Zahl der Corona-Infektionen erreicht immer neue Höchstwerte
Stimmen für flächendeckende Anwendung der 2G-Regel mehren sich – Stiko empfiehlt für unter 30-Jährige nur noch Biontech-Impfung
- Fast 40 000 Corona-Neuinfektionen an einem Tag und den dritten Tag in Folge ein Rekord bei der Sieben-Tage-Inzidenz: Die Pandemie hat das Land fest im Griff, wie darauf aber konkret reagiert wird, bleibt derweil unklar.
Mehr Stimmen für schärfere Maßnahmen: Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der grüne Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen, die Vorsitzende des Ärzteverbundes Marburger Bund, Susanne Johna, und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) forderten eine flächendeckende Anwendung von 2G, also Einlass bei vielen Dienstleistungen, kulturellen und künstlerischen Angeboten nur für Geimpfte und Genesene. Die parteilose Oberbürgermeisterin von Köln, Henriette Reker, brachte sogar eine Impfpflicht für den Fall ins Spiel, dass es bis Weihnachten „keinen richtigen Schub bei der Impfquote“gebe, 2G sei der „letzte Schritt vor einer Impfpflicht“. Noch-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ über ihren Sprecher mitteilen, sie befürworte rasche Gespräche des Bundes mit den Ministerpräsidenten der Länder.
Bayern rief unterdessen am Mittwoch den landesweiten Katastrophenfall aus. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte zudem eine bundesweite Impfpflicht für bestimmte Berufe, etwa in Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Rückendeckung dafür bekam er vom Präsidenten der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Gerald Haug. Zuvor hatte sich schon der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) für eine Impfpflicht in Pflegeberufen ausgesprochen.
Dass die Bürger Entscheidungen erwarten, zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa zu den aktuell wichtigsten Themen – da landete die Pandemie mit 65 Prozent vor den laufenden Koalitionsverhandlungen mit 49 Prozent.
Der Bürger-Test kehrt zurück: Ab voraussichtlich kommender Woche sollen alle Bürger wieder mindestens einen kostenlosen CoronaSchnelltest pro Woche machen können – so wie es bis 10. Oktober war.
Laut einem Verordnungsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums soll verhindert werden, dass Personen wegen finanzieller Erwägungen auf Tests verzichten. Zudem könnten sich auch Geimpfte mit dem Virus infizieren und damit eine Gefahr für Risikogruppen darstellen.
Eine Frage nach dem ungeimpften Hubert Aiwanger (Foto: dpa) musste bei der Pressekonferenz kommen. In Bayern und im gesamten Bundesgebiet sind immer mehr Bereiche nur noch mit 2G zugänglich – also gegen Corona geimpft oder genesen –, aber was gilt bei den Sitzungen des Kabinetts? Ministerpräsident Markus Söder (CSU) blickte genervt. Und meinte schmallippig, dass ja nur ein Minister nicht geimpft sei – „für den gilt 3G plus“.
Düstere Prognose: Im gesamten Verlauf der Pandemie hat es nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) bisher 96 963 Menschen gegeben, die an oder unter Beteiligung von Corona gestorben sind. Der Virologe Christian Drosten warnt nun für den Fall, dass die Politik unzureichend
Hubert Aiwanger von den Freien Wählern (FW) ist bayerischer Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident. Und er ist Impfskeptiker, die Spritze hat er sich bis heute nicht geben lassen. Das führt inmitten der vierten Welle der Pandemie zu immer härteren Konsequenzen. Denn an immer mehr Orten ist 2G vorgeschrieben, da muss der Minister leider draußen bleiben. Am Kabinettstisch ist noch Platz für den Niederbayern. Doch die eigene FW-Landtagsfraktion stellt sich immer unverhohlener gegen den Vorzeige-Minister und Parteivorsitzenden. Per Pressemitteilung erklärt die gesundheitspolitische Sprecherin Susann Enders in geauf die aktuelle Lage reagiere, mit „bis zu 100 000 weiteren Todesfällen“durch Covid-19. Man habe eine „echte Notfallsituation“, die zu neuerlichen Kontaktbeschränkungen führen könne.
