen: Der Einsatz der Lichthimmel habe in Berlin zu rund 50 Prozent weniger Verwirrtheitsfällen (Delir) geführt.
Technisch und baulich war der Aufbau der neuen Intensivstation schwierig, wie am Freitag deutlich wurde. Anderthalb Jahre betrug die Bauzeit, mit der heißen Phase ab Januar dieses Jahres. Der bei WaldburgZeil für Einkauf und Technik zuständige Reimund Vogel berichtete von „beengten räumlichen Verhältnissen“im Martinsbau als besonderer Herausforderung. Klinikdirektor Quirin Schlott berichtete von Hemmnissen durch die Pandemie und auch den privaten Klinikverbund treffenden Materialmangel.
Letztlich habe man zunächst ein Musterzimmer errichtet. Medizinisches Personal der Fachkliniken testete es auf Herz und Nieren, und die Baufachleute gingen wiederum auf deren Änderungsvorschläge ein, wie Schlott erklärte.
Ende September waren 42 000 Kilometer Kabel verlegt – acht davon allein für das ausgeklügelte Lichtsystem und zehn zur Übertragung von Daten. Ferner stecken in den 17 Zimmern sowie auf den Fluren 13 000 LED. Waldburg-Zeil ließ sich die neue Station insgesamt knapp 6,5 Millionen Euro kosten. Nach dem Einzug der Patienten am 9. November soll auch die bisherige Intensivstation umgebaut und modernisiert werden.
Eine Investition, von der auch andere Klinikbetreiber der Region profitieren können. Denn geplant ist, langwierige Intensivpatienten zur Beatmungsentwöhnung aus anderen Häusern in den unter anderem wegen ihrer Lungen-Expertise bekannten Fachkliniken aufzunehmen.
Vertreter der Mitbewerber von Waldburg-Zeil waren ebenso zur Feierstunde erschienen wie regionale Politiker. Ergo war es nicht verwunderlich, dass sich einige Redebeiträge auf die künftige Struktur und Finanzierung des Gesundheitswesens im Allgemeinen konzentrierten.
CDU-Landtagsabgeordneter Raimund Haser sprach sich angesichts der Erfahrungen in der Corona-Krise für eine kommunale und dezentrale Versorgungsstruktur aus. Zugleich stehe eine generelle Entscheidung an – nämlich, ob man sich diese in Form leisten könne, „wenn sie alles bietet, aber auch alles kostet“.
Deutliche Kritik an politischen Entscheidungen formulierte hingegen Waldburg-Zeil-Geschäftsführer Ellio Schneider. Er forderte in der Gesundheit von ihr unter anderem „einfache und klare Regeln, die alle einzuhalten haben und Gesetze, die auch tatsächlich vorher finanziert wurden“. Nur so sei auch in Wangen künftig eine Versorgung von Patienten möglich und Investitionen machbar. „Ansonsten gehen der innovativen Technik die Lichter aus“.