Lindauer Zeitung

Hier spielt die Fasnetsmus­ik

Für Guggenmusi­ker und Partybands startet die zweite Saison unter Corona-Auflagen – Wie Amateure und Profis den Schwierigk­eiten trotzen

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Von Tobias Faißt

- Aus der Halle strömt der Geruch von frischem Holz, als das Rolltor geräuschvo­ll in die Höhe knattert. Die wartenden Musikerinn­en und Musiker tragen, in dicke Winterklam­otten gekleidet, ihre Instrument­e in das Lager der Zimmerei in Gaisbeuren. Es dient als Proberaum für die Waldseer Gugga-Gassa-FetzBand, die sich auf die anstehende Fasnet vorbereite­t. Zwischen Stapeln von Holzbrette­rn stellen sich die für die Guggenmusi­k traditione­llen Blechbläse­r im Halbkreis vor dem musikalisc­hen Leiter Timo Leuter auf.

Hinten die Tuben und Posaunen, vorne die Trompeten. Links des Probenleit­ers positionie­rt sich das Schlagwerk, bestehend aus Pauken und Schlagzeug­wagen. Rechts tragen die Musizieren­den Saxofone oder eine Lyra, eine Art Metallofon, vor dem Bauch. Die orchestera­rtige Aufstellun­g in der Halle der Zimmerei erinnert nur wenig an die teils choreograf­ierte Art und Weise, wie Guggenmusi­kgruppen auf Fasnetsumz­ügen die Besucherin­nen und Besucher beispielsw­eise auf Umzügen begeistern. Dort ziehen sie geschminkt im Häs mit den Narren durch die Straße und spielen ihre Stücke – mal im Laufen, mal im Stehen, stets mit guter Laune.

Die Gugga-Gassa-Fetz-Band mit ihren etwa 30 Mitglieder­n hat im September nach dem Ende der Sommerferi­en begonnen, sich auf die anstehende Fasnet vorzuberei­ten. Nachdem das närrische Treiben in diesem Jahr aufgrund der Pandemie ausgefalle­n ist, sind die Musikanten froh, dass ihre Festzeit 2022 stattfinde­n soll. „Wir nehmen gerade einfach jede Einladung zu Veranstalt­ungen an und hoffen, dass sie auch stattfinde­t“, sagt Carmen Sättele, Vorsitzend­e der Waldseer Guggenmusi­ker.

In Gesprächen mit der Landesregi­erung haben Vertreter von Narrenverb­änden und Kommunen Mitte Oktober bereits grundsätzl­iche Regeln für das närrische Treiben festgelegt. So soll bei der Straßenfas­net 3G und bei Veranstalt­ungen in geschlosse­nen Räumen die 2G-Regelung gelten. Das würde bedeuten: Auch Zuschauer bei Umzügen müssten nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind, zu Veranstalt­ungen würden nur die ersten beiden Gruppen zugelassen. Ein wenig zweifelt die Vorsitzend­e der Band momentan noch, wie genau unter anderem die angekündig­te 3G-Regelung bei Umzügen durch die Städte durchgeset­zt werden kann.

Vereinzelt fallen in Gesprächen vor der Probe die Worte Hoffnung oder Glaube, doch die steigenden Inzidenzen und die ausgerufen­e Corona-Warnstufe haben der Vorfreude der Guggenmusi­ker spürbar

- Traditione­ll startet die schwäbisch-alemannisc­he Fastnacht in Baden-Württember­g erst im Januar. Dennoch feiern auch hierzuland­e einige Narren am 11.11. um 11.11 Uhr den aus dem Rheinische­n stammenden Auftakt der fünften Jahreszeit. Nachdem die Fasnet in diesem Jahr der CoronaPand­emie zum Opfer gefallen ist, planen die Zünfte in Baden-Württember­g mit 2G und 3G, um ihre Leidenscha­ft mit den Menschen zu teilen.

Diese Regeln gelten am 11. November um 11.11 Uhr

Das Landesgesu­ndheitsamt hat in der vergangene­n Woche die Warnstufe für Baden-Württember­g ausgerufen. Für öffentlich­e Veranstalt­ungen bedeutet das, dass daran nur Geimpfte, Genesene oder Gealso einen Dämpfer verpasst. Dennoch brechen sie am Freitag nach Wiedemanns­dorf zu einem gemeinsame­n Wochenende auf, an dem sie ihre Musikstück­e und Choreograf­ien noch intensiver proben können als bei den wöchentlic­hen Treffen in der Zimmerei. Wenn die schwäbisch-alemannisc­he Fasnet am 6. Januar nach dem Ende der weihnachtl­ichen testete teilnehmen dürfen. Bei Veranstalt­ungen in geschlosse­nen Räumen reicht ein Schnelltes­t nicht aus, sondern die Menschen müssen einen negativen PCR-Test vorweisen können. Gleiches gilt für die Gastronomi­e.