Booster-Impfungen nehmen zu: fetteten Buchstaben: „Es ist nach wie vor von größter Relevanz, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen.“Klar ist, an wen sich das – zumindest auch – richtet. Fabian Mehring, parlamentarischer Geschäftsführer der FW-Fraktion, hat Aiwanger zum Piks aufgefordert: „Sein Ruf nach Normalität ist erst dann glaubwürdig, wenn er selbst geimpft ist.“
Kommende Woche veranstaltet die Fraktion, der Aiwanger lange vorgestanden hatte, einen Presseabend im Landtag. Abgeordnete und Journalisten haben da die Gelegenheit, sich austauschen – mit der 2GZugangsregel. Auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“, dass
Nachdem sich tagelang sehr wenig bewegte, wurden am Dienstag 312 000 Impfdosen verabreicht – Noch-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) freute sich: „So viele wie seit August nicht mehr.“Damit sind mindestens 55,9 Millionen Deutsche (67,3 Prozent der Gesamtbevölkerung)
Aiwanger dann wohl nicht daran teilnehmen kann, meint ein Sprecher: „Das kann ich bestätigen.“Gerade als Wirtschaftsminister muss Aiwanger viel unterwegs sein, etwa bei Firmeneröffnungen oder Betriebsbesichtigungen. Er ist der politische Ansprechpartner für die Wirtschaftsverbände, er ist zuständig etwa für die wichtige bayerische Tourismusbranche. Mehr und mehr Termine entfallen nun für ihn wegen seines Impfstatus. Das Ministerium teilt mit, dass Aiwanger gerne dabei ist, wenn die 3G-plusRegel gilt. Die SPD-Abgeordnete Ruth Waldmann meint: „Das ist ein echtes Eigentor, so ist man einfach nicht regierungsfähig.“(guy)
vollständig geimpft, 58 Millionen (69,8 Prozent) haben zumindest eine Spritze erhalten.
Laut RKI wurden mittlerweile 3,04 Millionen Booster-Impfungen verabreicht. Unter den über 60-Jährigen seien 9,1 Prozent dreifach geimpft. Für Spahn „stimmt die Richtung“, dies reiche aber noch nicht, um die Dynamik zu brechen. In Frankreich wurde derweil beschlossen, dass Menschen über 65 ab Mitte Dezember nur noch als geimpft gelten, wenn sie eine Booster-Impfung nachweisen können.
Bei der Frage, welcher Impfstoff verwendet werden sollte, gibt es unterdessen eine neue Empfehlung der Ständigen Impfkommission: Unter 30-Jährige sollen demnach nur noch mit dem Vakzin von Biontech geimpft werden. Aktuelle Daten hatten gezeigt, dass Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen bei jungen Menschen unter 30 Jahren, insbesondere bei Männern, nach der Impfung mit Moderna häufiger beobachtet wurden als bei Biontech. Zuvor war bereits in Skandinavien und Frankreich von Moderna für unter 30-Jährige abgeraten worden. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA will trotzdem in rund zwei Monaten über einen Einsatz von Moderna bei Kindern im Alter von sechs bis elf Jahren entscheiden.
Lage auf den Intensivstationen: Laut dem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) liegen 2739 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen. Das sind 52 mehr als am Vortag und 513 mehr als vor einer Woche. Vor einem Jahr hatte es 3059 Covid-Intensivpatienten gegeben. Zum Vergleich: Der höchste Wert in der Pandemie war am 3. Januar mit 5762 erreicht worden.
DIVI-Register-Chef Christian Karagiannidis sagte, es dauere nicht mehr lange, bis die ersten Corona-Intensivpatienten aus schwer betroffenen Bundesländern wie Sachsen und Thüringen verlegt werden müssten, weil dort kein Platz mehr sei.
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