Volatil, volatiler, Gewerbesteuer
Corona stürzt nicht alle Kommunen in Finanzprobleme – Läuft es bei den Unternehmen, profitiert auch das Rathaus
- Die Corona-Pandemie treibt denjenigen, die sich um die Finanzen der Kommunen kümmern, Schweißperlen auf die Stirn. Die Kämmerer planen den Haushalt der Gemeinde – und der ist auf die Gewerbesteuern von ansässigen Unternehmen angewiesen. In der Pandemie jedoch melden zahlreiche Unternehmen Kurzarbeit an, gehen in die Insolvenz und kämpfen mit gestörten Lieferketten. Keine guten Vorzeichen, wenn es um die kommunalen Einkünfte geht.
Einige Kämmerer haben sich aber umsonst gesorgt. „Bei Gewerbesteuereinnahmen kann man klar Standorte von Corona-Gewinnern und Corona-Verlierern unterscheiden“, sagt Matthias Alber, Professor für Steuerrecht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg. „Die Gewerbesteuer ist von fundamentaler Bedeutung für Gemeinden, sie macht sie aber auch abhängig von Unternehmen.“Ökonomische Entwicklungen können so auch eigentlich reiche Kommunen hart treffen, wenn vor Ort ansässige Unternehmen in Schwierigkeiten geraten. „Corona trifft jetzt die Städte, die auf viele kleine Gewerbesteuerzahler angewiesen sind, etwa im Bereich Gastronomie, Hotellerie oder Unterhaltung“, sagt Alber.
Die Stadt Mainz mit dem Impfstoffhersteller Biontech gehört ohne Zweifel zu den Corona-Gewinnern. Statt mit einem Haushaltsminus von 36 Millionen Euro rechnen die Oberen der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt für 2021 mit einem Überschuss von einer Milliarde und neunzig Millionen Euro. Die genaue Höhe der Biontech-Gewerbesteuern nennt die Stadt nicht, aber sie liegt laut „Frankfurter Allgemeinen“fast doppelt so hoch wie das gesamte Gewerbesteueraufkommen aller Mainzer Unternehmen zusammen.
Auch im oberschwäbischen Ravensburg hat die Stadt vor wenigen Tagen Rekord-Gewerbesteuereinnahmen für 2021 verkündet. Das liegt zwar auch daran, dass die Kommune im Februar dieses Jahres den Gewerbesteuersatz leicht erhöht hat. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der Kämmerer damit rechnete, dass die Gewerbesteuer wegen der Corona-Krise stark einbricht. Doch das Gegenteil ist der Fall: Auf 70 Millionen Euro soll sich die Gewerbesteuer laut aktueller Prognose belaufen, kalkuliert hatte das Rathaus mit 40 Millionen, weil Ravensburg in den ertragreichen Jahren vor der Pandemie 52 Millionen Euro eingenommen hatte. Nicht unerheblich dürfte zu den guten Zahlen beigetragen haben, dass es beim Pharmadienstleister Vetter auch in Corona-Zeiten gut lief, unddie Nachfrage nach den Puzzles des Spielehersteller Ravensburger in der Pandemie gestiegen ist.
Auch die Stadt Ellwangen im Ostalbkreis hat sich bei ihren Gewerbesteuereinnahmen
verschätzt und erwartet Einnahmen in Höhe von 30,5 Millionen Euro – zuvor hatte die Kämmerei lediglich mit 19 Millionen Euro gerechnet. Ein Grund für die stabilen Zahlen ist der in Ellwangen ansässige Batteriehersteller Varta: Der Spezialist für kleine Knopfzellen, die vor allem in Kopfhörern zum Einsatz kommen, hat seine Umsätze und Gewinne in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesteigert.
125 Kilometer weiter südlich sieht es anders aus: Im oberschwäbischen Biberach kann die Kämmerin Margit Leonhardt statt mit einer geplanten Netto-Gewerbesteuer von 88,3 Millionen Euro nur mit rund 68 Millionen Euro rechnen. Ausgleichszahlungen durch den Bund aufgrund von Corona werde es diesmal nicht geben. So ist die Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmequelle der Stadt seit 2020 verstärkt unter Druck. „Uns fehlt die Zuversicht auf steigende Erträge in diesem Jahr“, sagte Leonhardt der „Schwäbischen Zeitung“. Sie warte nun gespannt auf die November-Steuerschätzung des Bundes, die der Stadt zumindest im Bereich des Einkommensteuer- sowie des Umsatzsteueranteils noch Mehrerträge bescheren könnte. „Insgesamt werden wir 2021 aber mit einem mehr oder weniger großen Defizit abschließen.“
Schwierig wird es für Städte und Gemeinden, wenn ihre Unternehmen Verluste statt Gewinne verbuchen: Denn auch Verluste ließen sich bei der Gewerbesteuer wirksam machen, erklärt Steuerexperte Alber. Heißt, wenn in einem Jahr die Gewerbesteuereinnahmen aufgrund
Verlusten der Unternehmen sinken, kann sich das auch negativ auf die kommenden Jahre auswirken. Bis zu eine Million Euro Verlust ließen sich zu 100 Prozent als sogenannter Verlustvortrag in das kommende Steuerjahr mitnehmen. Alles über diese Summe hinaus noch zu 60 Prozent. Die Verluste in der Vergangenheit vermindern also den zu versteuernden Gewinn in der Zukunft – gut für die Unternehmen, schlecht für die Kommunen. „Die Kommunen, die jetzt schon unter Einnahmeverlusten leiden, werden es auch mindestens im kommenden Jahr nicht leicht haben“, erläutert Alber.
Die Gewerbesteuer für Unternehmen berechnet sich nach dem bundesweit einheitlichen Steuersatz von 3,5 Prozent und dem Hebesatz, den jede Kommune frei wählen kann, solange er mindestens 200 Prozent beträgt. Bei einem Gewinn von 20 Millionen Euro und einem Hebesatz von 400 Prozent, zahlt das Unternehmen also den Betrag von 2,8 Millionen Euro an die Kommune (20 Millionen mal 3,5 Prozent mal 400 Prozent).
Die 2,8 Millionen Euro bleiben aber nicht vollständig in der Gemeindekasse. Einen Teil der Gewerbesteuereinnahmen müssen die Gemeinden als Gewerbesteuerumlage an Bund und Länder abführen. Laut des baden-württembergischen Städtetags verbleiben je nach Rechtslage 25 bis 35 Prozent der Gewerbesteuereinnahmen, gemittelt über fünf Jahre, letztlich im Haushalt. Neben der Gewerbesteuer ist die wichtigste steuerliche Einnahmequelle von Kommunen die Grundsteuer, die auf Grundbesitz erhoben wird. Hinzu kommt der Anteil der Kommunen an den Bundessteuern, also der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer.
Der baden-württembergische Gemeindetag betrachtet die Gewerbesteuer mit gemischten Gefühlen. Karl Reif ist dort Finanzreferent und sagt, „gemeinhin ist die Gewerbesteuer eine sehr volatile Steuer.“Langfristige Planungen seien wegen der wirtschaftlichen Unwägbarkeiten schwierig.