So sollen Umzüge und Veranstalt­ungen stattfinde­n

Für kommende Fasnetsver­anstaltung­en wird entscheide­nd sein, ob zum jeweiligen Zeitpunkt die Basis-, Warn- oder Alarmstufe aktiv ist. Bereits Mitte Oktober haben sich die Landesregi­erung, Narrenverb­ände und Kommunen auf grundsätzl­iche Regeln verständig­t. „Geimpfte und Genesene sollen unbeschwer­t feiern können“, sagte Uwe Lahl, Amtschef des Gesundheit­sministeri­ums. Das närrische Treiben in Baden-Württember­g soll Feiertage traditione­ll richtig durchstart­et, bleibt für Proben keine Zeit mehr. „Ab dann sind wir an jedem Wochenende bei Veranstalt­ungen unterwegs. Nur wenn wir einen Auftritt richtig verpatzt haben, arbeiten wir mit Timo noch mal an den Stücken“, sagt Sättele.

Wie die Guggenmusi­ker, die teilweise musikalisc­he Laien sind und mehr nach Gehör spielen als nach Noten, sind profession­elle Partybands fester Bestandtei­l von Fasnetsver­anstaltung­en. „Damit hat es angefangen bei uns und wir spielen im Schnitt auf 15 Veranstalt­ungen pro Jahr“, sagt Klaus Kächele, Gründer von Die Grafenberg­er. Mittlerwei­le gehört die Band zu den Stammgäste­n im Volksfestz­elt „Zum Wasenwirt“auf dem Cannstatte­r Frühlings- und Volksfest in Stuttgart. Auch auf dem Ravensburg­er Rutenfest treten Die Grafenberg­er auf. Wie die Gugga-Gassa-FetzBand nimmt Kächele derzeit Aufträge für Fasnetsver­anstaltung­en an, auch wenn noch nicht sicher ist, ob sie auch stattfinde­n.

Die Pandemie und die damit verbundene­n Einschränk­ungen für die Veranstalt­ungsbranch­e haben die Partyband hart getroffen. „Bis zur Corona-Zeit haben wir das hauptberuf­lich gemacht. Jetzt haben sich viele einen Job gesucht und sind in Firmen angestellt“, beschreibt Kächele die Situation der siebenköpf­igen Band. Zum Teil seien die Mitglieder Musiklehre­r,

möglich sein, jedoch mit Einschränk­ungen – vor allem für Nichtgeimp­fte. Veranstalt­ungen in Innenräume­n wären für sie tabu, weil dort die 2G-Regelung greifen soll. Im Freien, beispielsw­eise bei Umzügen, soll 3G gelten. Daran könnten neben Geimpften und Genesenen also auch getestete Narren und Besucher teilnehmen. Roland Wehrle, Präsident der Vereinigun­g schwäbisch-alemannisc­her Narrenzünf­te, begrüßte nach dem Treffen, dass die Narren im Land durch die Absprache frühzeitig Planungssi­cherheit haben. Mit 2G für Innenräume könne man gut leben. Die genauen Regelungen für die Straßenfas­net soll eine Arbeitsgru­ppe mit Vertretern der Narrenund Karnevalsv­erbände, des Städteund Gemeindeta­gs sowie des Gesundheit­sministeri­ums erarbeiten. die wieder angefangen haben, Unterricht zu geben. Andere haben sich einen Job im Baumarkt besorgt, um ohne Auftritte über die Runden zu kommen. Termine, die nicht am Wochenende stattfinde­n, muss der 57-Jährige nun viel aufwendige­r als vorher mit seinen Bandmitgli­edern abstimmen.

Die harten finanziell­en Auswirkung­en spürt die gesamte Branche: Laut einer Studie des Deutschen Musikrats mussten Selbststän­dige in der Musikbranc­he im ersten Lockdown Umsatzeinb­rüche von durchschni­ttlich etwa 44 Prozent hinnehmen. Es traf vor allem jene, die ihr Geld im künstleris­chen Bereich verdienen: Sie erlitten Umsatzrück­gänge von mehr als 60 Prozent. Martin Simma, Manager der Bands Voxxclub und Fäaschtbän­kler aus Rot-Haslach, sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Wir spüren, dass die Veranstalt­er zögern, weil sie einfach nicht wissen, wie die Situation in ein paar Wochen sein wird“, sagt er. Einige Festivals, für die sie eigentlich schon eine Zusage gehabt hätten, seien mittlerwei­le auch abgesagt. Das gilt auch für einige Fasnetsver­anstaltung­en in der Region – und niemand weiß, wie sich die Lage entwickelt.

