Eine Jägerin, die Vegetarierinnen ein halbes Reh verkauft
Ramona Hofmann ist erst 30 und schon ihr halbes Leben Jägerin – Es ist ihre Berufung
- Mit 16 Jahren ist Ramona Hofmann die jüngste Jägerin Bayerns. Heute, 14 Jahre später, verbringt sie ihre ganze Freizeit auf der Pirsch. Hofmann will die Jagd und deren Image entstauben. Sie verkauft Vegetarierinnen ein halbes Reh und sagt, das ist das gesündeste und nachhaltigste Fleisch, das man bekommen kann. Warum sie sich als Dienstleisterin der Gesellschaft sieht.
„Jagen bedeutet für mich Passion, Berufung und Verantwortung“, sagt Ramona Hofmann. Wenn die Lindenbergerin vom Jagen, von der Natur, vom Wald und dem Wild spricht, ist ihr die Begeisterung anzumerken. Für sie ist die Jagd kein Hobby. Vielmehr fühlt sie sich verantwortlich gegenüber Waldbesitzern, Landwirten und Verbrauchern.
Mit der gleichen Leidenschaft ist sie damals, vor 16 Jahren, zum Jagen gekommen. In ihrem Fall hat nämlich nicht der Vater die Tochter zum Jagen gebracht, sondern andersherum. Hofmann ist als Teenagerin mit einem Bekannten zum ersten Mal zur Jagd gegangen. Der hatte dann beschlossen, einen Jagdschein zu machen und Hofmann begleitete ihn erst nur. Weil sie aber schon so viel wusste und sich einbrachte, finanzierte ihr Vater auch ihr die Ausbildung und machte gleich selbst mit.
Es folgt eine Jugend, die sie dem Jagen widmet. Tagsüber Schule, abends und am Wochenende Jagdschule und auf der Pirsch. Bei der Prüfung schießt Hofmann sogar einen Punkt mehr als ihr Vater. Sie hat 49, er 48 von 50. Sie ist eine von wenigen Frauen, die damals durch die Prüfung kommen. Ihr Taschengeld verdient Hofmann beim Füchse abbalgen, also damit, ihnen das Fell abzunehmen. Eine eher unbeliebte Tätigkeit
unter Jägern, weil es kein Fleisch und damit keinen Gewinn abgibt. Früher gab es noch staatliches Geld für jeden Fuchs, heute fällt auch das weg. Ramona Hofmann findet aber, dass es dazugehört. Der Fuchs habe keinen natürlichen Feind, deswegen müsse er eigentlich gejagt werden.
Bis heute verbringt Hofmann fast jede freie Minute mit dem Jagen. Sie engagiert sich im Vorstand des Jagdund Sportschützenvereins in Schlachters-Sigmarszell. Der Verein konnte – ungewöhnlicherweise – über die Jahre Mitglieder dazugewinnen. Heute sind es 117, zu Hofmanns Eintritt waren es 90. Und das, obwohl der Verein kurzzeitig vor dem Aus stand. Denn das Geld war knapp geworden. Spenden, Förderungen und die Einnahmen von Mitgliedern halfen aus der Patsche. Auch die im Umkreis einzige Schießanlage mit bewegendem Keiler hat geholfen und lockt Schützen an, die üben wollen.
Die meiste Zeit verbringt Hofmann aber nicht im Verein, sondern in dem Revier, das sie gemeinsam mit ihrem Vater betreut. Fast jedes Wochenende ist sie dort in der Hütte. 600 Hektar ist die Fläche am Rottachspeicher im Allgäu groß. Dort müssen regelmäßig Pirschpfade gepflegt, Kanzeln gesäubert, Hochsitze gebaut und Tiere gefüttert werden. Hofmann ist froh um das Revier, denn für viele andere Jägerinnen sei es oft schwer, jemanden zu finden, der ihnen ein Waldstück verpachtet. Die Skepsis sei oft groß. Gefühlt fände ein Umdenken bei den Leuten bezüglich Regionalität und Saisonalität statt. „Das spüren wir durch eine erhöhte Nachfrage an Wildfleisch, da es hier keine langen Transportwege gibt“, sagt Hofmann. Sie findet: „Jagen ist nachhaltig ernten, was die Natur produziert.“
Deswegen vermittelt sie oft auch andere Jungjägerinnen an Pächter. Für Hofmann ist das Jagen keine Frage des Geschlechts. Für sie geht es um die Anwendung. „Man hat eine Verpflichtung.“Und der müsse man gerecht werden, egal ob Mann oder Frau.
Das Fleisch der Tiere verwertet sie und ihre Familie selbst, verschenkt es an Freunde und Bekannte. War es früher noch schwer, das Fleisch loszuwerden, weil es vielen zu teuer war, hätten heute viele ein Bewusstsein für das Thema entwickelt. „Viele reduzieren ihren Fleischkonsum auf Fleisch, das keine langen Transportwege hat“, sagt Hofmann.
Mittlerweile verkauft Ramona Hofmann das Fleisch des Wilds sogar an Vegetarierinnen. „Die sind jetzt Rehtarierinnen“, sagt die Sigmarszellerin. Hofmann will die Menschen aufklären. Rehfleisch sei regionales unbehandeltes Lebensmittel, das ohne Massentierhaltung und lange Transportwege auskommt. Keine Antibiotika, keine Zusatzstoffe. „Das Reh ist ein Konzentratselektierer. Es äst nur das Beste, was es auf Wiesen und im Wald gibt.“Hofmanns Credo: Das Reh ist schon da, dafür müssen keine Ställe gebaut werden oder gezüchtet werden. „Ich reduziere meinen Fleischkonsum bis auf das eigene Wild fast auf null.“
Für Hofmann geht das Jagen aber über Fleischkonsum hinaus. Manchmal, wenn sie auf ihrem Hochsitz am Rottachspeicher ist, sitzt sie auch einfach nur da, sagt sie. Wenn kein Wild kommt, ist es die Natur, die bleibt. Die klirrende Kälte oder der Sonnenuntergang oder der Biber hinter dem Rottachspeicher. Meditation nennt Hofmann es auch. „Manchmal kommt ein Reh und man will nicht schießen, sondern beobachtet nur.“