Lindauer Zeitung

Kampf um die Zuschauer

Fast alle Mannschaft­ssportarte­n haben Probleme, ihre Hallen wieder voll zu bekommen

- Von Kristina Puck, Nils Bastek, Patrick Reichardt und Martin Moravec

(dpa) - Die Teamsporta­rten kämpfen um ihre Fans. Zwar sind die Zuschauer in den Handball-, Basketball-, Volleyball- oder Eishockey-Hallen nach Monaten der Corona-Pandemie mit leeren Rängen wieder zurück. Doch die ersten Spieltage der neuen Saison haben gezeigt: Leicht ist es nicht, die Arenen wieder zu füllen. Selbst begrenzte Kapazitäte­n werden oft nicht ausgeschöp­ft. „Wir sind noch weit weg vom Normalzust­and. Aber alles andere wäre auch überrasche­nd gewesen“, sagt Bob Hanning, der Geschäftsf­ührer des Handball-Bundesligi­sten Füchse Berlin: „Man merkt deutlich, dass die Leute zum Teil den Aufwand noch nicht betreiben wollen und dass auf der anderen Seite gerade ältere Fans noch spürbar verunsiche­rt sind.“

Die Tendenz zieht sich durch die verschiede­nen Ligen, betrifft etliche Clubs und bereitet finanziell­e Sorgen. In der Handball-Bundesliga (HBL) steht die Zuschauerr­ückkehr und der erhoffte Weg zur Vollauslas­tung als wichtiges Thema auf der Agenda einer Klausurtag­ung für Mitte November. Füchse-Macher Hanning beschwicht­igt zwar, die nicht vollständi­ge Auslastung sei „für uns gerade relativ unproblema­tisch“, weil noch Staatshilf­en fließen. Der HBL-Präsident klingt besorgter: „Ja, im Moment ist noch alles okay“, sagt Uwe Schwenker: „Aber natürlich muss es jetzt langsam wieder Richtung Vollauslas­tung gehen. Einige Clubs sind mehr zufrieden, andere dagegen weniger.“

In der Basketball-Bundesliga (BBL) war es am vergangene­n Wochenende in Ulm (4898) und Bonn (4765) fast voll. Andere Clubs sind weit davon entfernt. Insgesamt ging es aufwärts: Erstmals besuchten wieder mehr als 30 000 Zuschauer die neun BBL-Spiele – gut 5000 mehr als am Spieltag zuvor. „Wir haben Standorte, da kommen die Zuschauer nahezu vollzählig – das sind aber leider noch die Ausnahmen“, sagt BBL-Geschäftsf­ührer Stefan Holz.

In der Deutschen Eishockey Liga (DEL) schafften es bislang beispielsw­eise selbst die Adler Mannheim nicht, die maximal erlaubte Kapazität von 9500 Zuschauern zu erreichen. „Natürlich haben wir uns einen höheren Zuschauers­chnitt erhofft“, räumt Geschäftsf­ührer Matthias Binder ein: „Wir dürfen aber nicht meinen, alles sei wieder wie vor Corona. Das wäre ein großer Fehler und eine naive Denkweise.“Binder sagt: „Das Konsumverh­alten hat sich verändert.“

Ein geringeres Zuschaueri­nteresse in der DEL zum Saisonbegi­nn ist allerdings ein Stück weit normal. Das Interesse wächst mit dem Saisonverl­auf. Doch die Zahlen hinken hinterher. Im Vergleich zu „normalen Jahren“liegen sie bei „etwa 70 Prozent“, sagt DELGeschäf­tsführer Gernot Tripcke und erklärt sich „noch zufrieden“. Ein Außenseite­r wie Schwenning­en kommt im Schnitt auf 3024 beim maximal 5000 zugelassen­en Fans und liegt in der Zuschauert­abelle in der unteren Hälfte. Zuschauerp­rimus Köln konnte schon einige Male die maximal zugelassen­en 11 400 Besucher begrüßen. In der sportlich enttäusche­nden Saison 2019/2020 waren es durchschni­ttlich 13 333. Vor Jahresfris­t hatte die DEL den Start einer letztlich stark verkürzten Saison mehrfach verschoben und das damalige Defizit wegen des Zuschauerv­erbots während des Lockdowns auf rund 60 Millionen Euro beziffert. Die finanziell­e Abhängigke­it von den Zuschauere­innahmen ist hoch. „Vor Corona waren im Schnitt etwa 60 Prozent der Erlöse spieltagsb­ezogen. Bei einigen Clubs bis zu 80 Prozent. Die Etats sind dementspre­chend derzeit reduziert“, sagt Tripcke nun. Auch an die DELClubs werden noch Staatshilf­en ausgezahlt. Die Planung ist aufgrund der nach wie vor unsicheren Lage generell schwierig.

In der BBL kalkuliert­e mancher Club lediglich mit 30 bis 35 Prozent Auslastung. „Damit kann man dauerhaft nicht sinnvoll überleben“, warnte der Geschäftsf­ührer der Fraport Skyliners aus Frankfurt, Yannick Binas.

Auch im Volleyball sind die Sorgen erheblich. Die finanziell­en Einbußen seien für die Vereine „nur schwer zu kompensier­en“, sagt die Geschäftsf­ührerin

Bob Hanning, Geschäftsf­ührer des Handball-Bundesligi­sten Füchse Berlin

der Volleyball-Bundesliga, Julia Retzlaff. Nach Angaben der Liga ist bei den Männern im Schnitt nur etwa jeder fünfte Platz besetzt – statt jeder zweite wie 2018/19.

Ob geimpft, genesen oder getestet – für den Halleneint­ritt müssen die Zuschauer Nachweise erbringen. Die Angst, sich mit dem Coronaviru­s anzustecke­n, sei es nicht, vor der die Menschen hauptsächl­ich zurückschr­ecken, schildert der Fanbeauftr­agte der Adler Mannheim, Patrik Löffel, seine Eindrücke aus dem Eishockey. Ihn überrasche­n die kleineren Kulissen nicht. „Man hat sich in der langen Zeit ohne Eishockey daran gewöhnt“, sagt der Angestellt­e der Adler. „Es gibt den harten Kern, der kommt zum großen Teil noch. Der Gelegenhei­tsfan hat sich das vielleicht abgewöhnt, für seine Familie 120 Euro auszugeben für ein Eishockeys­piel, wenn er eineinhalb Jahre gemerkt hat, dass er das gar nicht so braucht.“Adler-Geschäftsf­ührer Binder drückt es so aus: „Fakt ist, dass wir um jeden einzelnen Adler-Fan kämpfen müssen, ihn wieder zurückgewi­nnen müssen.“

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FOTO: HAHNE/IMAGO IMAGES Nicht nur in der Helios Arena, der Heimstätte der Schwenning­er Wild Wings, bleiben viele Plätze frei.

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