Epidemie der Ungeimpften
Die schräge Diskussion hat längst nichts mehr mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun. Sie wird politisch geführt, den Ton geben Radikale an. Ein Blick ins Internet genügt. Da twittert ein leidgeprüfter Arzt auf einer Intensivstation, dass ein Corona-Leugner seine Station verklagen wolle, weil er nach wochenlanger künstlicher Beatmung ein Kratzen im Hals verspüre. Dass die Ärzte und Pfleger ihm wahrscheinlich das Leben gerettet haben, ignoriert der ehemalige Patient geflissentlich. Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery beklagt in der Wortwahl überzogen, in der Sache aber zutreffend eine „Tyrannei“der Ungeimpften, die das Leben anderer gefährdeten.
Wie mit der Renitenz von Impfverweigerern umgehen? Etwa 14 Millionen Menschen in Deutschland könnten sich immunisieren lassen, tun es aber nicht. Sie führen die unterschiedlichsten Gründe an, kaum einer überzeugt. Nach eineinhalb Jahren vielfältigster Maßnahmen gegen Corona, nach Informationskampagnen, nach einem Überangebot an Vakzinen müssen sich die Verantwortlichen eingestehen, dass sie aus welchen Gründen auch immer an diese Personen nicht herankommen. Überzeugen klappt nicht, da Argumente mit abenteuerlichen Einwänden zurückgewiesen werden.
In Deutschland war die Inzidenz noch nie so hoch, die Intensivstationen füllen sich schneller als befürchtet, und die vergangenen Monate belegen eindrucksvoll, dass wir eine Epidemie der Ungeimpften erleben. Die Appelle an die Solidarität mit den besonders gefährdeten Gruppen verhallen. Deshalb sollte sich die geschäftsführende Bundesregierung mit den Vertretern der wahrscheinlich künftigen Ampel-Regierung sowie den Bundesländern schnell auf zentrale Entscheidungen einigen, denn eine Pandemie ist eben keine Privatsache.
Klar ist, dass bei der derzeitigen Stagnation der Impfrate der Alltag für nicht geimpfte Erwachsene schwieriger werden muss und auch wird. Das ist keine Impfpflicht durch die Hintertür, sondern die Konsequenz der eigenen Entscheidung.