Für die Amateure von der Gugga-Gassa-Fetz-Band hat die Pandemie ein anderes Problem verschärft: den Nachwuchsm­angel. Für die Bandvorsit­zende Sättele gibt es nichts Besseres als Guggenmusi­k, sagt sie. Diese ist die traditione­lle Art der Begleitung für die Narren und stammt aus der Schweiz, wo ursprüngli­ch auf Kuhhörnern musiziert wurde, später ahmten die Guggenmusi­ker deren Klang auf anderen Blasinstru­menten nach. Nachwuchs zu bekommen sei seit einigen Jahren jedoch schwierig. „Der Reiz für junge Leute ist bei einer Lumpenkape­lle vielleicht größer, weil die mehr auf Party ausgericht­et sind als wir. Aus deren Sicht sind wir Guggengrup­pen wohl eher die Spießer“, vermutet Sättele. Die Pandemie habe es durch den Ausfall der Fasnet nicht einfacher gemacht, Nachwuchs für die Band zu gewinnen. In den Lumpenkape­llen steht aus Sicht vieler traditions­bewusster Narren eher das Feiern als die Bräuche im Fokus.

Mit Nachwuchss­orgen kämpfen aber auch die Profis. „Nachwuchs ist für uns sehr wichtig. Ich könnte ja mittlerwei­le der Opa für viele 16bis 20-Jährige auf den Partys sein“, scherzt Grafenberg­er-Chef Kächele, dessen 31-jähriger Sohn Niko vor einiger Zeit in die Band eingestieg­en ist. „Da habe ich Glück gehabt. Junge Leute wissen einfach besser, was das junge Publikum will.“Neue Partybands hätten es in der Branche jedoch schwer. Ein Neustart ist mit großen Investitio­nen unter anderem für Instrument­e, Lichter oder Kabel verbunden. „Für einen erfolgreic­hen Einstieg in die Branche braucht man heutzutage sicher 400 000 Euro“, schätzt Kächele, der in seiner Halle in Riederich laut eigener Aussage allein zehn Kilometer Kabel lagert. Die Pandemie habe vielen gezeigt, dass diese Investitio­nen nicht so sicher sind wie vielleicht erhofft.

Aus Kächeles Sicht ist es nun wichtig, dass Veranstalt­er Planungssi­cherheit haben. Die bieten die Gespräche zwischen der Landesregi­erung und den Narrenverb­änden, wonach die Fasnet zum Großteil nur mit Einschränk­ungen für Nichtgeimp­fte stattfinde­n soll. Daher ist es aktuell fraglich, ob Carmen Sättele an der Fasnet tatsächlic­h teilnehmen kann.

„Ich habe mich gegen eine Impfung entschiede­n, weil ich der Meinung bin, dass mein Körper mit einer Erkrankung gut klarkommen würde, weil ich nicht zur Risikogrup­pe gehöre“, sagt die 27-Jährige. Das bedeutet für die Vorsitzend­e, dass sie seit dieser Woche an den Proben der Gugga-Gassa-Fetz-Band nur mit einem negativen PCRNachwei­s teilnehmen könnte. Gleiches gilt für das anstehende Probenwoch­enende, das Sättele zum Großteil organisier­t hat. Sie wird laut eigener Aussage nicht mitfahren, da ein PCR-Test zu teuer ist. Je nach Anbieter kosten sie zwischen 80 und 130 Euro.

Veranstalt­ungen in geschlosse­nen Räumen sollen während der Fasnet mit der 2G-Regel möglich sein. Auch dann wäre Sättele raus. „Damit habe ich mich schon abgefunden, auch wenn es wehtut“, gibt die 27-Jährige zu. Sie meint, „ein

Jahr ohne Fasnet geht schon falsch los“. Nachdem Sättele dies bereits in diesem Jahr erlebt hat, könnte das nun wieder der Fall sein, während ihre Bandkolleg­en mit ihrer Guggenmusi­k die Menschen wieder begeistern dürfen. Auch wenn in der Zimmerei in Gaisbeuren noch nicht alle Töne sitzen.

Fasnets-Quiz: Erkennen Sie Narrenrufe auf

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Laien und Experten musizieren bei der Guggenmusi­k häufig in einer Gruppe. Wer nicht nach Noten spielt, macht es nach Gehör – immer jedoch mit Spaß.

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